Daniela Leinweber

Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path


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zum Wasser. Bekanntlich kommt allerdings Hochmut vor dem Fall und so laufen wir mal eine Viertelstunde in die komplett falsche Richtung, bevor es sogar mir dämmert, dass wir da vielleicht doch nicht ganz richtig sind. Ich versuche das mit einer neuen Wegvariante zu verschleiern, doch Peter kommt natürlich schnell dahinter und wird mich den ganzen Tag, sogar die ganze Wanderung, damit aufziehen.

      Schnürlgerade am Tarka Trail.

      Schließlich finden wir ihn doch, den Tarka Trail, der hier mit dem SWCP verschmilzt. Es hört sich so an, als sei dieser Weg ganz alt und historisch, vielleicht wanderten hier einst die Kelten auf der Suche nach fruchtbarem Land entlang. Vielleicht waren es die Pikten, die sich von hier aus auf den Weg nach Schottland machten, um dort ihre Siedlungen entstehen zu lassen. Stimmt aber alles nicht, es war der kleine Otter Tarka, der hier nach dem gleichnamigen Buch von Henry Williamson seine Aben­teuer erlebte. Ab 1989 entstand nach und nach dieser Weg, der drei Jahre später von Prinz Charles eröffnet wurde. Diese royale Verbindung ist wohl das einzig wahre Geschichtliche an dem Ganzen. Wir gehen eine lange Gerade, bevor wir zum ersten Mal direkt mit der Präsenz des Militärs in England konfrontiert werden. Die Braunton Burrows haben wir gestern durch unseren Gewaltmarsch am Strand wortwörtlich links liegen lassen. Sie gelten, obwohl ein Teil davon zum UNESCO-Weltnaturerbe zählt, als wichtige Militär­basis. Vor allem im Zweiten Weltkrieg war hier eine große Trainingsbasis für die Landung der Alliierten in der Normandie und trainiert wird immer noch. Heute allerdings wird fotografiert, nämlich an der ­Royal Marine Base Chivenor. Viele Soldaten und wenige Soldatinnen nehmen für unterschiedliche Gruppenfotos Aufstellung. Das Areal ist riesig und dient als Stützpunkt der englischen Marine. Im Laufe der Zeit werden wir uns so an das Militär gewöhnen, dass es uns nicht mehr von unseren Wanderungen abhalten wird, aber heute sind wir sehr neugierig und beobachten das grün-braune, weil bunt ist es nicht wirklich, Treiben eine ganze Weile.

      Kurze Zeit später sind wir in Barnstaple. Nein, eigentlich sind wir nicht in der Stadt, denn der Weg führt uns kurz davor über eine Brücke auf die andere Uferseite des River Taw und schickt uns dann im Grunde wieder zurück zum Ausgangspunkt, halt nur auf der gegenüberliegenden Seite. Von weitem sehen wir unser Pärchen aus Norfolk, doch es nimmt nicht die Brücke, sondern steuert ­direkt die Stadt an. Na, hoffentlich wollen sie auch wirklich dorthin und haben nicht den versteckten Wegweiser nach rechts versäumt. Wir werden es nicht mehr erfahren, denn wir werden sie nicht wieder treffen. Schade, eigentlich.

      Wir laufen nun die ehemalige Bahnstrecke entlang und kommen vorbei am wirklich liebevoll restaurierten Fremington Quay. Für eine Mittagspause ist es noch zu früh und so gehen wir schweren Herzens an dem ­kleinen Café vorbei und weiter zu einem stillgelegten Kraftwerk, das aber wenig Interessantes zu bieten hat. Bevor es mal wieder durch Dünen geht, passieren wir noch ein Cricketfeld, doch leider spielt gerade niemand. Ich hätte gerne zugesehen. Kurz darauf kommen wir in Instow an, wo eigentlich heute Schluss sein sollte, aber zumindest jetzt ist es Zeit für eine kurze Pause. Wie gerne würde ich mir das entzückende Café von vorhin hierher beamen lassen, aber in Ermangelung dessen bleibt uns nur eine Bank an der Marine Parade, auf der wir unser stibitztes Obst vom Frühstück und ein paar Schokokekse verspeisen. Irgendwie kann ich schon nachvoll­ziehen, dass viele SWCP-Wanderer diese Etappe als die unnötigste aller Teilstrecken empfinden. Es gibt so gut wie nichts Besonderes zu sehen und man wandert die ganze Zeit am Asphalt, meist entlang einer ehemaligen Bahnstrecke. Uns kommt der Tag allerdings sehr entgegen, denn es geht überwiegend flach dahin und so können wir endlich mal richtig ­Tempo machen und fühlen uns nicht ganz so unfit wie in den letzten ­Tagen. Es dauert keine 90 Minuten und wir sind schon in Bideford. Die verhältnismäßig große Stadt liegt allerdings nicht direkt an der Küste, sondern an der Mündung des Flusses Torridge. Es erschließt sich mir nicht ganz, warum dies ein Teil des SWCP ist, vor allem, weil von Instow eine Fähre nach Appledore gehen würde und diese beiden Städtchen viel näher an der Küste liegen, aber ich muss auch nicht alles verstehen.

