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HUNDE JA-HR-BUCH DREI


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den vierbeinigen Beobachter überhaupt nicht, dabei war er bildschön, und das war noch untertrieben. Dicht neben Sarah, nur durch diesen Gartenzaun getrennt, stand ein Traum von Collie. Aufmerksam verfolgten die dunklen, weisen Augen des Tieres das Mädchen. Die Ohren des schottischen Schäferhundes waren hoch aufgestellt, damit ihm bloß nichts entging. Fast schon hätte man das Verhalten als Fixieren bezeichnen können, so angespannt war der Collie. Er agierte wie bei der Hütearbeit und es schien, als hätte er in Sarah soeben ein Schaf und somit eine neue Aufgabe erblickt. Das Mädchen hingegen blieb weiter in sich und seine Gedankenwelt versunken. Dem Schafshüter auf der anderen Seite des Jägerzaunes wurde es bald zu bunt. Wie konnte man ihn so ignorieren! Jeder nahm ihn doch immer gleich wahr! Stets erntete er begeisterte Rufe der Passanten, egal ob von Kindern oder Erwachsenen: „Oooooch, schaut mal, eine Lassie!!! Ist die schööööön!“ Der Gartencollie hieß im wirklichen Leben Sky und sein Frauchen reagierte immer noch etwas ärgerlich, wenn die Lassie-Rufe laut wurden. Frei nach dem Motto „Niemand soll dumm sterben“ korrigierte sie fast täglich: Die korrekte Rassebezeichnung sei Collie oder auch schottischer Schäferhund. Lassie wäre nur der Name eines Filmhundes, der an der Seite der damals noch blutjungen Liz Taylor zu unvergessenem Ruhm gelangte, dann in späteren Jahren zum Serienstar aufstieg und 1960 sogar einen Stern auf dem berühmten Walk of Fame in Hollywood erhielt.

      Sky war das alles egal. Im Gegenteil, sein Aussehen verhalf ihm zu einem hohen Maß an Aufmerksamkeit, Bewunderung, Streicheleinheiten und auch zu dem einen oder anderen Leckerchen, also war sie doch okay, die Lassie-Nummer. Dass das Frauchen immer gleich so neunmalklug daherkommen musste … Momentan verblüffte und irritierte es den Rüden jedoch sehr, dass dieses Mädchen ihn überhaupt nicht wahrzunehmen schien. Sky war ein Collie par excellence. Diese sensiblen schottischen Fellnasen fühlen sich für alles verantwortlich, sie besitzen einen natürlichen Hütetrieb und wollen sich ständig „kümmern“. Sie sind relativ leicht erziehbar, vorausgesetzt man berücksichtigt, dass sie Hunde der leisen Töne sind und ein unangemessenes Erheben der Stimme nichts als Starrsinn, Scheu oder Verunsicherung hervorruft. Kurz: Collies muss man einfach lieben, schon alleine deshalb, weil sie selbst auch alles um sich herum lieben. Feinfühlig, wie sie sind, spüren sie schnell, wenn irgendetwas mit ihrem Menschen nicht stimmt oder wenn er traurig ist.

      Sky waren Sarahs Tränen und ihre Bedrücktheit nicht entgangen. Er lief unruhig neben ihr am Gartenzaun entlang, dabei blieb er exakt auf gleicher Höhe mit ihr und begann letztendlich ein ziemlich zirkusreifes Programm zu veranstalten. Er sprang auf und ab, als hechtete er einer Frisbee-Scheibe hinterher, kugelte sich rollend ein Stück im Gras und überwand am Ende seiner Show durch einen eleganten Weitsprung den Gartenzaun, um direkt vor Sarahs Füßen zu landen. Sofort nahm er eine Sitzposition wie in einem Bilderbuch ein. Seine Zunge seitlich aus dem rechten Maulwinkel hängend, die Ohren immer noch aufmerksam hochgestellt, den klugen und warmen Blick zielgerichtet dem Mädchen zugewandt, schien es, als würde er lachen. „Hier bin ich, und jetzt musst du mich einfach zur Kenntnis nehmen!“ Hätte er sprechen können, wären das wohl seine Worte gewesen. Sarah zuckte zusammen. Sie stolperte fast über den Hund, der anscheinend soeben vom Himmel gefallen war. Im ersten Moment war sie fast zu Tode erschrocken, fing sich aber erstaunlich schnell wieder. Grundsätzlich hatte Sarah keine Angst vor Hunden, ganz im Gegenteil, sie mochte Tiere und einen eigenen Hund wünschte sie sich ohnehin schon lange. „Wo kommst denn du her? Du bist ja ein toller Kerl, aber bestimmt irgendwo weggelaufen. Das darf man nicht. Dein Herrchen oder Frauchen macht sich sicher schon große Sorgen.“ Sarah redete ruhig und leise mit Sky. Dann bemerkte sie die Metallmarke an seinem Halsband. Langsam bewegte sie ihre Hand in Richtung der dicken, weißen Halskrause des Collies, kraulte ihn und ergriff die runde Plakette. Sky genoss derweil die Krauleinheiten. Sarah las seine Anschrift und seinen Namen auf dem Halsbandanhänger.

