1962 und 2002 unterrichtete er in seinem Dôjô in Straßburg. Stets umfaßte sein Ausbildungskonzept sowohl die Kampftechniken als auch deren kulturellen Hintergrund. Nach wie vor ist er als Budôka sehr aktiv, auch wenn sich seine Lehrtätigkeit inzwischen auf wenige Lehrgänge und Seminare hohen Anspruchs pro Jahr beschränkt.
Der weltweit anerkannte Experte des Karatedô, des Kobudô und des Taijiquan interessiert sich leidenschaftlich für Kampfkünste in all ihren Erscheinungsformen. Nach Effektivität im Kampf zu streben bedeutet für ihn, alle Entwicklungen vorurteilsfrei zu betrachten. Diese Überzeugung führte den modernen »Rônin«, als den er sich sieht, dazu, seiner Praxis auch andere Techniken hinzuzufügen, was selbst den Umgang mit zeitgenössischen Waffen einschließt. So ist er (mit entsprechenden Diplomen aus den USA und der Schweiz) u. a. als Ausbilder im Kampfschießen mit Handfeuerwaffen tätig.
Mit seinem Institut Tengu, das er 1995 gründete, begann parallel zu seiner Tätigkeit als Budôka eine neue Etappe seiner Forschungen auf dem Gebiet der Kampfkünste. Das Ziel dieses Instituts besteht darin, auf Grundlage des Studiums und des praktischen Vergleichs zahlreicher Formen des Kampfes mit und ohne Waffe zu einem umfassenden Konzept der Selbstverteidigung zu gelangen, das den Gegebenheiten des heutigen Lebens gerecht wird. Die Absicht von Habersetzer Sensei besteht darin, der Praxis des Karatedô einen Sinn zu verleihen, der in der modernen Gesellschaft Bestand hat, einen Sinn, der nichts mit sportlichen oder spielerischen Varianten zu tun hat. Sein leidenschaftliches Streben gilt einer gültigen Neubestimmung des Konzepts des Kriegertums für unsere Epoche; Techniken, Taktiken und Verhaltensweisen des klassischen Karatedô sollen mit den Gegebenheiten unserer Zeit in Einklang gebracht werden.
»Der Weg des Tengu« ist für ihn das Abbild einer neuen Bewußtwerdung, eines Willens, einer modernisierten Methode des Budô. Geistige Einstellung und technische Mittel entsprechen dabei den Anforderungen der heutigen Welt. Indem er nach langen Jahren auf dem Weg des klassischen Karatedô eine authentische Schule (Ryû) der vereinigten Kampfkünste (Shin Budô), »Tengu no michi«, gegründet hat, tat Habersetzer Sôke nichts anderes, als den lebendigen Geist der Tradition in die Gegenwart einzubringen. Ganz im Sinne eines »Tatsujin« (»aufrechter Mensch«) ist er somit seiner ursprünglichen Wahl treu geblieben, indem er die Tradition mit Nachdruck und Überzeugung ehrt und weitervermittelt.
Danksagungen
Der Autor dankt Jean-Claude Trap, Jean-Pierre Richeton, Dr. Toni Birtel und dem japanischen Karate-Do-Magazin für das Zurverfügungstellen von Fotografien für dieses Werk.
Illustrationen
Alle Zeichnungen entstammen der Feder des Autors. Die Fotografien stammen vom Autor, von Jean Claude Trap (S. 236, S. 285 oben und S. 294), Jean-Pierre Richeton (S. 121), Dr. Toni Birtel (S. 385) und aus dem japanischen Magazin Karate-Dô (S. 285 unten, S. 317 und S. 318). Die Kalligraphie auf S. 44 stammt von Ôtsuka Hironori. Die Kalligraphien auf S. 43, S. 233 und S. 343 stammen von Kazuko Koy.
Centre de Recherche Budo (CRB) 7b Chemin du Looch F-67530 Saint-Nabor Internet: www.tengu.fr
Deutsche CRB-Vertretung: Wolfgang Lang Waldstraße 12
63811 Stockstadt Internet: www.wslang.de/karatecrb
Foto 1: Roland Habersetzer Sensei auf einem Lehrgang bei Straßburg. Er leitet zwei internationale Lehrgänge pro Jahr im Rahmen seiner Tätigkeit im CRB/Institut Tengu. Hier demonstriert er das Prinzip der Entspannung beim Ausweichen, verbunden mit der Konzentration der Energie (Chikukei), um deren explosive Entfaltung (Hakei) vorzubereiten. Diese Energie muß im Gegenangriff freigesetzt werden und in den Körper des Gegners eindringen (Kime). Solch eine Arbeit mit der inneren Energie (Ki) ist wesentlich für die Suche nach der wahren Effektivität im Kampf, die stets das primäre Ziel der Kata ist.
