Eva Vybíralová

Untergrundkirche und geheime Weihen


Скачать книгу

nicht zu wiederholen, fasse ich die für dieses Thema wichtigsten Werke zusammen. Der Geschichte der katholischen Kirche unter dem Kommunismus widmet sich, abgesehen von den ausgesprochen journalistischen Arbeiten, eine ganze Reihe von Autoren: Václav Vaško3 (der gleichzeitig ein prominenter Zeitzeuge ist), Karel Kaplan4, Jaroslav Cuhra5, Jiří Hanuš und Stanislav Balík6 u. a. Was konkret die Gemeinschaft Koinótés um Bischof Felix M. Davídek betrifft, sollte das Buch der Autoren Petr Fiala und Jiří Hanuš7 auch heute als Standardwerk gelten. Die Kenntnis dieses Werkes setze ich also voraus. An der zweiten Stelle wird meistens das Buch des damals jungen Studenten Ondřej Liška8 angeführt, der mit Hilfe und unter Leitung des Prager Kardinals Miloslav Vlk arbeitete. Sein Buch wird im gewissen Sinne von manchen als ein Gegensatz zu dem Werk von Fiala und Hanuš betrachtet. Liška widmet sich aufmerksam den Fragen nach der Übergabe der geheimen Fakultäten in der Untergrundkirche und der Gültigkeit der Jurisdiktion oder den Fragen nach Gründen der Zweifel hinsichtlich der von Bischof Felix Davídek erteilten Weihen. Deswegen ist auch die Kenntnis seines Buches für die Lektüre meiner Studie sehr nutzbringend. Weiter wurden mehrere Abschlussarbeiten dem Thema der Untergrundkirche gewidmet. Es ragen besonders solche Arbeiten hervor, die einen konkreten Teil oder ein bestimmtes Phänomen innerhalb der tschechoslowakischen Untergrundkirche bzw. auch aus Sicht der verschiedenen Fachrichtungen erforschen.9 Außerdem wurden bis heute zum Thema der verborgenen Kirche Memoiren-Bücher oder geführte Interviews veröffentlicht.10 Nicht zu vergessen ist die eigene mediale Plattform eines Teils der Untergrundkirche (Prager Gemeinde), die seit 1990 ihre eigene Zeitschrift Getsemany herausgibt, wo Mitglieder dieser Gruppe ihre eigenen Meinungen veröffentlichen.11

      Was das Kirchenrecht betrifft, gibt es neben den allgemeinen kanonistischen Standardwerken weniger Arbeiten, die sich mit dem Kleriker- bzw. Ordinationsrecht beschäftigen.12 Die die Weihenichtigkeit betreffende Judikatur wird leider nicht publiziert. Die einzige rechtsgeschichtliche Abhandlung über die speziellen Fakultäten für die Tschechoslowakei verfasste Damián Němec.13 Mit dem Thema des Rituswechsels14 in der Tschechoslowakei beschäftigte sich aus der rechtsgeschichtlichen Sicht Miroslav Konštanc Adam.15 Weitere rechtliche Untersuchungen mit dem Schwerpunkt der unterdrückten katholischen Kirche in der Tschechoslowakei in den Jahren 1948-1989 wurden bis jetzt nicht unternommen.

      Das Ziel meiner Forschung war der Vergleich aller „Typen“ der geheimen Weihen, sowohl der (nach 1989) anerkannten als auch der angezweifelten Weihen, in allen Weihestufen, die in der Zeit des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei bzw. im Ausland den tschechischen und slowakischen Weihekandidaten erteilt wurden, und zwar vor allem aus der Sicht des kanonischen Rechts.

      Das erste Kapitel führt ins Thema des Weiherechts ein. Noch im 20. Jh. wurde sowohl die Form als auch der Inhalt des Weihesakramentes wesentlich modifiziert (Unklarheiten im Bezug auf die Sakramentalität der einzelnen Weihestufen, Abschaffung der Tonsur, der niederen Weihen und des Subdiakonats bzw. ihre Abänderung in ministeria, neue Vorschriften bezüglich der Materie und der Form des Weihesakraments, neue Weihegebete usw.). Das heutige Kirchenrecht stellt relativ wenig Bedingungen an eine gültige Erteilung des Weihesakraments: Weihespender – ein gültig geweihter Bischof, Weiheempfänger – ein gültig getaufter Mann, Materie: Handauflegung (kirchenrechtliche Frage, ob eine physische Berührung notwendig ist oder auch nur eine moralische Berührung reicht), Form: Weihegebet (konkreter Teil des Gebetes), die richtige Intention der beiden. Die niedrigen Bedingungen für einen gültigen Empfang der Weihe werden durch die weitreichenden Folgen einer Weihenichtigkeitserklärung (Ungültigkeit aller erteilten Sakramente bis auf die Taufen) begründet. Auch deswegen sind die ad liceitatem gestellten Bedingungen an einen Weihekandidaten relativ streng.

