gleichen Augenblicke standen mehrere Kamele vor dem Palast; die waren entweder schön aufgezäumt, oder sie trugen Geschenke aller Art. Auch war ein starkes Gefolge von Sklaven bei den Tieren, und wie die Karawane eines reichen Kaufherrn zogen Asem, seine Gemahlin und die Sklaven auf den Kamelen von dannen. An der Küste trafen sie ein Schiff, und ein günstiger Wind führte sie in kurzer Zeit in die Vaterstadt Asems. Wer vermöchte die Freude zu schildern, die die greise Mutter empfand, als sie ihren verloren geglaubten Sohn in die Arme schloss!
Überschüttet von Liebe und Glück, war Asem damals einer der reichsten Einwohner seiner Stadt; aber als drei Jahre verflossen waren, erinnerte er sich des Schlosses an der Wüste, und er nahm sich vor, ihm einen Besuch abzustatten. Ehe er jedoch reiste, gab er den Schleier seiner Gemahlin in die Hände seiner Mutter und sagte: »Wenn du ihr diesen Schleier ließest, würde sie von einer unwiderstehlichen Sehnsucht nach der fliegenden Insel getrieben werden. Hüte darum den Schleier wohl; wenn ich glücklich heimgekehrt bin, will ich selbst mit meiner Gattin in ihre Heimat reisen. Dürfte sie aber allein gehen, so würde ich sie auf ewig verlieren und ihre beiden Kinder würden verwaist um sie trauern.«
Die Mutter versprach, den Schleier sorgsam zu hüten. Dann reiste Asem zum Schloss in der Wüste.
Nach einigen Tagen nahm seine Gattin ein Bad an jener Stelle, an der auch die Frauen vom Hofe des Sultans zu baden pflegten. Und als sie die schönste aller Frauen sahen, konnten sie ihre Augen an der Blüte ihrer Jugend nicht sättigen und geleiteten sie nach Hause.
Sobeide, die Gemahlin des Sultans, war über diese Nachricht sehr erstaunt und hatte Lust, Asems Gattin zu sehen. Sie ließ sie holen.
Als sie bei ihr eintrat, richtete die Sultanin ihre erstaunten Augen auf sie und sprach: »In welchem Lande ist eine so himmlische Schönheit geschaffen worden?«
»Fürstin«, erwiderte sie, »wenn Ihr mich schon in diesen einfachen Kleidern schön findet, was würdet Ihr sagen, wenn Ihr mich in meinem Schleiergewande sähet!«
Sobeide befahl der Mutter Asems, auf der Stelle hinzugehen und den Schleier zu bringen. Bei diesen Worten zitterte die Alte; denn sie dachte an ihr Versprechen; aber sie wagte nicht, Einwendungen dagegen zu machen, ging traurig nach Hause und brachte das verhängnisvolle Gewand.
Sobeide betrachtete das feinste aller Gewebe lange und bewunderte es; denn es war von ungeahnter Herrlichkeit.
Die Gattin Asems aber, als sie den Schleier in ihren Händen fühlte, konnte ihre Heimatsehnsucht nicht mehr zügeln, nahm ihre Kinder in ihre Arme, warf sich das Gewand über und entschwand vor den erstaunten Augen der Sultanin und ihres Hofstaates in den Lüften. Von weither rief sie zurück: »Lebt wohl, liebe Mutter! Tröstet meinen Gemahl! Ich werde nie aufhören, ihn zu lieben, aber die Sehnsucht nach meiner Heimat zwingt mich, ihn zu verlassen. Wenn er nicht ohne mich leben kann, so soll er mich auf den fliegenden Inseln suchen! Ade! Ade!« –
Während diese Dinge sich zutrugen, gedachte Asem seiner Gemahlin, schied aus dem Schloss an der Wüste und kehrte in seine Vaterstadt zurück. Er fand seine Mutter in bitteren Tränen.
