sein früheres großes Vermögen zurückzuerwerben.
Eines Tages verkaufte er alles, was er an beweglichen und unbeweglichen Gütern noch besaß, begab sich auf ein Schiff, das gerade nach Ostindien segeln wollte, und begann den Handel. Während der Seereise landete das Schiff an mehreren Inseln, auf denen Sindbad seine Waren mit Nutzen verkaufte oder dafür wertvolle Gegenstände einhandelte, und einmal überfiel sie eine so tiefe Windstille, dass die Segel schlaff von den Masten herabhingen und an ein Vorwärtskommen nicht zu denken war.
Es war gerade ein kleines Eiland in der Nähe, das sich nur wenig über den Spiegel des Meeres erhob und dalag wie eine schöne grüne Wiese.
Der Kapitän ließ die Segel einziehen und erlaubte der Mannschaft, an Land zu gehen. Auch Sindbad fand daran Vergnügen; aber während die Leute von den Beschwerden der langen Seefahrt sich ausruhten, erzitterte die Insel plötzlich und begann pfeilschnell durch die sonnige Flut zu gleiten. Die Matrosen sprangen, so rasch sie konnten, ins Wasser; etliche retteten sich in das Boot, das der Kapitän ihnen zusandte, etliche fanden ihren Tod in den Wellen. Und dies wäre auch Sindbads Schicksal gewesen, wenn er nicht im letzten Augenblicke ein Stück Holz erfasst hätte, das die Matrosen für ein Feuer zum Kochen ihres Mahles mit auf das Eiland gebracht hatten; denn auf einmal sank das grünlich schimmernde Land tief und tiefer und war auch schon viele Seemeilen von dem Schiffe entfernt, als Sindbad erkannte: es war ein riesiger Walfisch, der sich an der Oberfläche des Meeres gesonnt hatte. Der arme Sindbad trieb nun mit seinem Holz auf dem offenen Meere und erkannte, dass er die Beschwerden dieser seltsamen Fahrt nicht länger als bis zu Sonnenuntergang würde ertragen können; und so befahl er sich seinem Gotte und sah tiefe Finsternis über sein Auge sinken.
Es war aber nicht der Tod, sondern es war die Nacht, und ein sanfter Wind trieb ihn alsbald an den Strand einer Insel. Dort versank er in einen todähnlichen Schlaf, und als er am anderen Morgen erwachte, war weder von seinem noch von einem anderen Schiffe etwas zu sehen. Mühsam schleppte er sich durch das Strauchwerk, um etliche genießbare Kräuter zu suchen; und wie er gegessen hatte, kam er auf ein fruchtbares Stück Land mit köstlichem Graswuchs, darauf weidete ein Fohlen, dessen stolze Schönheit es eines Königs wert erscheinen ließ.
Nicht lange, so vernahm der Seefahrer auch die Stimme eines Mannes, der aus einer grabähnlichen Vertiefung trat und den Verirrten fragte, wer er wäre. Sindbad erzählte ihm sein Abenteuer, und der Mann führte ihn in eine Höhle, in welcher sich mehrere Knechte befanden. Die gaben ihm zu essen und erzählten, dass sie alljährlich um diese Zeit des Königs Stuten in der Einsamkeit dieser Insel auf die Weide führen müssten.
Am anderen Tage reisten die Knechte mit ihren Rossen heim, und Sindbad fuhr mit ihnen; ihr König aber war Maharadjah von Indien.
So kam Sindbad in das Land seiner Sehnsucht, und als er eines Tages im Hafen spazierte, landete gerade ein Schiff – und siehe da, es war jenes, das er einst hatte unfreiwillig verlassen müssen. Er gelangte also wieder in den Besitz seiner Güter, begann sofort seinen Handel aufzunehmen, und als er genügend verdient hatte, schiffte er sich mit neuen Waren wieder ein; er nahm Aloe, Sandelholz, Kampfer, Muskatnüsse, Gewürznäglein,1 Pfeffer und Ingwer in großen Vorräten mit, landete auf dem Seewege an mehreren Inseln und vermehrte sein Vermögen durch Kauf und Verkauf, sodass er schon von dieser Reise als ein leidlich wohlhabender Mann wieder in Bagdad eintraf. Dort wollte er nun leben; aber die Müßigkeit seiner Tage behagte ihm nicht lange, sondern er bekam wieder Lust, aufs neue übers Meer zu reisen und zu handeln.
