denke“, erwiderte Bount mit finsterer Miene, „dass ich damit zweierlei bewiesen habe: dass ich kein Angsthase bin und dass man mich mit Vorsicht genießen muss.“
„Sie werden sich wunderbar in unsere Mannschaft einfügen, davon bin ich überzeugt“, sagte Brooks.
Curtis stand grimmig neben ihnen. Blut rann aus seiner Nase. Brooks reichte ihm sein Taschentuch. „Hier, wisch das Blut ab und gib Sheridan die Hand. Du kannst von Glück sagen, dass er dir die Zähne nicht eingeschlagen hat. Verdient hättest du’s nämlich.“
Curtis ließ sich mit dem Abwischen Zeit.
„Wird’s bald? Gib ihm die Hand!“, herrschte Brooks ihn an. „Ich mag in der Mannschaft keine Zwistigkeiten.“
Curtis reichte Bount Reiniger widerwillig die Hand und trollte sich dann. Bount wusste, dass dieser Bursche nicht so bald zu seinen Freunden zählen würde.
9
Zwei Tage war Bount Reiniger dann auf der Achse. Brooks zeigte sich zufrieden. Es kam zu keinen weiteren Überfällen. Die Banditen ließen auch die Trucks der anderen Frachtgesellschaften in Ruhe.
Am dritten Tag dachte Bount, es wäre so weit. Er hatte Pelze geladen und war damit nach Burlington unterwegs. Ein Wagen folgte ihm seit geraumer Zeit. Ein Impala, unauffällig grau. Mit einem total verschmutzten Kennzeichen. Besetzt mit drei Männern, deren Gesichter durch die spiegelnde Windschutzscheibe nicht zu erkennen waren.
Bount wartete geduldig ab. Er spielte den Ahnungslosen, hatte aber in dem Schulterholster seine Automatic stecken, mit der er die Gangster gehörig überraschen wollte.
Middlesex lag hinter ihm. Der Impala überholte in einer übersichtlichen Kurve und zog davon. Enttäuscht blickte Bount Reiniger dem Wagen nach. Was war das nun gewesen? Falscher Alarm?
Er blieb auf der Hut, denn er rechnete damit, dem Impala und seinen drei Insassen schon bald wieder zu begegnen, aber die Begegnung blieb aus. Bount erreichte Burlington ohne Zwischenfall.
Er lieferte die Pelze am Bestimmungsort ab, nahm die Quittung entgegen und kehrte nach New York City zurück. Den Impala und die drei Männer sah er nicht wieder.
Er lächelte, als er daran dachte. Sie hatten ihn, ohne es zu wissen, in Alarmbereitschaft versetzt. Irgendwelche Leute, die nichts Böses im Schilde führten.
„Noch ein paar Tage im Truck, und du wirst vor deinem eigenen Schatten erschrecken“, murmelte Bount und brachte den Laster zu Errol Cabots Frachtunternehmen zurück.
Freizeit wurde bei den Truck-Drivern nicht allzu groß geschrieben. Aber wenn ein Fahrer mal frei hatte, dann suchte er garantiert Jack Lunas Truck-Driver-Kaschemme auf.
Diese war auch Bount Reinigers Ziel, nachdem er seinen schweren Brummer abgeliefert hatte. Das Lokal war zum Bersten voll. Raues Männergelächter schallte Bount entgegen.
Dicke blaue Rauchschlieren zogen sich durch das Lokal. Ventilation gab es keine. Klimaanlage schon gar nicht. Man brauchte eine gute Konstitution, um sich in dieser Umgebung wohlzufühlen.
Die Truck-Driver - teilweise verwegene Gesellen - standen oder saßen in Gruppen beisammen. Es wurde vorwiegend Bier getrunken. Hinter der Theke stand ein Mann, der in einen alten Seeräuberfilm aus Hollywood gepasst hätte.
Das war Jack Luna, der Besitzer der Kaschemme. Er trug einen Drei-Tage-Bart, hatte eine große Geiernase und einen Bauch, der Buddha hätte vor Neid erblassen lassen.
Bount sah sich nach einer Sitzmöglichkeit um. Jemand winkte ihm und wies auf einen freien Stuhl. Bount Reiniger ging darauf zu, obwohl er den Mann nicht kannte. Es gab nur wenige Mädchen im Lokal, und um die herum hingen die Männer wie die Trauben an der Rebe.
