Alfred Bekker

Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis


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wandte Papendieck sich an seine Frau. „Ich wollte dich nicht beunruhigen. Irgendein Landstreicher hat den Alten umgebracht, und in Kürze können wir ihn beerdigen. Wir wissen beide, dass unsere Trauer sich in Grenzen hält.“

      „Sie kamen nicht gut miteinander aus?“ fragte Winkels.

      Papendieck lachte auf. „Kann man so sagen. Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Er wurde mit zunehmendem Alter immer sonderbarer. Er hat mir nie verziehen, dass ich nicht die Frau geheiratet habe, die er für mich vorgesehen hatte. Irgendwann hatten wir uns nichts mehr zu sagen.“

      „Sind Sie der einzige Erbe?“

      In Papendiecks Gesicht trat ein wacher Ausdruck. „Was wollen Sie damit andeuten?“

      „Nichts. Das ist nur eine Routinefrage.“

      „Ich bin sein einziges Kind, wenn Sie es genau wissen wollen. Und was das Erbe angeht – da ist nichts zu holen. Das Haus ist eine alte Bruchbude und nicht viel wert. Ein Käufer müsste sehr viel Geld hineinstecken. Ich wüsste nicht, was er sonst noch besessen hätte.“

      „Waren Sie seit dem Tod Ihres Vaters in Aurich?“

      Papendieck schüttelte den Kopf. „Bisher nicht. Ich muss arbeiten. Wir wollen am Wochenende hinfahren und uns das Haus ansehen. Dann müssen wir vermutlich den Sperrmüll anrufen. Und ehe Sie fragen - als er umgebracht wurde, war ich hier in Wittmund. Ich habe dafür jede Menge Zeugen. Ihrem Kollegen habe ich das auch schon erklärt.“

      Papendieck sah Winkels auffordernd an, und der ehemalige Hauptkommissar verstand, was damit gemeint war.

      Er erhob sich. „Danke für die Auskünfte.“

      Die Ehefrau begleitete ihn zur Tür.

      „Mein Mann ist nicht immer so unfreundlich“, flüsterte sie.

      „Kein Problem, ich danke Ihnen.“

      Bevor sich Tjade Winkels wieder in sein Auto setzte, warf er noch einen langen Blick auf das Haus. In der zweiten Etage bewegte sich eine Gardine.

      Wenn Papendiecks Sohn tatsächlich ein sicheres Alibi hatte, hätte er sich diesen Besuch sparen können.

      Es wäre vielleicht doch besser, sich mit Uwe Dröver auszutauschen.

      5. Kapitel

      Tjade Winkels hatte sich einen Tee gemacht, der Tag versprach schön zu werden, und Harm hatte sich in seinen Korb verzogen, um sein Frühstück zu verdauen.

      Bevor er überlegen konnte, wie er weiter vorgehen wollte, klingelte das Telefon. Uwe Dröver.

      Er solle vorbeikommen, und Uwe wolle ihm etwas zeigen, zu dem er Tjades Meinung hören wolle.

      Winkels legte auf und trank in Ruhe seinen Tee weiter. Er war schließlich nicht in den Ruhestand gegangen, um sich hetzen zu lassen.

      Harm würde den Vormittag wie meistens verschlafen. Es machte ihm nichts aus, einen halben oder sogar ganzen Tag allein im Haus zu sein. Allerdings sollte in dieser Zeit nichts herumliegen, was sein Interesse weckte, wie zum Beispiel Socken.

      Also saß er eine Stunde später vor Uwes Schreibtisch und wartete gespannt auf die geheimnisvollen Informationen.