Kata – nichts als ein Weg …
Die echte Tradition in den großen Dingen besteht nicht darin, das zu wiederholen, was die anderen getan haben, sondern darin, den Geist wiederzufinden, der diese Dinge gemacht hat, einen Geist, der in anderen Zeiten ganz andere Dinge geschaffen hätte.
Paul Valéry (1871 - 1945)
Die Kata sind das »Gedächtnis« der ersten Versuche, die »Kunst der leeren Hand« (Tôde, Kara-te) zu kodifizieren. Sie stellen die beste Schule dar, um die grundlegenden Bewegungsformen in dieser Kunst zu erlernen. Zugleich sind sie jedoch auch eine gefährliche Falle, und zwar dann, wenn der Praktizierende sich ausschließlich mit ihnen beschäftigt. Ich will mit dieser Aussage niemanden schockieren. Man bedenke jedoch: Die Kata ist eine Spur, die hinterlassen wurde, damit man auf ihr irgendwohin gelangt, und kein glänzendes Sammlerobjekt, das in einer Vitrine aufbewahrt wird. Man darf sich nicht damit begnügen, sie als ein antikes Objekt zu verehren. Sie ist ein Archiv, das man sich mühevoll erschließen muß, dessen Inhalt übersetzt werden muß. Die Kata bildet ein solides Fundament, auf dem man mit Hilfe der Absicht, in der sie überliefert wurde, etwas aufbauen kann. Ich will damit sagen, daß man sie als Behältnis betrachten muß, mit dem ein bestimmter Inhalt transportiert wird. Der Inhalt ist dabei das Wesentliche, das, dem man sich nähern muß. Das Behältnis ist das »Zubehör«, das man eines Tages wieder vergessen kann. Die Kata ist ein Werkzeug, unverzichtbar zwar, aber letztendlich eben nichts weiter als ein solches. Sie stellt keinen Selbstzweck dar. Wenn man sie auf intelligente Weise nutzt, wird sie es einem allerdings ermöglichen, eines Tages eine bestimmte Pforte zu durchqueren.
Dieses gilt für jegliche traditionelle Schule, d. h. für jede, die als historisch alt gelten kann (Ryû). Keine Kata trägt eine höhere Wahrheit in sich als eine andere. Und keine Kata, die auf richtige Weise verstanden, gelernt und ausgeübt wird, wird den Praktizierenden in die Irre führen.
Seit nunmehr 50 Jahren praktiziere und forsche ich auf dem Gebiet der Kata. Ich war immer offen gegenüber allem und neugierig auf alles – mein Respekt vor der Tradition hat mich nie von meinem kartesischen Geist abbringen können. Ich hatte das Privileg, zahlreiche Kata der großen Hauptstilrichtungen des Karate »durchreisen« zu können. Zunächst waren es die Kata des Shôtôkan1, denn nur dieser Stil, der mein Basisstil geblieben ist, war Anfang der 60er Jahre in Europa nennenswert verbreitet. Es folgten die Kata des Wadô-ryû und ab den 70er Jahren, unter der Führung meines japanischen Meisters Ogura Tsuneyoshi vom Gembukan (Kôfu), selbst Schüler einiger der Größten des Karate, die des Gôjû-ryû und des Shitô-ryû. Außerdem unternahm ich einige »Abstecher« zu Varianten einiger Kata, wie sie in anderen alten Schulen, wie z. B. im Uechi-ryû (Pangainoon) praktiziert werden. Ich hatte Gelegenheit zu vielen »Besuchen«, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Auf diese Weise entdeckte ich den Reichtum der Techniken und erfuhr die mit den Kata verknüpften Empfindungen. Ich konnte die Kata miteinander vergleichen und Klarheit über Teile der einen mit Hilfe von Abschnitten anderer erlangen. Jenseits der ersten grundlegenden Anwendungen für den Kampf, erwiesen sich die echten Bunkai der Kata, die Schlüssel zum Verständnis, als ein unendlicher Reichtum.
Heute bin ich davon überzeugt, daß die Kata unverzichtbar dafür sind, dem Praktizierenden den Weg zum echten Erfahren der Kunst der leeren Hand zu erschließen. Doch ich möchte in diesem Zusammenhang in Anlehnung an einen Spruch des großen Miyamoto Musashi folgendes sagen: »Respektiert