„Setz dich zu mir“, sagte der kräftige Mann, der Bount gewinkt hatte. „Ich bin Richard Dodge. Ich arbeite auch für Errol Cabot. Du bist der Neue, nicht wahr? Bruce Sheridan ist dein Name.“
Bount lächelte. „Was brauche ich dem noch hinzufügen?“
„Nichts mehr. Setz dich.“
Bount nahm Platz. Ein Kellner wieselte heran. Bount bestellte Kräuterbier. „Viel Betrieb hier“, sagte er.
„So voll ist es immer. Manchmal noch voller.“
„Als ob man hier etwas geschenkt kriegen würde.“
„Die Fahrer sind unter sich. Jack Luna ist nicht kleinlich. Wer nicht bezahlen kann, kriegt auch was zu trinken. Und bei einer Rauferei drückt Jack beide Augen zu und ruft nicht gleich die Bullen.“
„Eine Gaststätte für Raubeine.“
„So könnte man die Bude nennen“, sagte Richard Dodge. „Arbeitest du schon lange in der Branche?“
„Ich bin vier Jahre für BINGO TRANS gefahren.“
„Und davor?“
„Mal dies, mal das.“
„Du hast Hände wie ein Pfarrer.“
„Ich pflege sie.“
„Ich habe gehört, du hattest eine Auseinandersetzung mit Brick Curtis.“
Bount zuckte mit den Schultern. „Nicht der Rede wert. Ich habe dem Knaben Bescheid gestoßen. Er wird mich nicht mehr dumm anquatschen.“
Dodge hob den Kopf. „Er hängt hier irgendwo herum. Ich habe ihn vor einer Stunde hereinkommen gesehen.“
„Ich habe nichts gegen ihn, solange er mich in Ruhe lässt. Ist er tatsächlich scharf auf die Tochter des Chefs?“
„Celestine ist zu jedem freundlich. Auch zu ihm. Er bildet sich ein, dass sie ihn mehr mag als die andern, und er versucht schon lange, sie zu einem Rendezvous zu überreden, aber sie findet immer eine Ausrede.“
„Merkt er das nicht?“
„Doch. Aber er ist eben verdammt hartnäckig.“
Im Hintergrund der Kaschemme lachte ein Mädchen schrill auf. Die Männer, die sich um sie scharten, stimmten schallend in das Gelächter ein. Die Atmosphäre war so dicht, dass man sie körperlich fühlen konnte.
„Was sagst du zu den Überfällen?“, fragte Richard Dodge.
„Miese Sache“, antwortete Bount Reiniger.
„Bist du schon mal überfallen worden?“
„Zum Glück noch nicht.“
„Ich schon. Vor vier Tagen. Sie spielten mir einen Unfall vor, und ich Idiot fiel darauf herein, wollte helfen. Plötzlich waren sie da mit ihren Maschinenpistolen. Mich packte die kalte Wut, und ich hätte ihnen verdammt gern die Schädel eingeschlagen, aber gegen eine MPi ist man machtlos.“
„Was haben sie mit dir gemacht?“
„Niedergeschlagen und in die Büsche geworfen. Als ich wieder zu mir kam, war mein Truck weg. Man fand ihn zwei Stunden später in der Nähe des Hudson River auf einem riesigen Parkplatz. Leer natürlich.“
„Am Abend desselben Tages erwischte es Paul Carson“, sagte Bount.
„Ja, das arme Schwein“, sagte Dodge. Er ballte die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen. „Zum Teufel, wenn ich wüsste, wer diese Gangster sind, ich würde sie mir einzeln kaufen. Dann müssten die zuerst mal wochenlang ins Krankenhaus, ehe man sie vor den Richter stellen könnte.“
„Seither kein Überfall mehr“, sagte Bount.
Dodge nickte. „Das ist die Ruhe vor dem Sturm. Oder denkst du, die geben ihren einträglichen Job bereits auf? Es ist doch so leicht, einen Truck zu kassieren, das haben diese Banditen oft genug bewiesen.“
„Woher sie wohl wissen, welcher Überfall sich lohnt“, meinte Bount.