      „Moin Uwe.“

      „Moin, Tjade.“

      „Hm.“

      „Du kannst es einfach nicht lassen, was?“

      „Was meinst du?“

      „Na, dich einmischen.“

      „So bin ich nunmal.“

      „Ja...“

      „Was habt ihr jetzt herausgefunden...“

      „Tjade, du bist im Ruhestand!“

      „Ich weiß.“

      „Da habe ich aber manchmal meine Zweifel...“

      „Nun sag schon!“

      „Du traust deinen alöten Kollegen nicht viel zu, was?“

      Tjade Winkels atmete tief durch. „Wenn ich euch nix zutrauen würde, dann würde ich dich ja gar nicht erst fragen!“

      Dröver hob erst die Augenbrauen und runzelte dann die Stirn.

      „So kann man das natürlich auch sehen.“

      Tjade Winkels nickte.

      „Kann man.“

      Eine Pause des Schweigens entstand.

      Und zog sich.

      Sekunde um Sekunde verstrich.

      Und nachdem Uwe Dröver dann sehr, sehr tief Luft geholt hatte, begann er schließlich zu sprechen.

      „Wir haben im Krankenzimmer von Walter Köhler das hier gefunden!“

      Uwe Dröver schob ihm die Mappe mit den Kontoauszügen zu, die Winkels bei seinem heimlichen Besuch schon gesehen hatte. Doch davon sollte Dröver wohl besser nichts erfahren.

      „Was ist das?“ fragte er neugierig und griff nach der Mappe.

      „Sieh es dir an, und wenn du das Gleiche siehst wie ich, hätte ich gern deine Meinung dazu.“

      Winkels legte seine Stirn in Falten und blätterte bedächtig durch die Kontoauszüge. Er schüttelte den Kopf, blätterte noch einmal, bis er sich entschloss, dass er lange genug gebraucht hatte.

      Er tippte auf einen der Auszüge.

      „Ein ziemlich hoher Betrag, der jeden Monat von einem Notar überwiesen wird. Die Rente allein würde für das Seniorenheim gerade so reichen, doch damit hat sich Köhler eine schöne Summe zusammengespart. Ich habe jedoch keine Erklärung, aus welchem Grund er das Geld erhält. Vielleicht eine Erbschaft?“

      „Habe ich schon überprüft. Ist es nicht.“

      „Eine Zusatzrente?“ schlug Winkels vor.

      „Wäre möglich. Wir haben sein Zimmer im Heim noch nicht durchsucht. Das wollten wir heute erledigen. Vielleicht finden wir die Unterlagen einer Versicherung. Du kannst dir auch keinen Reim darauf machen?“

      Winkels verneinte, obwohl sich in seinem Kopf ein Gedanke bemerkbar machte, der ihn darauf hinwies, dass diese Überweisung mit dem Mord zusammenhing.

      Ehe er seinen Gedanken aussprechen konnte, zog Dröver einen weiteren kleinen Ordner aus einer Schublade.

      „Dann sieh´ dir bitte dieses Konto an. Die Unterlagen haben wir im Haus von Wilhelm Papendieck gefunden.“

      Winkels blätterte durch die Seiten. Es waren ebenfalls Kontoauszüge. Auch hier war jeden Monat der gleiche Betrag verbucht worden wie bei Walter Köhler. Die Überweisungen kamen vom gleichen Notariatskonto.

      „Die Zahlungen beginnen vor gut einem Jahr“, erläuterte Uwe Dröver. „Bei beiden Konten exakt zum gleichen Zeitpunkt. Das kann kein Zufall sein.“

      Winkels lehnte sich zurück und dachte nach.

      „Wenn ein Notar diese Summen regelmäßig auszahlt, handelt es sich normalerweise um ein Treuhandkonto, das vom Notariat nur verwaltet wird. Das Geld muss jedoch jemandem gehören. Beide Empfänger der Summen sind ermordet worden. Ich sehe einen unmittelbaren Zusammenhang.“

      Dröver nickte. „Ich auch.“

      Er zögerte und nagte an seiner Unterlippe.

      „Man müsste mit dem Notar reden“, dachte Winkels laut.

      „Tja, das… also das habe ich schon versucht“, erklärte Dröver