Barbara Cartland

Ein Junggeselle wird bekehrt


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noch Zeit, von seinem Schreibtisch aufzustehen und ans andere Ende des Zimmers bis vor den wunderschönen, von Adam entworfenen Kamin aus Marmor zu gehen, als sich bereits die Tür öffnete und der Butler ankündigte: »Miss Alexia Minton, Mylord!«

      Ein Mädchen betrat das Zimmer. Sie bewegte sich sehr anmutig, jedoch in einer Weise, die dem Marquis verriet, daß sie nervös und ein bißchen ängstlich war.

      Sie trug einen einfachen, aber hübschen Hut, dessen Rand mit blauem Band eingefaßt war. Als sie den Kopf hob, konnte der Marquis darunter ein kleines ovales Gesicht sehen, das von zwei großen, grauen Augen beherrscht wurde.

      Das Mädchen machte einen Knicks und sah ihn unsicher an.

      »Sie sind ... der Marquis .... von Osminton?« fragte sie mit leiser, sanfter Stimme.

      »Der bin ich«, antwortete der Marquis. »Und an Ihrem Namen erkenne ich, daß Sie mit mir verwandt sind.«

      »Ich bin eine .... recht entfernte Verwandte. Mein Großvater war ein Cousin zweiten Grades Ihres Großvaters.«

      Es entstand eine kleine Pause, und nach einer Weile fragte der Marquis: »Ist das der Grund Ihres Besuches?«

      »Nein . . . nicht direkt«, flüsterte Alexia Minton. »Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht... helfen. Und ich hoffte, Sie würden es nicht als Zumutung empfinden.«

      »Diese Frage kann ich nicht beantworten, bis Sie mir sagen, was Sie von mir wünschen«, erwiderte der Marquis. »Ich schlage vor, wir setzen uns.«

      Er deutete auf einen Stuhl und bemerkte, daß sich Alexia wie ein Kind vor seinem Lehrer auf die Stuhlkante setzte; mit geradem Rücken, die Hände im Schoß gefaltet.

      Ihr Kleid war zwar einfach und ein wenig altmodisch, wie der Marquis mit erfahrenem Blick feststellte, aber geschmackvoll. Der dunkelblaue Stoff hob ihren hellen Teint hervor.

      Auch ihre Haare waren hell; das sanfte Blond erinnerte an die Farbe eines noch nicht ganz reifen Weizenfeldes.

      Als sie sich ihm zuwandte, sah er, wie ausdrucksvoll ihre Augen waren und daß sie immer noch nervös war.

      »Nun?« fragte er, während er sich ihr gegenüber auf einem Stuhl niederließ und die Beine übereinanderschlug. »Was kann ich für Sie tun?«

      Er sprach in freundlicherem Ton, als er es üblicherweise mit Fremden zu tun pflegte — aus dem einfachen Grund, weil das Mädchen so unerfahren und unsicher wirkte.

      »Mein Vater war Oberst Arthur Minton«, begann Alexia leise »Er starb im letzten Jahr nach langer Krankheit. Da ich nun für die Familie verantwortlich bin — meine Mutter starb bereits vor fünf Jahren—, sehe ich es als meine Pflicht an, meine Schwester nach London zu bringen.«

      Der Marquis hörte aufmerksam zu.

      »Sie ist so wunderschön, daß ich fühle, es wäre ein Fehler, sie in Bedfordshire zu halten, wo wir sehr isoliert leben, und ihr keine Chance zu geben ... die Welt zu sehen.«

      »In Wahrheit möchten Sie sagen, daß Sie ihr die Chance geben wollen, einen Ehemann zu finden«, bemerkte der Marquis mit zynischem Unterton.

      Alexias bleiche Wangen röteten sich.

      »Es hört sich ziemlich . . . direkt an, Mylord, aber ich dachte, daß es richtig sei, das zu tun, was meine Mutter getan hätte, wenn sie noch am Leben wäre.«

      »Werden Sie mir erklären, welche Rolle ich dabei spielen soll?« fragte der Marquis neugierig.

      »Als ich meine Nachforschungen anstellte«, erklärte Alexia, »erfuhr ich, daß Sie möblierte Häuser in London besitzen. In der Tat war es Ihr Verwalter, der andeutete, Sie könnten ein Haus haben, das ich für die Saison mieten könnte . . . aber ich fürchte, ich kann nicht sehr viel dafür bezahlen.«

      Der Marquis sah sie überrascht an. Natürlich wußte er, daß einige seiner zahlreichen Häuser möbliert waren. Solche Angelegenheiten überließ er jedoch stets einem seiner Verwalter. Er wußte auch, daß es Unwissenheit seitens Alexias war — und nicht, wie er es von jedem anderen erwartet hätte, der Wunsch, sich einzuschmeicheln —, daß sie direkt zu ihm gekommen war.