Er ersah sich also ein gutes Fahrzeug und stach in See.
Eines Tages landete das Schiff an einer öden Insel, die zwar einigen Baumwuchs zeigte, aber weder Häuser noch Bewohner zu haben schien.
Sindbad, der ein Stück landeinwärts wanderte, legte sich am Ufer eines Baches zum Schlafe, nachdem er eine gute Mahlzeit gehalten hatte. Aber als er erwachte, erstaunte er nicht wenig; denn das Schiff, das vorher ruhig vor Anker gelegen hatte, war nicht mehr da. Er rief, aber keiner der Kaufleute oder Matrosen, die mit ihm an Land gegangen, gab Antwort. Und ganz ferne am Horizont verschwanden die weißen Segel des Fahrzeugs wie eine enteilende Möwe.
Sindbad, wie er sich also betrogen sah, ward von großem Schmerze befallen, warf sich auf die Erde und klagte sich hundertmal der Habgier an, die ihn daheim nicht hatte ruhen lassen.
Endlich stieg er auf eine sehr hohe Palme, um einen Überblick über das Land zu gewinnen; da bemerkte er in weiter Ferne etwas Weißes, das er sich nicht anders erklären konnte, als dass es ein Haus sei. Er raffte zusammen, was er noch an Nahrungsmitteln besaß, und wanderte dem vermeintlichen Hause zu. Als er aber in die Nähe kam, bemerkte er: es war eine weiche weiße Kugel von riesigem Umfange; denn sie hatte einen Durchmesser von fünfzig Schritten.
Während der unglückliche Seefahrer noch immer ratlos dastand, verfinsterte sich plötzlich der Himmel, als ginge die Sonne unter. Es war aber nicht die sinkende Nacht, sondern ein mächtiger Vogel, der seine Schwingen vor der goldenen Scheibe des Himmels dehnte, heranflog und sich auf die große weiße Kugel setzte.
»Aha«, dachte Sindbad, »das ist der Vogel Roch, von dem die Schiffsleute so viel zu erzählen wissen; und die große weiße Kugel ist sein Ei, das er ausbrüten will. Wie wär’s, wenn ich diesen Vogel Roch zu meinem Schiffe machte?«
Der Vogel Roch hatte das eine Bein gerade an der Seite des Eies herabhängen, an welcher Sindbad stand; und dieses Bein war fast so dick wie ein mäßiger Baumstamm.
Gedacht, getan!
Während es Nacht wurde, nahm Sindbad einen Strick aus der Tasche, schleifte sich fest an das Bein des wundersamen Vogels und dachte: »Einmal muss er das Ei doch verlassen, und wenn ich auch nicht weiß, wohin er mich trägt – trostloser als diese Insel kann mein Aufenthalt unmöglich werden. Also, guten Mut, Sindbad!«
Kaum graute der Tag, so erhob sich der Vogel Roch und stieg kerzengerade gegen den Himmel empor. So hoch, dass Sindbad die Erde alsbald nicht mehr sehen konnte. Darauf stürzte er sich mit solcher Schnelle herab, dass dem armen Manne Hören und Sehen verging. Als er aber die Erde unter sich fühlte, knüpfte Sindbad rasch den Knoten auf, mit dem er sich an des Vogels Fuße befestigt hatte, und sah, wie der Vogel Roch mit seinem Schnabel nach einer Schlange hieb, die eine unerhörte Länge hatte. Damit flog er davon.
Sindbad befand sich nun in einem tiefen Tale, und die Berge ringsum waren