gehalten hat. Diese Erfüllung ist ganz deutlich so viel wesentlicher, als gesehen zu werden, wichtig zu sein, sich besser als andere zu fühlen, Macht und Reichtümer zu haben – all die Dinge, nach denen wir gewöhnlich streben. Je mehr ihr diese Intimität fühlt, um so mehr versteht ihr, daß diese Begierden hohl sind. Auch wenn ihr all diese Ziele und die Befriedigung dieser Begierden erreichen würdet, wären sie niemals mit den Reichtümern des Herzens vergleichbar, eben dieser Intimität mit euch selbst.
Diese Perspektive von Liebe und Wahrheit ruft auch Demut hervor, nicht weil ein Mensch demütig sein möchte, sondern weil Demut ein Teil dieser Intimität ist, und sie ist sehr menschlich und befriedigend. Den eigenen Willen bekommen, Recht haben oder etwas bekommen, was man möchte, sind Teil des Lebens, aber diese Dinge stehen bei unseren tieferen Interessen nicht im Mittelpunkt, weil sie einen der Wahrheit nicht näher bringen, und auch nicht zu sich selbst.
Es liegt an jedem von uns zu entscheiden, welche Werte unser Leben beherrschen. Wir können unserem Leben erlauben, von dem Streben nach Lust beherrscht zu werden, Schwierigkeiten zu vermeiden oder zu versuchen sie loszuwerden, oder wir können zulassen, auf liebevolles Verstehen und auf Wahrheit konzentriert zu sein. Wenn wir darauf warten wollen, daß der Schmerz verschwindet, bevor wir Wahrheit wertzuschätzen oder Realität zu lieben bereit sind, wird es selten dazu kommen.
Ihr habt sicher Probleme, Themen, Konflikte und Mißverständnisse in eurem Leben und bei eurer Arbeit hier. Diese sind als nur ein Teil des Bildes zu sehen, nicht als den Brennpunkt und Kern unserer inneren Arbeit. Diese Dinge müssen behandelt werden, wenn sie eine Sperre bilden. Auch wenn ihr ein Thema anschaut, ist es wichtiger, sich auf die Mechanismen der Psyche (mind) zu konzentrieren, und zwar mit einer Haltung der Wertschätzung für den Prozeß des Verstehens. So geht es mehr um die Wahrheit, die das Thema für einen enthält, statt darum, das Problem loszuwerden. Das kann wie eine unbedeutende oder subtile Unterscheidung aussehen, aber es hat große Auswirkungen auf das Ergebnis der Arbeit. Die eine Perspektive ist dynamisch und lebendig, die andere bleibt statisch und langweilig.
Wenn ihr ein erfüllenderes Leben leben wollt, müßt ihr einen Geschmack für bestimmte Werte, einen Geschmack für Wahrheit und Verstehen, Tiefe und Bedeutsamkeit, Präzision und Feinheit, Würde und Integrität entwickeln. Die verfeinerten Werte sind eher subtil als grob. Sie führen zu einem verfeinerten menschlichen Leben, erfüllt von natürlicher Schönheit, farbig und reich. Alle diese Dinge sind immer da – ihr müßt sie nicht erlangen, ihr müßt sie nur wertschätzen. Ihr müßt anfangen, sie zu lieben, und euch auf sie hin orientieren, damit ihr euch die Zeit laßt und die Gelegenheit gebt, daß sie auftauchen können.
Es ist auch wichtig zu sehen, daß das Ergebnis der Orientierung auf Lösen von Problemen, Konflikten und Spannungen eine infantile Art Abhängigkeit vom Lehrer ist. Wenn der Schüler lernt, den Prozeß des Verstehens wertzuschätzen, und die Wahrheit unterstützt, dann ist der Schüler ein Erwachsener und steht mit seinem Lehrer auf gleicher Stufe. Sie erleben Zusammenarbeit und eine angenehme Interaktion, ein künstlerisches, kreatives Strömen. Die Welt ist voll von allen möglichen wunderbaren Dingen und schönen Feinheiten. Wenn dieser ganze Prozeß nicht auf die Perspektive, Probleme loszuwerden, fixiert und von ihr begrenzt ist, dann kann er – einschließlich des Problems – eine Quelle von Erfüllung werden.