      »Schlagen Sie vor, daß Sie sich mit Ihrer Schwester in einem möblierten Haus niederlassen — ohne eine Anstandsdame?« fragte er irritiert.

      »Ich dachte«, meinte Alexia leise, »da ich so viel älter bin als Letty, daß ich als Anstandsdame ausreichen würde und daß wir unsere Gouvernante zu Hause lassen könnten. Sie unterrichtet meinen kleinen Bruder.«

      »Sie sind also drei!« rief der Marquis aus. »Ich kann Ihnen versichern, Miss Minton — oder darf ich Sie, da wir Vetter und Cousine sind, Alexia nennen? —, daß die ,bessere‘ Gesellschaft, die Sie offenbar anstreben, Sie nicht als angemessene Anstandsdame für eine Debütantin akzeptieren würde.«

      »Sind Sie sich dessen ganz sicher?« fragte Alexia besorgt.

      »Selbstverständlich!« antwortete der Marquis. »Wie alt sind Sie, daß Sie sich selbst eine solche Aufgabe zutrauen?«

      Alexia zögerte, in ihren Augen erkannte er, daß sie ihn belügen wollte. Dann, nach einer Weile, während der sie, wie er glaubte, einen kleinen Gewissenskampf ausgefochten hatte, sagte sie ehrlich: »Ich bin fast einundzwanzig, aber ich dachte, wenn ich sagen würde, ich sei vierundzwanzig oder fünfundzwanzig, könnte das schließlich niemand überprüfen.«

      Der Marquis lächelte.

      »Ich denke, es würde Ihnen schwerfallen, jemanden zu finden, der Ihnen glaubte, Sie hätten ein derart erhabenes Alter erreicht. — Aber abgesehen davon, sind Sie unverheiratet.«

      Alexia seufzte.

      »Ich fürchtete schon, dies könnte ein Hindernis sein«, sagte sie verzagt, dann fragte sie mit einem plötzlichen Leuchten in ihren Augen: »Glauben Sie, daß ich . . .«

      Der Marquis schüttelte den Kopf.

      »Ich bin nicht rüde oder destruktiv, Alexia, wenn ich Ihnen sage, daß Sie durch einen Ring am Finger nicht wie eine verheiratete Frau aussehen würden.«

      Er bemerkte ihren fragenden Gesichtsausdruck, aber er wollte ihr nicht erklären, daß sie derart jung und unschuldig aussah, daß nur die Anwesenheit eines leibhaftigen Ehemannes jemanden davon überzeugen könne, sie sei verheiratet.

      »Würde eine Anstandsdame — wenn ich eine finden könnte — sehr teuer sein?« fragte Alexia nach einer Weile.

      »Dieser Bemerkung entnehme ich, daß Ihre Mittel in gewisser Weise begrenzt sind«, stellte der Marquis fest.

      »Ich habe zwei Jahre lang gespart«, entgegnete Alexia, »seit ich bemerkt habe, wie schön Letty werden würde. Papa und ich wußten, daß sie sehr hübsch war, aber nun ist sie zu einer derartigen Schönheit erblüht, daß ich fühle, sie braucht nur ein paarmal gesehen . . .«

      Ihre Stimme erstarb, und sie sah den Marquis hilflos an.

      »Ich wußte nicht, daß es so viele Schwierigkeiten geben würde«, fuhr sie leise fort. »Zuerst dachte ich, wir könnten in einem Hotel wohnen, aber die sind sehr teuer, und gestern abend sahen einige Männer Letty in einer Weise an, die ich nicht mochte.«

      »Ein Hotel ist sicher nicht der geeignete Ort, von dem aus man eine Debütantin lanciert«, sagte der Marquis bestimmt.

      »Glauben Sie denn, Sie haben ein Haus — ein kleines —, das wir für die nächsten zwei Monate mieten könnten?« fragte Alexia schüchtern.

      »Und was ist mit der Anstandsdame?« wollte der Marquis wissen.

      »Vielleicht wissen Sie jemanden unter Ihren vielen Bekannten . . .«

      Alexia machte eine unsichere Geste mit ihren Händen.

      Der Marquis überlegte. Er wußte, daß einige der einflußreichen Londoner Damen der Gesellschaft es übernahmen, junge Mädchen in die Gesellschaft einzuführen. In der Regel führten sie gleichzeitig ihre eigene Tochter