die mit dem traumatischen Ereignis in Verbindung stehen. Dies kann, wie meine Freundin erfahren musste, Symptome von traumatischem Stress verstärken und intensivieren und in manchen Fällen sogar zu einer Retraumatisierung führen – einem Rückfall in einen zutiefst traumatisierten Zustand.
Dies wirft entscheidende Fragen für diejenigen von uns auf, die Achtsamkeitsübungen anleiten. Welche Verantwortung tragen wir Menschen gegenüber, die Trauma erleben? Ist ein gewisses Maß an Schmerz beim Üben von Achtsamkeit zu erwarten? Wie können wir wissen, ob ein Traumaüberlebender meditieren sollte oder eher nicht? Und wie können wir unsere eigenen Grenzen beim Verstehen der Traumata anderer Menschen zu einem Mittel machen, um diese Menschen bestmöglich zu unterstützen? Zusammengefasst: Wie können wir Achtsamkeitsübungen auf eine traumasensitive Art anbieten?
Ob traumasensitiv oder trauma-bedacht, in der Praxis bedeutet das, dass wir über ein grundsätzliches Verständnis von Trauma im Kontext unserer Arbeit verfügen müssen. Zum Beispiel kann ein traumabewusster Arzt Patienten um Erlaubnis bitten, bevor er sie berührt. Oder ein trauma-kundiger Schulpsychologe könnte einen Schüler fragen, ob er die Tür während der Sitzung lieber offen oder geschlossen halten möchte und sich nach einer angenehmen Sitzentfernung erkundigen. Mit trauma-kundiger Achtsamkeit wenden wir dieses Konzept in der Achtsamkeitsanleitung an. Wir verpflichten uns, Trauma zu erkennen, angemessen darauf zu reagieren und vorbeugende Schritte zu unternehmen, damit sich Menschen, die sich von uns anleiten lassen, nicht selbst retraumatisieren.21
Der Bedarf an traumasensitiver Achtsamkeit wird klar, wenn man einen Blick auf die Statistik wirft. Währen des letzten Jahrzehnts ist die Popularität von Achtsamkeit explosionsartig angestiegen.22 Sie wird heute an einer Vielzahl nicht-religiöser Orte angeboten, etwa an Grund- und weiterführenden Schulen, in Unternehmen und Krankenhäusern23. Eine Vielzahl an Workshops, Retreats, Konferenzen, Seminaren und Instituten bieten Achtsamkeitsübungen an. Bücher und Artikel zu diesem Thema haben den Markt geradezu überschwemmt24. Gleichzeitig ist Trauma sehr weitverbreitet. Die Mehrheit von uns – wie ich in Kürze detaillierter beschreiben werde – wird im Verlauf unseres Lebens mindestens einer Art von traumatischem Erlebnis ausgesetzt sein, und einige von uns werden in der Folge beeinträchtigende Symptome entwickeln. Wenn wir Ziel systemischer Unterdrückung sind25 – wie etwa jemand, der arm ist, der Arbeiterschicht entstammt, behindert, eine „Person of color“, Transgender oder eine Frau ist –, sind wir einer weitaus größeren Wahrscheinlichkeit ausgesetzt, im Laufe unseres Lebens zwischenmenschliches Trauma zu erfahren und jeden Tag unter traumatisierenden Umständen leben zu müssen.26
Dies bedeutet, dass, wo auch immer Achtsamkeit praktiziert wird, die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass jemand der Anwesenden mit traumatischem Stress zu kämpfen hat. Vom Schüler, der Zeuge häuslicher Gewalt wurde, bis zum älteren Menschen, der kürzlich seinen Partner durch einen Sturz verloren hat, Trauma wird oft präsent sein. Und obwohl nicht jeder, der ein Trauma erfahren hat, notwendigerweise negativ auf Achtsamkeit reagieren wird, müssen wir auf diese Eventualität vorbereitet sein.
Ich werde in jedem Kapitel ein Beispiel präsentieren, um das Konzept, das ich vorstelle, zu verdeutlichen. Jeder dieser Fälle wird sich aus Erfahrungen mit verschiedenen Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, zusammensetzen, wobei jedoch alle identifizierenden Merkmale geändert wurden. Dies vorausgeschickt, lassen Sie mich RJ vorstellen – ein Schüler, der sich an der Schnittstelle von Meditation und traumatischem Stress wiederfand.
RJ: IN STILLE LEIDEN
RJs Magen verkrampfte sich, als der Achtsamkeitslehrer den Klassenraum betrat. Es war Dienstagnachmittag, und er hatte vergessen, dass dies die Unterrichtstunde war, in der die Meditationsübungen stattfanden. Ihm brach der Schweiß aus, und er sah sich im Klassenraum um, nur um seine Klassenkameraden entspannt und gut gelaunt vorzufinden – ein Anblick, der seine eigene Not noch verstärkte. Plötzlich fühlte er sich,
als müsste er sich übergeben.