Oft findet man eine Haltung vor, die man so beschreiben kann: „Nichts Gutes wird geschehen, bevor ich dieses Problem loswerde“. Diese Haltung schließt jede Offenheit für das, was im Moment entstehen kann, aus. Wenn alle Menschen schwermütig werden, die darauf warten, daß sie ihre Probleme lösen, dann bleiben keine glücklichen Menschen übrig. Wir sprechen von einem bestimmten Fokus, einer dauerhaften Sturheit, einer engstirnigen Sicht, nur das zu wollen, was man im Sinn hat, was man für gut hält. Man sagt dann: „Ich weiß, was am besten ist und ich verschließe meine Augen für alles andere, was es gibt.“ Das führt nur zu Leiden, Frustration und Spannung.
Ihr werdet viel mitfühlender und freundlicher, zu euch selbst wie auch zu anderen, wenn ihr einfach lernt zu entspannen. Fragt: „Was ist los? Warum mache ich mich selbst verrückt? Warum nicht entspannen und einen Tee trinken?“ Geht spazieren, vergeßt eine Weile alle Probleme. Warum glaubt ihr, daß es euch nur gut gehen kann, wenn es keine Probleme gibt? Warum müßt ihr warten, bis ihr erleuchtet seid? Wartet nicht darauf, daß der Mantel der liebevollen Freundlichkeit (loving kindness) auf eure Schultern fällt, bevor ihr nett zu euch selbst und anderen sein könnt. Warum darauf warten, daß er spontan fällt, damit ihr anfangen könnt, plötzlich alles richtig zu machen? So ist das menschliche Leben nicht. Ihr müßt an bestimmten Dingen arbeiten, Mühe aufwenden, euch hier und da mit Problemen auseinandersetzen. Es wird Freuden geben, Vergnügen und Erfüllung, was euch dabei helfen wird, mit den Problemen umzugehen.
Wer seid ihr, wenn ihr mit euren Problemen zu tun habt? Wenn ihr eure Mängel und Frustrationen seht, geht ihr mit ihnen mit Würde um oder mit Forderungen und einem Wutanfall? Habt ihr nur Interesse, euch zu beklagen, oder daran, euch die Zeit zu lassen zu lernen, was ihr lernen müßt, um mit Problemen intelligent zu arbeiten. Bestimmte Dinge müßt ihr einfach machen, bei anderen Dingen habt ihr nur die Möglichkeit, sie als Teil eures Lebens anzunehmen. Wenn das Dach undicht ist, dann ist es nicht intelligent, mit einem Wutanfall zu reagieren – man findet niemanden, der Schuld daran hat. Es ist eine Schinderei, aber es gibt bestimmte Dinge, die gemacht werden müssen, also macht man sie mit der richtigen Haltung zur rechten Zeit. Wenn ihr euch selbst unglücklich macht, euer Haus und eure Verpflichtungen haßt und euch fragt, warum Gott den Regen gemacht hat, endet ihr nur in Frustration. Ihr müßt akzeptieren, daß diese Dinge passieren und ihr müßt euch darum kümmern.
Ein reifer Mensch ist nicht jemand, der keine Probleme hat; ein reifer Mensch ist jemand, der mit Problemen wohl überlegt umgeht, alles in Betracht zieht, was er weiß, und dann entsprechend handelt. Dieses Verhalten ersetzt ein Verharren in infantilen Tendenzen, die nur zu Frustration und noch mehr Problemen führen. Der reife Mensch kann Schwierigkeiten als Teil des Lebens akzeptieren und ist bereit, mit ihnen angemessen umzugehen. Es gibt Dinge, um die man sich kümmern muß, aber ihr könnt auch Freude an den Dingen haben, die man tun muß. Das Leben beginnt nicht erst, wenn die Hausarbeit erledigt ist. Wenn jemand reift und sich glücklicher und erfüllter fühlt, dann nicht weil er seine Probleme gelöst hat. Vielmehr, weil er akzeptiert hat, wie die Dinge eben sind. Probleme existieren und Arbeit muß getan werden, um mit jedem einzelnen dieser Probleme oder Themen umzugehen. Zur Reife gehört, daß man alles Wissen findet, das man braucht, um die Könnerschaft zu entwickeln, um zu tun, was nötig ist. Ein reifer Mensch macht sich in Ruhe an die Arbeit, als Teil seines Lebens.
Mit der Zeit macht es einem reifen Menschen Freude, wenn er alles mit ganzem Herzen anpackt, was im Leben auftaucht. Leben ist eine viel größere Sache; dies sind nur beiläufige Teile davon. Wenn ihr das lernt, dann seht ihr, daß dieses Annehmen eine bestimmte Integrität impliziert, und daß ihr euch an eurer eigenen Fähigkeit, damit umzugehen zu können, freuen könnt. Aus dieser Haltung von Annehmen und Wertschätzen des Lebens entsteht eine Art Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Wir müssen nicht mehr dauernd wie Kinder gestillt werden.
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