»High Responsibility Teams« – Hochverantwortungsteams. Doch was zeichnet Hochverantwortungsteams aus? An erster Stelle ist vor allem die hohe Verantwortung für das höchste Gut, das Menschenleben, zu nennen. Daraus resultieren einige Anforderungen an die Einsatzkräfte. Faktoren wie Zeitdruck, Handlungsdruck und die Erreichung eines gewissen Zuverlässigkeitslevels verlangen einen hohen Anspruch an eine zielgerichtete und bedarfsorientierte Aus-, Fort- und Weiterbildung (Basisausbildung).
[18]Tabelle 2: Gegenüberstellung von klassischen Teams und High Responsibility Teams in Bezug auf die Konsequenzen der Teamprozesse und ihre Ergebnisse (Quelle: Prof. Dr. Vera Hagemann)
Konsequenzen von Teamprozessen | Klassische Teams | High Responsibility Teams |
Reversibilität der Ergebnisse? | in der Regel ja | in der Regel nein |
Körperliche und psychische Schäden? | nein | ja |
Wem wird geschadet? | dem Team und der Organisation | dem Team, der Organisation und Dritten |
Verantwortung für das Leben anderer | nein | ja |
Abbruch der Situation möglich? | ja | nein |
Arbeitsunterbrechung möglich? | Pause etc. sind möglich | Pausen etc. sind in der Regel nicht möglich |
Medien Büro/Öffentlichkeit? | in der Regel nicht | ja |
Eine gute Basisausbildung ist die Grundlage für die Durchführung von Einsatzübungen, bei denen sich das Zusammenspiel und die Handlungsabläufe für den Einsatz trainieren lassen.
Beispiel:
Die Feuerwehr Clervaux wurde an einem Mittwoch um 02:12 Uhr zu »Feuer, Rauchentwicklung in einem Mehrfamilienhaus, mehrere Personen eingeschlossen/vermisst« alarmiert. Zu diesem Zeitpunkt herrschte Frost und es lag Schnee.
Der Bericht des Wehrführers der Feuerwehr Clervaux und Einsatzleiters vor Ort Sven Arend:
»Durch die Ausbildung von DREHLEITER.info konnte die Drehleiterbesatzung die fünf Leben retten. Wir hatten Feuer in einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses im ersten Obergeschoss. Das Treppenhaus sowie das zweite Obergeschoss waren bereits komplett verraucht. Bei meiner Ankunft als Einsatzleiter und zeitgleich meinem ersten HLF schlugen die Flammen bereits aus dem Fenster der Brandwohnung und der Rauch drang aus allen anderen offenen Fenstern im zweiten Obergeschoss.
Das erste OG konnte durch die Bewohner selbst verlassen werden. Mehrere Personen waren im zweiten OG durch die Intensität des Feuers und des Brandrauchs eingeschlossen. Drei Personen standen an zwei verschiedenen Fenstern und schrien um Hilfe.
Unsere Drehleiter war nur kurz nach dem ersten HLF vor Ort und mit drei Maschinisten besetzt, die durch DREHLEITER.info in Clervaux geschult wurden.
[19]Insgesamt konnten fünf Menschen über die Drehleiter gerettet und mit dem Verdacht auf Rauchgasinhalation in ein Krankenhaus befördert werden. Dies konnten alle Patienten bereits nach fünf Tagen wieder verlassen.
Nur durch die Ausbildung von DREHLEITER.info konnte ich »sehr ruhig« meine Prioritäten der Menschenrettung festlegen und die Drehleiterbesatzung konnte diese sauber und professionell umsetzen und die fünf Leben retten.
