zerstreuen, sondern vielmehr Zugeständnisse machen. Nachdem er noch am 5. April die Orte vergeblich um Unterstützung gebeten hatte, bestätigte er am 15. April die Freiheiten von Uri und Luzern, am 16. April verlieh er dann Zürich das (ursprünglich habsburgische) Freiamt, bevor er am 22. April Glarus, am 28. April Schwyz, Unterwalden und Zug weitere Freiheitsbriefe ausstellte. Sigismund suchte so mit grossem Aufwand die eidgenössischen Orte in seine antihabsburgische Koalition einzubinden. Trotz der katastrophalen Lage Herzog Friedrichs, der schon am 8. April Verhandlungen anbot, am 15. April dann einen Gerichtsentscheid zu akzeptieren bereit war und am 18. April den Gang zum König in Aussicht stellte, wusste vorläufig niemand, in welche Richtung sich der Konflikt entwickeln würde. Sigismund hatte zwar einen triumphalen Erfolg über seinen Rivalen errungen, es lag aber auf der Hand, dass der Gedemütigte alles daran setzen würde, das Blatt wieder zu wenden. Der König nutzte die Gunst der Stunde, um klare Verhältnisse zu schaffen, und dazu gehörte zweifellos auch seine Unterstützung der eidgenössischen Orte und die vergleichsweise späte Eroberung des Aargaus, des habsburgischen Stammlandes.
Bei der Abfolge der Ereignisse fällt auf, dass der Kriegseintritt der eidgenössischen Orte erst nach langen Verhandlungen und zu einem Zeitpunkt erfolgte, als Herzog Friedrich sein Einlenken in Aussicht stellte. War für diese «Verzögerung» tatsächlich das Festhalten am 50-jährigen Frieden ausschlaggebend? Oder profitierten die Orte nicht vielmehr von der besonderen Konstellation, um den Preis ihres militärischen Auszuges in die Höhe zu schrauben? Die auffallende Häufung an Privilegienbriefen im April 1415 weist darauf hin, dass die Orte ihrerseits die Gunst der Stunde nutzten, um ihre rechtlich-legitimatorische Stellung zu festigen.12 Dabei standen vermutlich weniger konkrete habsburgische Machtansprüche als unklare Rechtsverhältnisse im Vordergrund, bildeten doch die eidgenössischen Orte eine heterogene Einheit in der Vielfalt. Insbesondere die beiden Orte Glarus und Zug stützten sich auf eine prekäre Legitimation ab.13
Die genauen Umstände des in Konstanz ausgestellten Freiheitsbriefs vom 22. April 1415 sind unklar. Der Kriegszug in den Aargau hatte bereits begonnen, als eine Glarner Delegation die Urkunde am Bodensee abholte. Der Inhalt weist darauf hin, dass lokale Sonderinteressen in das Pergament einflossen, die dem König sicher nicht bekannt waren. Während die Befreiung von fremden Gerichten und die Verleihung der hohen Gerichtsbarkeit auch anderswo vom König grosszügig gewährt wurde, dürfte die Erwähnung des habsburgischen Lämmerzehnten ein besonderes Anliegen der politischen (auf Alpwirtschaft ausgerichteten?) Oberschicht gewesen sein. Die namentlich erwähnten Inhaber der Familie Kilchmatter waren überdies nicht einfach habsburgische Lehensleute, verwandt mit Zürcher Ratsherren.14
Im Kampf gegen Herzog Friedrich IV. von Österreich gewährte König Sigismund von Luxemburg solche Reichsprivilegien in beinahe inflationärem Ausmass.15 Mit der Erteilung hoheitlicher Rechte sollte die Eigenständigkeit ehemals habsburgischer Orte und Gebiete symbolträchtig gefördert und die habsburgische Herrschaft untergraben werden. Die Umstände mahnen jedoch zu einer zurückhaltenden Einschätzung dieser gelegentlich als Höhepunkt staatlicher Entwicklung bejubelten Privilegierung. Viele dieser neuen Reichskommunen blieben nach Ende des Konzils und nach Abreise des Königs schwach und weitgehend ihrem Schicksal überlassen und kehrten langfristig mehr oder weniger freiwillig wieder unter die habsburgische Herrschaft zurück. Anders Glarus oder auch Zug, waren doch beide Orte als eidgenössische Orte oder gar «Freistaaten» (Gottfried Heer) schon vor 1415 in besondere Bündnisse integriert.16 Die fehlende politische Legitimation der dortigen Führungsgruppe konnte 1415 dank der Reichsunmittelbarkeit endlich behoben werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob sich diese Aufwertung tatsächlich gegen habsburgische oder klösterliche Ansprüche oder nicht vielmehr gegen eine mindestens so bedrohliche Einflussnahme von Zürich und Schwyz richtete.
Wie man die rechtliche oder symbolische Ebene solcher Urkunden auch immer bewerten will: Das Reichsprivileg war fortan Teil einer spannungsgeladenen Geschichte, die auf die Spaltung der Kirche und den Konflikt zwischen König und Fürst zurückging und das Land Glarus in einem heiklen Umfeld «staatlich» zu legitimieren half. Der von Tschudi so wortreich charakterisierte und verdammte Herzog Friedrich war nur eine Figur in jenem Drama, das die Schweizer und die Glarner Geschichte gleichermassen prägen sollte.
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