sitzen, abgerundet und kann deshalb leicht abkippen. So kippte auch der Kasten bei mir ab und der Schraubendreher stieß mir in das vorderste Glied des linken Zeigefingers. Es war dann ein Schlitzloch in meinem Finger, was mindestens sieben Millimeter breit war. Zum Verbinden musste ich in die andere Werkstatt, in der neben dem Meisterraum ein Sanitätskasten angebracht war. Dort bot man mir einen Stuhl an, auf den ich mich setzte. Ein älterer Geselle, ein Schäfter, versorgte mich. Während er sich den Zustand des Fingers anschaute, wurde mir übel und ich rutschte ohnmächtig vom Stuhl. Als ich wieder „vernehmungsfähig“ war, hielt mich ein anderer Geselle fest und ich wurde verbunden. Ich durfte noch eine Weile sitzen bleiben und dann ging es wieder zum Arbeiten.
Auf meinen alten Arbeitsplatz musste ich umziehen, weil auch die Graveure in unsere Werkstatt kamen. So war nun der Platz von Rolf Triebel, meinem Wanderfreund aus Schmeheim, direkt neben dem meinen. Ich konnte beobachten was er machte. Auch seinem Meister durfte ich über die Schulter schauen, wenn er ein Jagdmotiv an einem Gewehr aufbrachte. In der Nachbarwerkstatt, durch die wir zur Toilette gingen, konnte ich beobachten, wie der Graveurmeister Skalen in Messzeuge einritzte.
Bald nach dem Wechsel wurde Herr Werner mein Lehrgeselle und ich lernte, wie man Drillinge systemiert. Das war Ende des Sommers 1942. Ich kam zu dieser Zeit zwei Wochen in die Lehrschmiede. Dort gab es zwei Doppelschmiedefeuer und vier Ambosse. Ich arbeitet am ersten Ambos. Gefeuert wurde mit Steinkohle. Schon in der Berufsschule bei Meister Dietz hatten wir gelernt, dass ein Schmiedefeuer erst durchbrennen muss, bevor man den Stahl zum Erhitzen eingibt. Es durfte so gut wie kein Schwefel aus der Steinkohle in den Stahl eindringen, weil sonst die Eigenschaften des Stahls negativ verändert würden. Das zeigte uns nun der Schmiedemeister. Zuerst mussten wir lernen, wie man Spitzen schmiedet. Danach erlernten wir Bauklammern schmieden. Auch Meißel haben wir geschmiedet.
Ich stellte fest, dass ich einen günstigen Platz erwischt hatte. Damit die Hitze besser im Feuer bleibt, mussten wir das Feuer mit „Wasserpatschen“ abdichten. Durch das Wasser erfolgte ein Zusammenbacken der obersten Schicht des Feuers und dichtete die Glut im Inneren gut ab. Die dazu benutzten Patschen ähnelten einer gewöhnlichen Fliegenklatsche, nur, dass sie steif waren. Vorn war aus alten Säcken eine Art Verband angelegt. Dies tauchte man in den neben dem Feuer angebrachten Wasserbehälter und führte die Patsche dann zum Feuer, wo man mehrere Male „auftitschte“. Das geschah so lange, bis das ganze Feuer abgedichtet war.
Die Schmiedefeuer wurden von beiden Seiten bedient und auch gepatscht. Die Abdichtung des Feuers, die wie eine Haut das Feuer umschloss, war schnell brüchig. Durch die Risse suchte sich das Feuer oft einen Weg, wo es funkensprühend den gefundenen Ausgang nahm. Wenn man vor dem Feuer stand und es beobachtete, sah man, was sich da anbahnte und war schnell mit der Patsche zur Hand. Sprühte das Feuer in die eigene Richtung, konnte man ausweichen. Ging es aber in die Richtung des Nachbarfeuers, konnte es passieren, dass der dort arbeitende Kollege die heißen Funken in den Nacken bekam.
Immer waren die Feuer nicht auf vollen Touren. So zum Beispiel, wenn wir als Zuschläger angestellt wurden. Beim Zuschlagen gab es auch bestimmte Regeln. So musste man seinen Schlag mit dem Vorschlaghammer dort aufbringen, wo der Schmied mit seinem Handhammer vorher aufschlug. Waren es zwei oder drei Zuschläger, mussten erst alle zwei oder drei auf die gleiche Stelle schlagen. Der Aufschlag des Schmiedes bestimmte die neue Richtung, die oft nach der Drehung des Werkstücks notwendig wurde.
So hatte ich einmal das Pech, mit zwei anderen Meistern und natürlich dem Schmied einen großen Meißel für den Elektromeister auszuschmieden, der mit zuschlug. Da hatte ich zu tun, dass ich im Takt blieb. Noch schwieriger war es, wenn ich selbst als Schmied fungieren musste. Ich verpasste ein paar mal das richtige Beenden. Der Schmied lässt dazu seinen Handhammer zur Seite springen.
In der zweiten Woche bogen wir Flanschringe. Diese, über die hohe Kannte gebogenen Flachstahlstreifen, mussten um eine etwa einen Meter große Form geführt werden. Das war Flachstahl von etwa acht bis zehn Millimeter mal sechzig Millimeter. Ohne den Flachstahl an der Biegestelle zu erwärmen ging das nicht. Die Form, ein etwa acht Zentimeter breiter Reifen, war auf einem großen Blech von innen angeheftet. Der Flachstahl wurde mit einem großen Schweißbrenner an der zu biegenden Stelle zur Rotglut gebracht und mit dem richtigen Druck an die Form gebracht. Wenn man dabei zu schnell war, gab es Stellen, die nicht richtig an der Form anlagen. Das sah man deutlich. Mir gelang das gut und ich musste das dann auf Anordnung des Meisters öfter mit erledigen, weil von den anderen drei es keiner so genau fertig brachte. Mir machte das Spaß und ich bedauerte, dass meine Zeit in der Schmiede herum war.