Seit drei Wochen lernte RJ an seiner Schule Achtsamkeitsmeditation. Ursprünglich war er der Idee gegenüber sehr offen gewesen – dankbar für die willkommene Ablenkung vom regulären Unterricht. Allerdings empfand er die Praxis schnell als quälend. Während der Meditationsübungen überlagerte sich die Stimme seines Lehrers mit dem Geräusch seines Herzschlags. Er konnte sich nicht auf seinen Atem konzentrieren und bemerkte, dass er jede Meditation extrem aufgewühlt verließ und dieser Zustand für den Rest des Tages anhielt. Nachdem er um Erlaubnis gefragt hatte, der Stunde an diesem Nachmittag fernzubleiben, lief RJ zügig zu den Toiletten, schloss sich in einer der Kabinen ein und nahm sein Telefon heraus. Er hielt es nicht aus, von Menschen umgeben zu sein und musste flüchten, um sich beruhigen zu können.
Vor vier Monaten hatte RJ seine ältere Schwester Michelle durch einen Autounfall verloren. Sie war beim Joggen in der Nachbarschaft von einem Autofahrer erfasst worden, der übersehen hatte, dass sie bereits in die Kreuzung gelaufen war. RJ war nach dem Fußballtraining nach Hause gekommen, um seine Eltern, beide im Schockzustand, mit einem Polizisten am Tisch sitzend vorzufinden. Er erfuhr, dass Michelle seine neuen Kopfhörer getragen hatte – diese waren vermutlich der Grund dafür gewesen, dass sie das nahende Auto nicht gehört hatte. Er litt sehr darunter, sich für den Tod seiner Schwester verantwortlich zu fühlen, und für den Rest der Woche war ihm, als befände er sich im freien Fall.
Die folgenden Monate waren grauenvoll. Seine Lehrer sahen ihn oft allein im Flur sitzen, desolat und verloren. Die Essenspakete, die ihm seine trauernde Mutter für die Mittagspause mitgab, blieben unberührt27, RJ gab das Basketballtraining auf und begann die Schule zu schwänzen, um im nahegelegenen Park Drogen zu konsumieren. Darüber hinaus entwickelte er Albträume über den Unfall und bekam Panikattacken, sobald er Jogger in seiner Nachbarschaft sah. Emotional abwesend und taub, fühlte sich RJ gefangen in einem Vakuum zwischen seinem jetzigen Leben und dem Tag, an dem er seine Schwester verloren hatte.
Stille fiel RJ am schwersten. Nachts lag er wach in seinem Zimmer und wartete darauf, seine nach Hause kommende Schwester zu hören. Er erinnerte sich an die Art, wie sie ihren Schlüssel auf den Tisch gelegt hatte und dann leise zum Kühlschrank geschlichen war. In der Hoffnung, dass der Unfall nur ein Albtraum gewesen war, wartete er auf das Geräusch ihrer Schritte vor der Tür seines Zimmers. Aber sie kam nie mehr zurück.
Dies machte RJ die Achtsamkeitsmeditation unmöglich. Sobald er seine Augen schloss, fühlte er sich von der Stille und Dunkelheit überwältigt. Er versuchte seine Aufmerksamkeit auf seinen Atem zu konzentrieren, aber alles, was er sehen konnte, war das Gesichts seiner Schwester. Manchmal sah er die Straßenecke, an der sie gestorben war. Insgesamt rief die Meditationspraxis bei ihm ähnliche Symptome hervor, wie sie meine Freundin an jenem Abend im Meditationsraum erfahren hatte – ein Gefühl der Angst und des Erstickens, gepaart mit extremer Anspannung. An jenem Nachmittag waren für RJ das Verlassen des Klassenzimmers und das Einschließen in der Toilette die einzige Möglichkeit, mit der Situation umzugehen.
STRESS UND TRAUMA
Was passierte da mit RJ? Abgesehen von der verständlichen Trauer über den Verlust seiner Schwester, was war es, das diese spezifischen Symptome verursachte?
Ohne sich darüber klar zu sein, erfuhr RJ traumatischen Stress. Seine Isolation, der Appetitverlust, die erhöhte Anspannung, sein Leichtsinn und die Albträume waren alle Traumasymptome. Dasselbe galt für die Bilder seiner Schwester, die sich ihm während der Meditation aufdrängten. Trauma kann eine qualvolle, niederschmetternde Erfahrung sein, die uns verängstigt und hilflos sein lässt und uns von jeglicher Form von Leichtigkeit und Freude entfremdet – und RJ steckte mittendrin in dieser Qual.
Um traumatischen Stress besser zu verstehen, sollten wir damit beginnen, ihn zu definieren. Unsere zeitgenössische Definition dieses Begriffs stammt von Hans Selye, einem österreichisch-ungarischen Endokrinologen. Selye charakterisierte Stress als die unspezifische körperliche Antwort auf jedweden Veränderungsbedarf.28 Er erkannte, dass Stress an sich weder gut noch schlecht ist – er ist lediglich etwas, das einen Einsatz unsererseits verlangt. Unser Nervensystem unterscheidet nicht zwischen „positivem“ und „negativem“ Stress. Fahrradfahren, Autofahren oder sexuelle Aktivität sind allesamt Stressoren. Sogar gute Neuigkeiten – wie zum