»Was ist geschehen?« rief er in banger Ahnung. »Wo ist meine Frau? Wo sind meine Kinder?«
In tiefer Reue erzählte die Mutter alles, und Asem ergab sich seinem fassungslosen Schmerze.
Dann fasste er den Entschluss, sein Weib und seine Kinder aufzusuchen, aber man stellte ihm vor, dass er die fliegenden Inseln erst in sieben Jahren erreichen würde. Doch nichts konnte ihn von seinem Vorsatz abbringen. Er reiste zunächst zum Palast an der Wüste und fragte dort um Rat. Auch jene beiden Schwestern, die er zuerst gesehen hatte, suchten ihn zurückzuhalten. Umsonst. Sie wiesen ihm also den Weg, und am zehnten Tage seiner Wanderung kam er an eine Straßenkreuzung. Dort erblickte er drei Männer, die in heftigem Streit miteinander lagen und ihn anriefen: »Heda, junger Mann, kommt näher; Ihr sollt der Schiedsrichter in unserem Streite sein.«
Dann zeigten sie ihm eine Kappe, eine Trommel und einen Ball, und einer sprach zu ihm:
»Wir sind drei Brüder, die von ihren Eltern diese drei Dinge als Erbteil erhalten haben; nun wissen wir nicht, welches Stück dem einen, welches dem anderen gehören soll. Darum: teilt jedem sein Los zu, und bei Eurer Entscheidung wollen wir uns beruhigen.«
»So sagt mir zuvor, welchen Wert die Stücke haben!« sprach Asem.
»Diese Kappe hat die Kraft, unsichtbar zu machen. Wer sie aufsetzt, kann überall eintreten, er kann die Schändlichkeiten der Bösewichter entschleiern – kurz, er erfährt alle Geheimnisse, die er zu wissen wünscht. – Die Trommel aber befreit den, der sie besitzt, aus jeder Gefahr; alle Geister stehen ihm zu Dienst, wenn er auf die Schriftzeichen schlägt, die darin eingegraben sind. – Wer aber den Ball hat, kann sich in jedem Augenblicke von einem Ende der Erde zum anderen versetzen; er vollendet in zwei Tagen einen Weg von sieben Jahren.«
»Hm«, sagte Asem, »erzählen könnt Ihr mir das wohl, aber könnt ihr die Wahrheit Eurer Reden auch beweisen?«
»So versucht die Kräfte dieser Wunderdinge«, sprachen die Brüder, »und wenn wir ehrlich geredet haben, so kehrt zu uns zurück und fällt Eure Entscheidung.«
Asem setzte also die Kappe auf den Kopf, knüpfte die Trommel an seinen Gürtel, warf den Ball, der an einem Faden hing, auf den Boden, sprach den Ort aus, zu dem er wollte, und der gehorsame Ball rollte sogleich vorwärts und durchflog mit ihm den Raum in Windesschnelle.
Endlich hielt er vor dem Tore eines großen Hauses. Asem ergriff seine Trommel, schlug die Zauberzeichen, und eine Stimme ließ sich aus dem Hause hören, die sprach: »Du hast gesiegt, Asem, und du hast einen Teil der Schwierigkeiten überwunden. Aber es warten deiner noch mancherlei Gefahren und Prüfungen. Verbirg deinen Ball!«
»Wer bist du, der also zu mir spricht?«
»Ich bin einer der Geister, die der Trommel dienen. Setze deine Fahrt fort; denn du bist noch drei Jahresreisen von den fliegenden Inseln entfernt.«
Asem verlor den Mut nicht und gelangte nun in eine Wüste, die wimmelte von Schlangen, Drachen und anderen wilden Tieren.
Da besann er sich auf seine Kappe und durchschritt so die grauenvolle Gegend ohne Gefahr.
Dann kam er zum Strande eines Meeres und sah in der Ferne die Berge der fliegenden Inseln; die standen im Lichte der untergehenden Sonne, als wären sie von Gold.
Asem, der nicht wusste, wie er über dies weite Meer kommen sollte, rief mit