Joswig hatte ihr zu diesem Zweck sogar einen Mietwagen zur Verfügung gestellt. Anschließend fuhr sie zurück zum Hotel. Gerade als sie auf den Parkplatz einbiegen wollte, sah sie Simon Struck aus dem Eingang des Gebäudes kommen. Er ging zu seinem roten Ferrari und setzte sich hinter das Lenkrad. Seit einiger Zeit ging ihr dieser Mann nicht mehr aus dem Kopf. Aus einer inneren Eingebung beschloss sie, sich näher mit ihm zu beschäftigen und seine Schritte zu überwachen.
Es war möglich, das sie einer völlig falschen Spur folgte, aber irgendwo musste sie schließlich ansetzen, um den Fall zu lösen. Warum also nicht mit diesem Stuntman?
Struck startete den Motor und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein. Katharina nahm die Verfolgung auf. Die Fahrt führte über eine der modernen Hochstraßen. Er schien sich in dieser Gegend recht gut auszukennen. Er nahm nicht ein einziges Mal den Fuß vom Gaspedal. Fünf Kilometer folgte sie dem Ferrari bis zu einem Restaurant. Simon stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz ab. Katharina stoppte am Straßenrand und folgte dem Stuntman unauffällig.
Struck verschwand hinter der Glastür des Restaurants. Katharina folgte ihm, blieb neben der Tür stehen und sah, wie sich Simon Struck an einem Tisch neben einer Säule setzte. Zwei Pärchen betraten das Lokal. Katharina ging in ihrem Windschatten hinein. Sie fand einen freien Platz, von dem aus sie Simons Tisch beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Vielleicht machte der Stuntman hier nur eine Pause und die ganze Sache war umsonst, dachte Katharina. Bei einer Serviererin bestellte sie eine Kanne Kaffee. Dann hielt sie sich die umfangreiche Speisekarte vors Gesicht, um einer zufälligen Entdeckung vorzubeugen.
Für eine Weile ließ sie sich von den verlockenden Gerichten ablenken. Hier gab es fast alles, was die italienische Küche zu bieten hatte. Als sie wieder einmal über den Rand der Speisekarte blickte, sah sie, dass Simon nicht mehr alleine war. Mit dem Rücken zu Katharina gewandt saß ein dunkelhaariger Mann in einer blauen Jacke. Er hatte sich über den Tisch gebeugt und redete auf den Stuntman ein.
Für Katharina war es zu riskant, darauf zu warten, bis die beiden ihr Gespräch beendet hatten und das Restaurant verließen. Sie musste damit rechnen, dass sie entdeckt wurde. Der Dunkelhaarige wandte den Kopf etwas zur Seite, sodass sie ihn im Profil sehen konnte, trotzdem kam er ihr nicht bekannt vor. Katharina zahlte und verließ das Lokal.
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Simon Strucks Gesicht blieb ohne Ausdruck. Während er beobachtete, wie seine Verfolgerin zahlte und sich erhob, blickte er sein Gegenüber unter gesenkten Wimpern an.
„Ich wurde beschattet“, sagte er leise, ohne die Lippen zu bewegen. „Es ist diese Detektivin.“
„Verdammt!“, knurrte der andere und wollte sich umdrehen.
„Nicht!“, zischte Simon. „Sie soll nicht merken, dass wir sie bemerkt haben. Sobald sie draußen ist, folgen wir ihr.“
„Sie wird uns noch die ganze Tour vermasseln.“
Simon lächelte. „Keine Sorge, das wird sie nicht. Ich beobachte sie schon eine ganze Zeit lang und bin über jeden ihrer Schritte bestens unterrichtet.“ Er sah, wie sich Katharina in Richtung Ausgang bewegte. „Sehen wir nach, wohin sie jetzt fährt.“
Er legte einen Geldschein auf den Tisch. Dann standen beide auf und folgten der Detektivin nach draußen.
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Katharina Ledermacher merkte sofort, dass sie verfolgt wurde. Sie lächelte bei dem Gedanken, dass man jetzt den Spieß umdrehen wollte. Aber die beiden würden von ihr enttäuscht sein. Ohne sich umzudrehen, ging sie zu ihrem Wagen, stieg ein und fuhr los. Nach wenigen Minuten bemerkte sie im Rückspiegel den roten Ferrari. Katharina gab Gas und fuhr an einer Lastwagenkolonne entlang. Im Spiegel sah sie, wie der Ferrari ebenfalls zum Überholen ansetzte. Doch vor ihm bog ein LKW auf die Überholspur und zwang ihn zum Abbremsen.