      „Sky also, und einfach über den Zaun gesprungen …, na wenigstens bist du nicht weggelaufen, das ist ja dein Garten!“ Kluges Kind, schien Sky zu denken, legte den Kopf leicht schief und verwandelte sein Lächeln in ein breites Grinsen. „Du musst wieder zurück, Sky. Hopp über den Zaun, hast es doch gerade eben auch geschafft, also mach schon, hoppa!“ Sie deutete mit einer weit ausholenden Armbewegung dem Collie den Rückweg an. Der hingegen hatte nichts Besseres zu tun, als umgehend seine rechte Vorderpfote zu heben, aufzustehen und mühsam einige Schritte humpelnd auf drei Beinen zurückzulegen. „Hast du dich verletzt? Armer Kerl, lass mal sehen.“ Er reichte ihr die Pfote und Sarah prüfte sanft tastend, ob ein Steinchen zwischen die Pfotenballen geraten war, begann eine leichte Massage und stellte anschließend den Vorderlauf des Hundes zurück auf den Boden. „Sieht doch alles okay aus, nun spring schon, Sky, ich muss nach Hause.“ Der Hund hörte nicht auf Sarah, sondern zeigte im nächsten Moment unaufgefordert eine weitere Übung aus seinem schier unerschöpflichen Repertoire an Tricks und Kunststücken. Aus dem Stand fiel er auf den Boden, positionierte sich blitzschnell auf die linke Seite und hielt sich mit der Vorderpfote sein rechtes Auge zu. Frauchen nannte diese Übung „Gute Nacht, Sky“. Sarah musste lachen. Was für ein verrückter Hund!

      Sie hockte sich neben ihn, nahm ihm die Pfote vom Auge und kraulte seine Lefzen. Sky schaute zwinkernd auf: Na bitte, geht doch! Nun galt es, Sarah dazu zu bewegen, vor ihm über den Zaun zu kraxeln. Dann musste er die restliche Zeit, bis sein Frauchen nach Hause kam, nicht alleine verbringen. Das Mädchen stand auf und redete erneut auf den Hund ein: “Sky, vielleicht sehen wir uns ja morgen wieder, aber jetzt ab in den Garten!“ Sie machte abermals eine ausholende Armbewegung. Sky schaute ihr zu, als verstände er die Welt nicht mehr und schon gar nicht dieses Kommando. Endlich tat Sarah, was der schlaue Collie von ihr wollte. „Okay, dann mache ich dir das jetzt vor und klettere selbst hinüber. Aber wehe, du kommst dann nicht nach, mein Freund!“ Eine leichte Drohung andeutend, hob das Mädchen den Zeigefinger und machte sich tatsächlich daran, über den Zaun zu steigen. „Als ob nicht drei Stunden Sport in der Woche Quälerei genug sind“, fluchte Sarah leise vor sich hin, schaffte es dann aber doch, zu guter Letzt schwitzend im Garten des Collies zu stehen. Sky wartete, bis Sarah die sportliche Übung mit Erfolg gemeistert hatte, und flog Sekunden später mit einem gewaltigen Satz elegant über den Zaun. „Warum nicht gleich so? Musste ich dir das jetzt wirklich erst vormachen? Dann sag ich mal: Bis morgen. Ich geh jetzt, und bleib bloß, wo du bist!“ Noch ehe Sarah das Bein erneut angehoben hatte, rannte Sky los und kehrte mit einem Tennisball im Maul zurück. Auffordernd ließ er ihn direkt vor Sarahs Füße kullern und begleitete diese Aktion mit einem fröhlichen Spielgebell. „Och nööö, ich hab dir doch gesagt, dass ich jetzt gehen muss. Gegessen hab ich auch noch nichts, und dann muss ich noch die Hausaufgaben erledigen.“ Der Collie schien solche Entschuldigungen für Ausreden zu halten und beharrte darauf, dass der Tennisball nun endlich durch die Luft flog. Da der Hund mit seiner heiteren Art und seinem Spieltrieb irgendwie ansteckend wirkte, ließ Sarah sich schließlich auf das Spiel ein und beide tollten ausgelassen durch den Garten. Sky fing fast jeden Ball auf. Unermüdlich brachte er das Spielzeug ein ums andere Mal zurück, bis Sarah, in Schweiß gebadet und ziemlich außer Puste, sich auf den Rasen setzte. Sky kuschelte sich neben sie und legte dabei den Kopf sanft auf ihr Bein. Mit seiner langen Nase stupste er die Hand des Mädchens an. Sarah verstand diese Geste nur zu gut und kraulte das weiche Fell des Hundes. Ein Gefühl von Wärme, Nähe und Geborgenheit durchströmte sie. Ein sehr schönes Gefühl war das, ganz anders, als wenn sie nachmittags vor dem Fernseher saß und die vielen Lebensmittel in sich hineinstopfte. Sky atmete ruhig und gleichmäßig vor sich hin. Er war eingeschlafen. So verweilten die beiden eine recht lange Zeit. Als Sky aufwachte und sich nach ausgiebigem Recken und Strecken zum nächsten Wasserbehälter trollte, nahm Sarah die Gelegenheit wahr, um sich für heute endgültig von dem neu gewonnen Freund zu verabschieden. Es war spät geworden. Sie würde gerade noch die Hausaufgaben schaffen, und dann käme auch schon ihre Mutter nach Hause. „Tschüss, Sky, mach’s gut. Vielleicht bis morgen, aber nicht weglaufen, und auch nicht wieder über den Zaun springen, hörst du?“ Sky setzte ein Gesicht auf, als wollte er sagen „Jawohl Chefin“ und blieb artig auf dem Rasen liegen. Gleich würde sein Frauchen kommen, es war heute überhaupt nicht langweilig gewesen.

      Sarah lief mit schnellen Schritten heimwärts, da die Zwischenepisode mit dem Collie über zwei Stunden Zeit in Anspruch genommen hatte. An diesem Tag fiel der Gang zum Kühlschrank flach und der Fernseher blieb aus. So sollte es auch an den darauffolgenden Nachmittagen der nächsten Wochen sein. Sarah wurde gelenkiger und