Lutz Hatop

Weiße Wölfe am Salmon River


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es also, was Shonessi am Pool gemacht hatte, ein Schwur. Mit Bewunderung schaute er sie an, drückte zur Bestätigung ihre Hände.

      Gerhard und Hartmut sagten beide nichts. Für Gerhard brach die Traumreise auseinander. Hartmut erkannte er nicht wieder und Marc hatte sich entschieden.

      „Marc, wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne bei euch bleiben, nehme deinen T65. Ich verspreche euch auch, ich werde euch nicht zur Last fallen.“

      Marc brauchte nicht zu antworten, das übernahm Shonessi.

      „Du darfst gerne mitfahren, du störst auch nicht. Ich freue mich, wenn du dabei bist.“

      Hartmut senkte die Augen. Mit verbissener Stimme antwortete er in Deutsch, „dann ist es wohl entschieden. Auch ich fliege mit dem Flugzeug zurück. Gratuliere Marc, deine kleine Hure hat unseren Traum kaputtgemacht. Du bist ihr ja vollkommen verfallen. Sie hat dich regelrecht verhext. Ich habe gedacht, Freundschaft zählt mehr bei dir. Da habe ich mich wohl in dir getäuscht. Erst hast du mir Ella weggenommen und jetzt wirfst du unsere Freundschaft wegen einer 'Indianerin' weg. Ich verachte dich.“ Er sprach das so abfällig aus, dass der Begriff Indianerin in höchstem Maße abwertend zu verstehen war.

      Dann holte er zu einem Rundumschlag aus, Marc stand bereits mit geballten Fäusten, nahm eine bedrohliche Haltung ein. Allein Gerhard hielt ihn zurück.

      „Gerhard, auch du bist ein Verräter und fällst mir in den Rücken. Bin ja gespannt, was du deiner Frau und deinen beiden Kindern zuhause erzählst. Ihr beide seid für mich gestorben, endgültig!“

      Er stand auf und ging in sein Zelt.

       In letzter Minute

      Am nächsten Morgen, vor Sonnenaufgang. Shonessis erster Weg galt Marc, seinem Zelt. Sie zog leise den Reißverschluss auf, schlüpfte zu dem schlaftrunkenen Marc in den Schlafsack. Langsam kam er zu sich.

      „Shonessi.“

      „Ja…a. Kann ich bleiben … oder soll ich wieder gehen?“

      Er war hellwach: „Bleiben! Ich würde mir wünschen, jeden Morgen von dir geweckt zu werden.“

      Sie lachte ihn an: „Dann sei still und genieße.“

      Ahmik hatte ihr Davonschleichen beobachtet, ging ihr nach und sah, wie sie in das Zelt schlüpfte. Langsam erfasste er die Wirklichkeit, wollte es nur noch nicht wahrhaben. Niemals würde er seine Schwester, die zehn Jahre jünger war als er, verletzen. Weit entfernt war sein Verständnis für ihr Verhalten in den letzten Jahren. Das galt insbesondere für ihre Liebesverhältnisse, am Anfang euphorisch, nach einer gewissen Zeit, mal länger, mal kürzer, dann stark nachlassend. Er hielt ihr ihre Jugend zugute, gerade mal dreiundzwanzig Jahre war sie alt. Zeit für Erfahrungen. Bisher nicht nur der große Bruder, immer auch der Beschützer mit einem äußerst wachsamen Auge. Zugegeben hätte er es nie, seine Schwester war für ihn der wichtigste Mensch in seinem Leben, er liebte sie über alles.

      Nun dieser Deutsche! Shonessi verhielt sich anders. Sicher bemerkte er auch hier diese Euphorie, doch verhaltener. Er fühlte eine innere Stärke, eine Kraft in ihr, die er so noch nicht gesehen hatte. Diesen Deutschen konnte er nicht einschätzen, sicher nur eine Urlaubsromanze. So hoffte er insgeheim. Die Fakten sprachen dagegen, er hatte sie beide vor einem vielleicht tödlichen Anschlag bewahrt, hatte ohne eine Spur zu zweifeln sofort für sie Partei ergriffen. Warum? Er tat sich schwer einzugestehen, dass hier auch Liebe mit im Spiel war. Die Zivilcourage rechnete er ihm hoch an.

      Er und der Parkaufseher hielten sich noch im Headquarter auf, als plötzlich das Funkgerät ansprang. Ein Krächzen und unverständliche Wortfetzen waren zu hören. Der Parkaufseher nahm das Gerät in die Hand, um das Flugzeug anzufunken, lächelte Ahmik an.

      „Little Bear ist der Pilot, auf den kannst du dich verlassen. Er wird dich sicher nach Fort Liard bringen.“

      Sie konnten die Stimmen im Flugzeug hören, anfangs unverständlich, dann immer deutlicher. Little Bear hatte unbemerkt das Funkgerät eingeschaltet.