Ich hatte nun nur noch die Werkzeughärterei vor mir. Es war kurz vor dem Winter, als ich dorthin überwiesen wurde. Die Werkzeughärterei war in der obersten Etage des Werkzeugbaus. Das Haus war ein Neubau. Die Härterei war vielleicht zwanzig Meter lang und reichte von einer Seite zur anderen des Gebäudes. So waren an beiden Seiten Fenster. Ich erinnere mich an ein abgetrenntes, mit Glaswänden umgebenes, Sandstrahlgebläse. In dem Sandstrahlgebläse, bei dem die zu säubernden Teile auf einen karussellähnlichen Tisch gelegt wurden, hatte man aus der Sowjetunion verschleppte Frauen eingesetzt. Die erste junge Frau, mit der ich verbotenerweise ins Gespräch kam, war eine Lehrerin, die recht gut deutsch sprechen konnte. Die andere, die in der zweiten Woche dort gearbeitet hat, verstand uns nicht. Sie war noch jünger und sah sehr unterernährt aus. Als ich kurz vor einer Frühstückspause in den Gebläseraum zu bearbeitende Teile brachte, wollte einer der Arbeiter gerade ein Frühstückspaket heimlich dort ablegen. Er bat mich, mit dem Mädchen Mitleid zu haben, denn die Russenfrauen würden sehr wenig zu Essen bekommen. Ich sagte niemand etwas.
Auch ein Salzbadofen stand in der Härterei. An einem solchen konnte man die Temperatur an einer Skala recht genau einstellen. Durch ein Gerät musste man auf das glühende Salzbad schauen. Stimmte die Farbe des Gerätes mit der des Salzbades überein, konnte man die zu härtenden Teile in das Salzbad geben. Da man fast nur Schneidwerkzeuge härtete, musste mitunter von Teil zu Teil die Temperatur neu eingerichtet werden. Die Schneidwerkzeuge wurden aus unterschiedlichen Stahllegierungen hergestellt. So konnten schon zehn bis zwanzig Grad Auswirkungen auf die Härte des Werkzeugs haben, entweder zu hart, wenn die Glühtemperatur zu hoch war, oder nicht hart genug und die Standzeit der Schneiden wäre zu gering, wenn die Temperatur zu niedrig war.
Das Härten in einem Salzbadofen bot aber auch eine große Gefahr. Wenn ein Tropfen Wasser in das Salzbad geriet, würde der ganze Ofen explosionsartig das flüssige, glühende Salz auswerfen. Das zu härtenden Teil wurden mit einer Zange gepackt und in das glühende, flüssige Salz gehalten. Ab und zu hob man es an, um zu prüfen, ob das Werkstück die gleiche Farbe hatte wie das Salzbad. Stimmte die Farbe überein, wurde das Werkstück herausgenommen und in ein Ölbad gegeben, in dem man das Anbrennen des Öls durch heftiges Rühren verhindern musste. Die Zangen wurden ebenfalls warm, und wir kühlten sie in einem Wasserbehälter ab. Da durfte dann kein Tropfen an der Zange bleiben. Die noch vorhandene Wärme der Zange ließ das letzte Wasser schnell verdampfen, wenn man es richtig gemacht hatte.
Die eben beschriebene Methode wendete man bei Reibahlen, Bohrern und Schaftfräsern an. Scheibenfräser wurden an ausreichend starkem Draht aufgefädelt und dann ins Salzbad getaucht. In der Zeit, als ich dort war, gab es nur Ölhärter. Bei Lufthärtern kühlt man, je nach Legierung, mit der Außen- oder Umluft, mit Gebläse oder Druckluft. Da es nicht notwendig war, die Schäfte der Bohrer, Reibahlen und ähnlichen Stücken zu härten, wurde nur der Schneidenteil glühend gemacht. Der Schaft diente so zum Erfassen mit der Zange.
Bald war diese Zeit auch vorbei, und es ging zurück an den Drilling. Tag für Tag kam auch die Facharbeiterprüfung näher. Gewöhnlich wurden zur Prüfung Doppelflinten bearbeitet. Ich machte aber nun Drillinge. Zu einem Drilling benötigt man mehr Zeit. Zwischendurch musste ich Laufmündungen bearbeiten, die vom Einschießen zurückkamen. Beim Drilling gab es nun aber viele Arbeiten, die sehr anders waren als bei einer Doppelflinte. Die Drillinge hatten keine Hähne, sondern Schlagstücke. Diese Schlagstücke schlugen auf gefederte Schlagbolzen. Die Bohrungen für die Schlagbolzen wurden erst nach der Montage der Schlagstücke per Handleier eingebracht. Da wurde vorher am Kasten die Laufmitte angerissen und diese Mitte dann gekörnt. Die Aufschlagstellen der Schlagstücke wurden ebenfalls gekörnt, und zwar an der Stelle, an der der noch nicht vorhandene Schlagbolzen sitzen sollte.
Zum Bohren