Wissenschaftler vermuten, dass wir in diesem Netzwerk die Idee von uns selbst als Person entwickeln. Dabei können wir uns in die Vergangenheit und in die Zukunft „beamen“ und alle erlebten kritischen Situationen noch einmal analysieren beziehungsweise mögliche kritische Situationen durchspielen. Das bringt uns aus friedlichem Grün in Rot und Blau.
Wir haben also tatsächlich eine Hirnabteilung, die Probleme erfindet, um sie als eine Art geistige Aufgabe zu lösen, wenn wir in Ruhe sind. Nun scheint sich dieser Prozess in der Evolution bewährt zu haben. Gleichzeitig verdeutlicht er aber, dass bei der Entstehung des Gehirns ganz klar das Überleben des Menschen im Vordergrund stand und nicht etwa das Glücklichsein. Zur Ehrenrettung des Ruhezustandsnetzwerks muss ich allerdings anfügen, dass es eben auch für die genialen Geistesblitze zuständig ist, die uns zum Beispiel auf dem Klo ereilen und scheinbar aus dem Nichts in den Kopf fallen und etwas lösen, an dem wir schon lange geknobelt haben.
In Studien konnten Wissenschaftler belegen, dass die Achtsamkeitsmeditation einen integrierenden und beruhigenden Einfluss auf das Ruhezustandsnetzwerk hat. Diese Übung kann uns helfen, es den Katzen gleich zu tun, also schneller wieder in den friedlichen grünen Bereich zu kommen. Auf jeden Fall müssten wir dann weniger fiktive Probleme wälzen.
Nach den Emotionen nehmen wir nun gemeinsam die Motivation in den Blick. Wir entdecken, warum wir etwas tun wollen. Als Eltern betreten wir an dieser Stelle den Hauptschauplatz unseres Freuds und Leids.
Welche Farbe hat Lernen in der Schule?
Die Schule als Ort des Lernens wirft ständig die Frage nach Motivation auf. Motivation ist quasi der Treibstoff für Leistung. Welche Schüler sind gering oder hoch motiviert, dem Unterricht zu folgen? Wie motiviert ist der Lehrer, den Stoff zu vermitteln? Und wie beeinflussen die schulischen Leistungen unserer Kinder unsere Motivation als Eltern?
Um unsere Kinder in der Schule zum Lernen zu bewegen, werden Rot, Blau und Grün in unterschiedlicher Weise angesprochen. Jedes der drei Systeme ist durch einen eigenen Motivator getrieben.
Im roten System ist Angst der Motivator. Kinder lernen, um etwas Schlimmes zu vermeiden, zum Beispiel einer Strafe zu entgehen, negativ aufzufallen oder schlechte Noten zu erhalten.
→ Abb. 1.6 Rotes System
Im blauen System ist das Erreichen eines Ziels der Motivator. Schule spricht das blaue System an, wenn Belohnungen in Aussicht gestellt werden, etwa gute Noten, Medaillen und Preise.
→ Abb. 1.7 Blaues System
Lernen in der Schule funktioniert auch über das grüne System. Aber wie oft wird das tatsächlich genutzt? Das hieße Kinder über Beziehung und Bindung ansprechen und Lernen durch Verbundenheit und Freundlichkeit in einem Klima der Fürsorge zu ermöglichen.
→ Abb. 1.8 Grünes System
In welcher Farbe motivieren wir uns selbst und als Eltern?
Was Kinder beim Lernen in der Schule antreibt, ist auch bei Erwachsenen beziehungsweise Eltern nicht anders.
Wenn wir uns mit dem roten System selbst motivieren, dann „mit der Peitsche“. Wir treiben uns an, damit nichts Schlimmes passiert – aus Angst vor Kritik und Tadel oder negativen Konsequenzen und Sanktionen. Furcht oder Angst sind ständig präsent.