Inzwischen hatte Katharina einen Vorsprung von knapp tausend Metern herausgeholt, als sie vor sich eine Kreuzung sah. Ein Blick in den Rückspiegel überzeugte sie davon, dass der rote Ferrari noch nicht in Sicht war, dann bog sie nach rechts ab und gelangte auf eine Straße, die in die Innenstadt führte. Auf einem Parkplatz stoppte sie und wartete. Von hier aus konnte sie die gesamte Straße überblicken. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie den Ferrari vorüberrasen sah. Sie wartete noch einige Minuten und kehrte wieder auf die Straße zurück.
Die Fahrt zum Hotel gestaltete sich schwierig, denn inzwischen hatte der Feierabendverkehr eingesetzt. Sie nutzte die nächste Möglichkeit, um die Hauptstraße zu verlassen, nachdem sie für eine Strecke von einem Kilometer fast dreißig Minuten gebraucht hatte. Aber auch die Nebenstrecke, die in Richtung Hotel führte, erwies sich als Fehlschlag. Katharina stoppte den Wagen in einer Parkbucht und holte die Straßenkarte aus dem Handschuhfach.
Hupend und schleichend schob sich die Blechlawine an ihr vorbei. Joswig hatte sie gewarnt, dass der Verkehr in Rom höllisch war, aber sie befürchtete, dass sie die Situation trotzdem unterschätzt hatte. Schlimmer konnte es nicht mehr werden. Katharina seufzte und fädelte sich wieder in den Verkehr ein. Doch bereits nach wenigen Metern ging es nicht mehr weiter. Katharina konnte nicht sehen, was den Stau verursachte. Fußgänger und Radfahrer strömten in Scharen auf die Fahrbahn und liefen zwischen den stehenden Autos hindurch.
Katharina trommelte mit den Fingern ungeduldig auf das Lenkrad. Dadurch löste sich der Knoten aber auch nicht auf. Irgendjemand begann zu hupen. Ein zweiter und ein dritter Autofahrer beteiligten sich an diesem Konzert, und bald war die ganze Straße erfüllt vom Dröhnen und Röhren der Autohupen. Da es keinen Sinn hatte, bei diesem Lärm mitzumachen, ließ sie wohl als Einzige die Hand von der Hupe.
Nach einiger Zeit rollte das Fahrzeug vor ihr langsam an. Katharina folgte ihm. Doch nach einigen Metern kam es wieder zum Stillstand. Allmählich verlor sie die Geduld und bog nach rechts ab. Katharina gelangte in eine kleine Seitenstraße, die in ein Wohngebiet führte. Hier lag die Geschwindigkeitsbegrenzung zwar bei dreißig Stundenkilometern, aber damit kam sie immer noch schneller voran als auf der Hauptstraße.
Im nächsten Moment tauchte eine Gestalt vor dem Wagen auf. Katharina trat das Bremspedal durch, konnte aber nicht verhindern, dass sie den Jugendlichen mit dem Kotflügel streifte. Er schrie auf und stürzte zu Boden. Entsetzt löste Katharina den Sicherheitsgurt und sprang aus dem Wagen. Der Junge lag bewegungslos vor ihr auf der Straße. Sie ging neben ihm in die Hocke und drehte ihn behutsam auf die Seite.
„Bist du verletzt?“, fragte sie besorgt, während sich eine kleine Stimme in ihren Gedanken wunderte, wie sie ihn bei der geringen Geschwindigkeit, mit der sie gefahren war, überhaupt hatte verletzen können. Dann sah sie die offenen Augen des Jungen und das Springmesser in seiner Hand.
„Nein“, antwortete der Junge in gebrochenem Deutsch und richtete sich auf. „Aber du gibst mir Geld, oder …“
Katharina kam hoch und wich einige Schritte zurück. Sie war anscheinend in einer wohlhabenden Gegend der Stadt gelandet. Entlang der kleinen Straße befanden sich hohe weiße Zäune und grüne Hecken, die verhindern sollten, dass jemand einen Blick auf die weiter zurückliegenden Häuser warf. Katharina bezweifelte, dass einer der Bewohner sah, was sich auf der Straße abspielte. Von dort konnte sie also keine Hilfe erwarten. Der Junge grinste. Sie wusste nicht, aus welchem Grund er gerade sie ausgewählt hatte, aber es schien sich um einen simplen Raubüberfall zu handeln.
Mit einer schnellen Bewegung trat sie zu und kickte dem Jungen das Messer aus der Hand. Überrascht schrie er auf, aber da er noch saß, konnte er nicht mehr tun als zuzusehen. Wut flammte in seinen Augen auf, als er seine doppelte Niederlage erkannte. Er war von einer Frau überwältigt worden und hatte es auch nicht geschafft, sie auszutricksen. Sein Selbstbewusstsein brach zusammen wie ein Kartenhaus.
„Lass mich gehen“, bettelte er. „Bitte, ich kann dir helfen. Kenn mich aus in dieser Stadt. Kann alles besorgen. Autos, Geld. Sag mir, was du willst.“
Katharina schüttelte den Kopf. „Los, verschwinde, oder ich rufe die Polizei.“