      Jedem die Behausung, die ihm gefällt.

      Die letzten fünf Kilometer nach Appledore gestalten sich dann wieder etwas abwechslungsreicher und wir stellen verwundert fest, dass hier ­offensichtlich sämtliche Schiffe, die nicht mehr seetauglich sind oder anders eingesetzt werden, einfach sich selbst und den Gezeiten überlassen werden. Offensichtlich gibt es keine Verpflichtung zur umweltfreund­lichen Entsorgung solcher und so verrotten sie hier vor sich hin. Abge­sehen von dieser augenscheinlichen Umweltverschmutzung mache ich mir hier am Path auch Gedanken über die Fülle an Plastikflaschen, die wir täglich kaufen und abends wieder entsorgen. Ich versuche grundsätzlich Müll so gut wie möglich zu vermeiden, aber im Moment ist das eher schwierig, denn Plastik wiegt verhältnismäßig wenig und lässt sich daher am einfachsten tragen. Außerdem passen die kleinen Flaschen perfekt in die Seitentasche. Während ich mich noch mit dieser Problematik beschäf­tige, greife ich nach meiner Trinkflasche und öffne sie gedankenverloren. Keine Sekunde später bin ich nassgespritzt – und das nicht zum ersten Mal. Spezialisten im Öffnen von Getränkeflaschen sehen wohl anders aus, denn ich schaffe es einfach nicht, den Verschluss so aufzudrehen, dass die Wassertropfen nicht voll Freude und Elan in meine Richtung springen. Auch mein Mann ist, trotz meh­rerer Versuche, keinesfalls erfolgreicher als ich.Vielleicht sollten wir auf stilles Wasser umsatteln, aber das trinkt sich irgendwie leichter und ­schneller und dann würden wir noch mehr Wasser brauchen, was das ­Gewicht des Rucksackes deutlich erhöhen würde. Das fällt also aus. ­Plötzlich sind wir mit ganz anderen ­Problemen als zu Hause konfrontiert. Ein weiteres stellt nämlich die ­Wäsche, besser gesagt die nicht vorhandene ­saubere Wäsche, dar. Irgendwie sind die Socken von gestern auch die ­Socken von heute und werden auch die Socken von morgen sein. Dadurch, dass es immer so heiß ist, können wir aber vor allem kein Shirt zweimal anziehen. Gut, könnten wir schon, aber wir wollen ja nicht, dass die Leute einen großen Bogen um uns machen. So sind wir spätestens nach drei ­Tagen dazu aufgefordert, die Shirts zumindest durchzudrücken. Das geht aber nur, wenn in der Unterkunft ein Handtuchtrockner vorhanden ist, sonst bekommt man die Kleidung bis zum nächsten Tag in der Früh nicht trocken. Wäsche waschen wird sich neben Wandern, Essen und Schlafen zu dem entwickeln, was wir am Path am öftesten zu erledigen haben.

      Willkommen in Appledore.

      Unsere Unterkunft in Appledore ist ein Traum, neu, sauber, groß, hier könnte ich bleiben. Zum Glück darf ich morgen auch länger verweilen als üblich, denn durch die vielen Kilometer, die wir heute gewandert sind, bleiben bis zum morgigen Etappenziel nur schlappe neun Kilometer mit so gut wie keinen Höhenmetern übrig. Das könnte durchaus so etwas wie Wellnesswandern werden, lassen wir uns überraschen.

      „Keep on walking, superheroes!“

      ~ Rudy, Kassier im Northam Burrows Country Park

      Tag 7

      Strecke: Appledore nach Westward Ho!

      10,82 km – 7 hm – 3,89 km/h

      am Pfad: 140,8 km

      Unterkunft: The Waterfront Inn, £ 80,–  großartig

      Sommer, Sonne, Sonnenschein

      Heute ist unser siebter Wandertag, eine ganze Woche haben wir schon geschafft. Dass noch siebeneinhalb vor uns liegen, verdränge ich gekonnt. Wir genießen ein ausgiebiges Frühstück, verlassen erst gegen 11.00 Uhr das Seagate Hotel und bezahlen wie immer mit Kreditkarte. Ich unterschreibe, ohne auch nur einen Blick auf die Rechnung zu werfen, und schnalle meinen Rucksack auf den Rücken, als der Rezeptionist kurz aufstöhnt und zu uns gelaufen kommt. Anstelle von £ 90,– hat er £ 900,– in sein Kartenkästchen getippt und die wurden mir auch prompt abgezogen. Zum Glück ist ihm das noch aufgefallen und wir konnten eine Stornierungsbuchung unterschreiben, ich selbst hätte das wohl lange nicht kon­trolliert. Aber so ist alles gut.

      An der Promenade beobachten wir jede Menge Ruderer, die sich