→ Abb. 1.9 Rotes System
Wenn wir uns selbst im blauen System antreiben, dann „mit der Karotte vor der Nase“. Wir haben ständig das nächste Ziel vor Augen und wollen uns permanent erfolgreich fühlen. Oft suchen wir uns dann „nach der Medaille“ schnell den nächsten Wettkampf, das nächste Ziel, das es zu erreichen gilt. Höher, weiter, besser. Erfahrungsgemäß währt die Freude der Medaillenfeier nur kurz. Es folgen lange, unzufriedene Phasen, die mit dem Streben hin zum nächsten Ziel gefüllt werden.
→ Abb. 1.10 Blaues System
Im grünen System können wir uns Selbstfreundlichkeit, Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge schenken. Wir tun Dinge und schaffen uns Raum, weil wir es wirklich gut mit uns meinen. Der Motivator ist dabei die Verbundenheit – mit uns selbst, mit den anderen und der Welt.
→ Abb. 1.11 Grünes System
Glück oder langfristiges Wohlbefinden ist grün
Im grünen System könnten wir also das längerfristige Glück oder Wohlbefinden entdecken. Die wesentlichen Anlagen sind vorhanden. Trotzdem suchen wir eher die kurzfristigen „Belohnungs-Highs“ im blauen System. Der Psychologe Martin Seligmann definiert Wohlbefinden als die Erweiterung des Glücksbegriffes, in seinem Konzept der „Positiven Psychologie“ anhand von fünf Säulen:
• positive Emotionen spüren
• sich für etwas engagieren
• Sinn erleben, als etwas das größer ist als unser ICH
• Erfolg, etwas bewegen zu können, Zielerreichung
• positive Beziehungen und Verbundenheit.
Deklinieren wir das Ganze einmal durch. Eine wesentliche Voraussetzung zum Wohlbefinden ist, dass der rote Bereich relativ in Ruhe ist, wir sicher sind. Das ist sozusagen der Boden, auf dem die Säulen stehen. Säule 1 ist eine Folge davon. In den Säulen 2 und 4 steckt das blaue System. Sich zu engagieren und Ziele zu erreichen, benötigt Energie und wir erwarten eine Belohnung dafür.
Betrachten wir das Modell aber genauer, fußen die Säulen größtenteils auf Faktoren, die wir im grünen System finden. Auch Engagement beinhaltet meist das Grün der Fürsorge. Säule 3, das Sinn erleben für etwas, das größer als man selbst ist, ist eindeutig Grün. Und positive Beziehungen und Verbundenheit, Säule 5, sind ja der Kern des grünen Systems.
Zusammengefasst ist Wohlbefinden also im Wesentlichen Grün. Gerade für uns als Eltern und unsere Familien ist das sehr wichtig. Unser aller Wohlbefinden hängt nicht nur von kurzfristiger Zielerreichung und dem Tun ab. Es gibt darüber hinaus weitere wichtige Elemente der Säulen des Wohlbefindens, die auf Fürsorge und dem SEIN basieren:
• Freude über das am Leben sein und mit der Familie im Fluss des Lebens sein
• Freude über die Bindungen mit den Kindern, dem Partner, der erweiterten Familie
• Freude über Verbundenheit in den verschiedenen Gruppen und „Clubs“, deren Mitglied wir sind und am besten mit der Menschheitsfamilie als Ganzes.
Darf’s ein bisschen mehr Grün sein?
Wir können als Eltern auf vielen verschiedenen Ebenen etwas lernen, wenn wir diese Systeme bei uns betrachten.
Wir können uns im aktuellen Moment fragen: „Wie takte ich denn gerade? Rot? Blau? Grün?“Wenn wir eine Anspannung im Nacken haben, kurzatmig werden, der Puls hochgeht oder eine andere unangenehme Empfindung spüren, können wir uns fragen: „Stehe ich gerade unter Stress?“
Genau an diesem Punkt lohnt es sich, weiter zu forschen, was mir Stress verursacht.
Bin ich im roten System, getrieben von Befürchtungen/Angst? Welche Qualität haben diese Befürchtungen, hat diese Angst? Ist das hilfreich, reagiere ich übertrieben oder ist es gar falscher Alarm?
Ein anderes Beispiel:
Bin ich im blauen System, im Streben? Fühle ich mich angestrengt, weil ich etwas unbedingt erreichen will,