      „Wir sind normale Touristen, hören Sie zu!“ Eine unverständliche Antwort war zu vernehmen. Dafür wurde die andere Stimme laut und deutlich: „Schnauze halten! Keine Warnung an den Parkaufseher, oder Sie sind tot, verstanden?“

      Die Antwort des Piloten klang gereizt: „dann erschießen Sie mich doch, ich denke, ihr überlebt das auch nicht.“

      Ein ohrenbetäubendes Heulen schallte durch das Funkgerät.

      „Da stimmt was nicht, wir bekommen ungebetenen Besuch.“

      Ahmik rannte, ohne die Antwort abzuwarten aus dem Haus zu den Zelten, nahm einen blechernen Kochtopf und trommelte mit einem großen Schöpflöffel darauf herum. Seine Bedenken waren wie weg geblasen. Alle schreckten in ihren Zelten auf.

      „Raus mit euch, alle! Wir sind entdeckt, in zwanzig Minuten sind unsere Verfolger mit dem Flugzeug hier.“

      Marc war mit einem Hechtsprung aus dem Zelt. Er ergriff sofort die Initiative.

      „Gerhart, Hartmut, schmeißt alles einfach in die Boote. Shonessi, reiß das Zelt ab. Schnell, wir dürfen keine Zeit verlieren. In zehn Minuten ist Abfahrt. Hartmut, Ahmik, ihr nehmt zusammen den Aerius. Gerhard, du den T65. Nimm unser ganzes Gepäck mit. Shonessi und ich machen das Kanu flott.“

      Im Laufschritt rannte der Parkaufseher mit zwei Stechpaddeln und Schwimmwesten an ihnen vorbei.

      „Folgt mir, schnell.“

      Shonessi hatte nicht viel an, nur Slip und T-Shirt, ebenso Marc nur seine Sporthose und ebenfalls ein T-Shirt. Er packte seinen großen Rucksack, stopfte alle losen Kleidungsstücke so gut es ging hinein. Shonessi trug ihre Kleidung unter dem Arm, warf sie lose in das Kanu, sprang hinein. Marc setzte sich hinten auf das Brett, der Parkaufseher gab ihnen einen Stoß, schon waren sie auf dem Wasser. Die Strömung packte sie sofort, fast wären sie gekentert. Marc rief Shonessi nach vorne zu:

      „Das ist kein Kochlöffel, sondern ein Paddel, umfass den Griff oben. Schau her zu mir, ich zeig´s dir.“ Er zeigte ihr kurz, wie man ein Paddel hält und einsetzt. „Du paddelst rechts, ich links. Und wichtig: keine Wechsel. Du bleibst auf deiner Seite. So nun eintauchen, das ganze Blatt. Und durchziehen.“

      Die zierliche Shonessi setzte alle ihre Kräfte ein. Marc war zufrieden, er wendete das Kanu gegen die Strömung, dass es flussaufwärts zeigte. So überquerten sie ohne Probleme den Fluss. Kurz vor Erreichen des Ufers wendete er wieder und ließ sich abwärts treiben. Die Strömung war zwar schnell, jedoch ohne Hindernisse. Schnell näherten sich auch die beiden anderen Kajaks. Sie hörten bereits ein Brummen, Motorengeräusch. Sie mussten an Land.

      Das Glück stand ihnen zur Seite, am rechten Ufer lag ein mächtiger Felsklotz im Wasser. Marc zeigte auf den Felsen, die anderen verstanden. Gerhard zog an Marcs Kanu vorbei, um als erster in das Kehrwasser hinter dem Felsen einzufahren.

      „Shonessi, pass genau auf Gerhard auf, wie er das Blatt ins Wasser setzt, du machst es genauso. Hör auf mein Kommando, Wenn ich sage 'jetzt' – setzt du das Paddel ein.“

      Marc steuerte den Felsen knapp an, gab das Kommando.

      „Jetzt!“

      Sie hielt das Paddel über den Kopf mit dem flachen Blatt ins Wasser. Nur der Druck war nicht da. Marc war mit Absicht sehr dicht an den Felsen herangefahren, mit allen Risiken, wechselte die Seite und drückte das Kanu ins Kehrwasser. Auch saß er nicht mehr auf dem Brett, sondern kniete im Boot, um es entsprechend aufzukanten. Shonessi legte sich instinktiv ebenfalls auf die richtige Seite. Gerhard zog bereits ein Boot auf das Ufer. Innerhalb kurzer Zeit waren alle drei an Land. Sie versteckten die Boote im Gebüsch.

      Nur wenige Minuten später donnerte ein Wasserflugzeug über sie hinweg. Sie hatten es geschafft, in letzter Minute.

       Freund oder Feind

      „Hier