aber die Geräuschlandschaft ist nicht nur Ton und Geräusch, sie besteht aus dem gesamten Universum aus Tönen und Stille, an dem wir durch unser Hören teilhaben, wenn wir bereit sind, uns völlig dem bloßen Sein zu überlassen, nichts weiter, nur beim Hören zu SEIN.
Während ich hier sitze, höre ich von draußen ein Geräusch wie von einem Müllwagen. Heute ist aber nicht Müllabfuhr. Vielleicht ist es eine Kehrmaschine, sagt mein Kopf, der das Geräusch irgendwie identifizieren möchte. Aber es hört nicht auf. Vielleicht ein Erdbohrer? Es hört sich an, als fahre ein Lastwagen ewig eine steile Steigung hinauf, ohne von der Stelle zu kommen. Vielleicht bessern sie irgendwo die Straße aus. Ich kann jetzt hier sitzen und endlos darüber nachdenken, wo das Geräusch herkommt; wie sehr ich mir wünsche, dass es aufhört; warum da am frühen Morgen so ein Krach ist. Vielleicht sollte ich aufstehen und nachsehen, woher das Geräusch kommt, wer da so viel Krach macht?
Aber wozu? Im Moment sitze ich hier. Ich habe die Wahl, ob ich mich gestört fühle oder nicht. Doch der Gedanke, dass ich diese Wahl habe, scheint irgendwie weit hergeholt, eine Übung in Willenskraft, ein Versuch, mich dem zu widersetzen, was bereits existiert, was bereits da ist, nämlich dieses Geräusch. Ich beobachte, wie ich zwischen Gestört-Fühlen und Nicht-Gestört-Fühlen hin und her schwanke.
Hinter diesem Spiel meines Geistes ist reiner Klang. Das Geräusch hören und nicht zu wissen, „was“ es ist, ist beides Wissen. Kann ich in diesem Moment einfach in diesem Wissen verweilen? Dem Wissen, das nicht weiß und nicht wissen muss, und das sich damit zufriedengibt, dass diese Geräusche in diesem Augenblick eben da sind? Die Dinge sind in diesem Moment genau so, wie sie sind. Können sie akzeptiert werden, wie sie sind, weil alles andere nur zu Aversion, Frustration, Störung und noch größerer Ablenkung führen würde?
Der Geist sondert einen Gedanken ab: Vielleicht könnte ich das Geräusch leichter annehmen, wenn ich wüsste, was es ist, wer es produziert und wie lange es wahrscheinlich noch dauert.
Gewahrsein erkennt auch diesen Gedanken als einen Gedanken, während er entsteht. Gewahrsein nimmt wahr, wie der denkende Geist herumfuchtelt und verzweifelt nach einer Erklärung greift, nach etwas tastet, das ihm Sicherheit geben würde, nach einem Koordinatensystem, das ihm das Annehmen erleichtern würde, nachdem er durch einen völlig unnötigen alchemistischen Prozess aus dem, was bloße Geräusche waren, „Krach“ gemacht hat. Bewusstheit sieht auch, dass diese Gedanken, die Irritation, der innere Kampf, das Herumfuchteln etwas Zusätzliches sind, das ebenso unnötig ist. Es sind Hindernisse für das friedliche Verweilen, und ironischerweise viel größere Hindernisse als das Geräusch selbst. Im Hören und im Wissen hinter dem Geräusch ist friedliches Verweilen. Ich lasse mich darauf ein. Für einen Augenblick hört das Geräusch auf und fängt dann wieder an. Kein Hindernis entsteht.
Plötzlich erlebt der Geist ein krampfhaftes Unbehagen. Er möchte unbedingt herausfinden, woher das Geräusch kommt. Irgendwie schwinden Gewahrsein und das höhergesteckte Ziel dahin. Der krampfhafte Drang, die Quelle des Geräuschs zu identifizieren, bringt meinen Körper dazu, aufzustehen und aus dem Fenster zu schauen.
Ein großer Laster fährt vorbei. Das ist ein Geräusch, aber nicht das Geräusch. Was hat das Aufstehen und Nachsehen mir gebracht? Gar nichts.
Ich nehme das Sitzen wieder auf und richte mich im Hören ein. Der Drang, herauszufinden, woher das Geräusch kommt, wird immer stärker, je länger es anhält. Ich sitze weiter und gehe in diesem Drang auf. Nach einer Weile entfernt sich das Geräusch und verschwindet, und das Vogelzwitschern tritt wieder hervor. Das Denken lässt sich etwas Neues einfallen, selbst jetzt, als es ruhiger ist. Das wird wahrgenommen. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Der Atmen strömt ein und aus. Hier sitzen, nur sitzen und hier sitzen … eine Weite, die nicht mehr befleckt ist von Gedanken über Geräusche und Stille. Gewahrsein. Keine Unterbrechungen mehr. Der Geist unterbricht sich selbst nicht mehr. Im Augenblick ist da nur noch „einfach das“. Einfach das.
Das Geräusch kommt zurück. Das Lächeln wird breiter, verweilt, löst sich auf.
5 Eine Anspielung auf das Album „Satisfied ’n Tickled Too“ des US-Bluesmusikers Henry Saint Clair Fredericks, der unter dem Künstlernamen „Taj Mahal“ auftrat (Anm. d. Übers.)
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