      Das zweite Kapitel beschreibt die Ereignisse nach der Übernahme der Macht in der Tschechoslowakei durch die kommunistische Partei: Schauprozesse, Auflösung der Klöster, Auflösung der griechisch-katholischen Kirche, Auflösung der theologischen Seminare und Fakultäten, Schicksal der Bischöfe, Prager Frühling von 1968, Ostpolitik und Infiltration des Geheimdienstes in die Kirche. Weiter wird die erste Generation der Geheimbischöfe angeführt, deren Bischofsweihe nach der vorherigen Ernennung seitens des Apost. Stuhls stattfand. Da die meisten dieser Bischöfe sehr bald verraten wurden, werden in diesem Kapitel auch die Regeln der konspirativen Arbeit erwähnt.

      Das dritte Kapitel beginnt mit einer Einführung in das Dispens- bzw. Fakultätenrecht. Weiter wird den sog. mexikanischen Fakultäten, ihrem Ursprung und ihrer Verbreitung Aufmerksamkeit geschenkt. Der Schwerpunkt liegt selbstverständlich auf der Vorstellung der einzelnen Fakultäten wie auch der Gebiete, die aus der Dispensmöglichkeit ausgenommen bleiben. Erwähnt werden Beispiele der konkreten Anwendung der Fakultäten. Der lateinische Text der Fakultäten befindet sich im Anhang dieser Studie.

      Im weiteren Kapitel werden die Bischofsweihen behandelt, die ohne päpstliches Mandat bzw. später aufgrund der speziellen Fakultäten für die slowakischen Jesuiten und der sog. Fakultäten von Papst Paul VI. für die Gemeinschaft Koinótés gespendet wurden. Am Rande werden auch weitere Fakultäten erwähnt, die anderen Gruppen, Gemeinschaften oder Personen in der Tschechoslowakei erteilt wurden.

      Das fünfte Kapitel stellt einen Exkurs zu den geheimen Weihen von Tschechen und Slowaken im Ausland dar. Es beschreibt die breiten geheimen Kontakte der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften in der Tschechoslowakei zu ausländischen Bischöfen und deren geheimer Weihetätigkeit.

      Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Phase nach der politischen Wende 1989, als mit der Differenzierung zwischen den geheim geweihten Klerikern in der Davídek-Linie und den anderen geheim Geweihten begonnen wurde. Spätestens seit 1992 (Erlass der Normae a Summo Pontifice approbatae pro solutione casuum qui ordinationes clandestinas respiciunt episcoporum et presbyterorum) wurde eine Weihe sub condicione16 von allen Klerikern aus der Davídek-Linie gefordert, die in die öffentliche Seelsorge eingegliedert werden wollten und konnten. Manche von ihnen lehnten eine solche bedingungsweise Weihe ab, weil u. a. ihre Notwendigkeit nicht begründet wurde. In diesem letzten Kapitel werden deswegen alle möglichen Gründe angeführt, die in der Literatur oder in Archiven auftauchten und die Glaubenskongregation zu ihrer Überzeugung von der Notwendigkeit der Weihe sub condicione führen konnten. Diese Gründe werden detailliert analysiert. Das letzte Kapitel wurde um einen Exkurs über die Anwendung des Rituswechsels und des Biritualismus in der verborgenen Kirche ergänzt.

      Zur Methode der wissenschaftlichen Arbeit: Für diese Studie musste eine Methodenvielfalt angewendet werden. Für den historischen Teil wurde die historischdeskriptive Methode mit Nutzung der oral history verwendet. Die Interviews mit Zeitzeugen wurden (teilweise) gesteuert. Die Methode oral history birgt selbstverständlich Risiken in sich – sie fordert von dem Forscher eine sehr solide Vorbereitung; eine große Rolle spielen die zwischenmenschliche Kommunikation, die Beobachtungsfähigkeit des Forschers oder auch manche unvorhersehbare Faktoren (der momentane Gesundheitszustand, Laune, wichtiges Telefongespräch usw.). Es besteht eine bemerkbare Grenze zwischen den Informationen, die die interviewten Personen „ins Mikrofon“ sagen, und solchen Informationen, die sie, wenn überhaupt, nur außerhalb der Aufnahme bereit sind mitzuteilen. Diese Grenze muss von dem Forscher respektiert werden. In der vorgelegten Dissertation werden außerdem folgende Gesprächssituationen unterschieden: Interview (mit Audio-Aufnahme), Gespräch, Treffen, Telefonat (ohne Aufnahme).

      Ein weiterer Schritt ist die kritische Arbeit mit Archivmaterial der staatlichen, kirchlichen und privaten Archive. Im Prager Archiv der Sicherheitskräfte (Archiv bezpečnostních složek, ABS) handelte es sich um Untersuchungs- und Gerichtsakten von Bischöfen und Priestern aus der ersten Hälfte der 1950er Jahre. Dieses Material muss mit Kenntnissen über den Verlauf und vor allem über die Methoden des Verhörs zu dieser Zeit des kommunistischen Totalitarismus gelesen werden. In manchen Akten dieses Archivs werden zwei oder sogar drei unterschiedliche Seitenzahlen angegeben, was zur Verwirrung führen kann. Für den Zugang in die Diözesanarchive in Erfurt, Görlitz und Magdeburg war die vorherige Zustimmung des Ortsordinarius notwendig. Kardinal Miloslav Vlk ermöglichte mir großzügig alles zu kopieren, was zwei Kartons aus seinem Privatarchiv mit unsortiertem Material über geheime Weihen beinhalteten.17 Seine einzige Bedingung war, dass ich alle Dokumente