Nach dem Einsatz sagten mir alle drei Kameraden der Drehleiterbesatzung: »Das war genauso wie im Training mit Jan Ole Unger und Nils Beneke. Nur halt echt.««
[20]2 Abgrenzung zur Basisausbildung
In einer Übung werden bereits erworbene Fähigkeiten, Fertigkeiten oder wird Wissen durch gezieltes, methodisches und wiederholtes Handeln gefestigt, vertieft oder in Teilen neu erworben. Im Rahmen einer Ausbildung werden Fertigkeiten und Kenntnisse erstmalig erworben. Eine Ausbildung umfasst eine breit angelegte Grundbildung und die curriculare Vermittlung der für die Ausübung einer qualifizierten Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang (Curriculum). Dieses Curriculum wird durch Dienstvorschriften der Feuerwehren, der Rettungsdienste und Hilfsorganisationen geregelt.
Mit Weiterbildung wird die Wiederaufnahme organisierten Lernens mit dem Ziel der Spezialisierung einer bereits vorhandenen Qualifikation zum Erwerb von Fähigkeiten zur Tätigkeit in spezifischen Bereichen bezeichnet. Als Beispiel: Ein Drehleiter-Maschinist der Feuerwehr wird weitergebildet, um die spezielle Zusatzqualifikation »Heben von Lasten mit Hubrettungsfahrzeugen« zu erhalten. Ein Rettungsschwimmer und Gerätetaucher der DLRG bildet sich weiter, um Rettungstaucher zu werden. Auch eine Weiterbildung ist in der Regel curricular strukturiert und schließt mit einem Zertifikat oder einer einfachen Teilnahmebescheinigung ab.
Der Begriff Fortbildung ist im Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelt. Fortbildung erfolgt im Rahmen eines ausgeübten Berufs oder einer Tätigkeit und zielt auf die Erhaltung, Erweiterung und technische Anpassung der Qualifikationen, die in einer Ausbildung erworben wurden, ab. Sie dient dazu, die Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten, zu erweitern und an die fachlichen Entwicklungen anzupassen. Einsatzübungen können hierbei eine wirksame Methode sein, um Abläufe, Handlungen oder ein Zusammenwirken von mehreren Einsatzkräften oder Einheiten zu trainieren
Eine grundlegende Basisausbildung, beispielsweise zum einsatztaktischen Wissen für Einsatzkräfte, zu speziellen Fertigkeiten im Umgang mit Rettungsgerät oder in der Zusammenarbeit verschiedener Einheiten, sollte vorab bereits erfolgt sein, um eine Einsatzübung durchzuführen. Dennoch kann es Rahmen der Ausbildung von Einsatzkräften je nach Ausbildungsthema sinnvoll sein, auch Übungen als Ausbildungsmethode zu nutzen.
[21]Bild 4: Handeln ist der beste Weg, um Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen zu trainieren.
[22]3 Einsatzübungen – Definition und fünf Kategorien
In diesem Kapitel wird der Begriff »Einsatzübung« definiert. Weiterhin werden fünf Kategorien von Einsatzübungen für unterschiedliche Zielgruppen und Größen beschrieben.
3.1 Einsatzübungen im Sinne dieses Buches
Das vorliegende Buch behandelt das Thema »Planen und Durchführen von Einsatzübungen«. Der Begriff Einsatzübungen wird in diesem Buch für praktische Einsatzübungen und Planübungen gebraucht. Es handelt sich bei dem Begriff nicht um die Definition aus den deutschen Feuerwehr-Dienstvorschriften, sondern beschreibt allgemein die Einsatzübungen für alle Einsatzorganisationen, egal ob Feuerwehr, Rettungs- oder Hilfsdienste im deutschsprachigen Raum. Anstelle der namentlichen Nennung der Einheiten, wird deshalb teilweise auch nur der Begriff »Organisation« verwendet.
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Merke: Eine Einsatzübung ist eine praktische Übung oder eine Planübung und dient dem Zweck der Vorbereitung auf reale Einsätze von Feuerwehren, Rettungs- oder Hilfsdiensten. Die Übenden verfügen bereits vor der Einsatzübung über die erforderlichen Ausbildungen, um die Anforderungen der Übung zu erfüllen. |