Willi Lambert

Exerzitien - das Leben beleben


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kämpfen, aber können dies auch als eine Einübung in Freiheitsgewinnung erfahren. Es kann die Erkenntnis bringen: Geräusch muss man machen, Stille ist. Wenn das Laute leiser wird, sagt die Stille: Ich bin schon da. Kannst du mich hören und das, was sich zu Gehör bringen will?

      Als spirituelle Vorteile der »Absonderung« nennt Ignatius unter anderem: »Je mehr sich unsere Seele allein und abgesondert findet, um so geeigneter wird sie, sich ihrem Schöpfer und Herrn zu nähern und zu ihm zu kommen; und je mehr sie ihm so nahe kommt, desto mehr stellt sie sich darauf ein, Gnaden und Gaben von seiner göttlichen und höchsten Güte zu empfangen« (EB 20).

       Alltäglich mit der Stille leben

      Es gibt eine Fülle von Sprichwörtern, die auf verschiedene Weise auf Sinn und Wert von Schweigen und Stille auch im Alltag hinweisen: »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold«; »Man muss nicht alles, was wahr ist, sagen, aber was man sagt, muss wahr sein.« Thomas von Aquin gibt eine heftige Deutung: »Die Unfähigkeit zu schweigen ist eine Tochter der Verzweiflung.« Ignatius weist darauf hin, bei Gesprächen solle man zuerst hören, nachdenken und sich einfühlen und dann kurz innehalten und sich fragen, ob es besser ist, zu antworten bzw. nachzufragen oder zu schweigen. Außerdem ist die Diskretion, die Fähigkeit ein Geheimnis zu bewahren, für ihn ein hohes Gut für die Kommunikation.

      »Und das Wort ist Fleisch geworden« – so beginnt das Evangelium des Johannes. Jesus verkündet die Botschaft Gottes mit »Vollmacht, nicht wie die Schriftgelehrten und Pharisäer«; und das »Volk ist voll Staunen«. Manchmal beendet Jesus eine Diskussion mit einem einzigen Satz: »Soll man dem Kaiser Steuern zahlen? … Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!« (Mt 22,21). Seine Gleichnisse sind gleichermaßen einfach wie wegweisend. Die Geschichte vom »barmherzigen Samariter« etwa ist geradezu zu einer Welt-Geschichte geworden.

      Jesus ist mächtig im Wort und im Tun, ja, er wird als »das Wort Gottes« in Person gesehen. Und zugleich lebt Jesus auch aus dem Schweigen heraus und bringt zum Schweigen. Er kann sagen: Wenn ihr meine Frage nicht beantwortet, dann beantworte ich die eure auch nicht. Vor Pilatus und dem Volksgeschrei schweigt er, weil mit Worten nichts mehr zu sagen ist. Vor allem aber kommt sein ganzes Reden und Handeln aus der stillen Begegnung mit seinem Abba, seinem Vater. Immer wieder zieht er sich zurück, manchmal auf einen Berg, »er allein« (Joh 6,15); und wenn er sich zu Gott hin ausgesprochen hat, dann überlässt er alles schweigend seinem Abba und sein letztes Wort ist: »Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist« (Lk 23,46).

      Jesu Schweigen geschieht auch auf dem Hintergrund alttestamentlicher Worte wie: »Schweige vor Gott dem Herrn« (Zef 1,7); »Der Herr aber wohnt in seinem heiligen Tempel. Alle Welt schweige in seiner Gegenwart« (Hab 2,20). Oft wird gesagt, dass die Feinde Gottes zum Verstummen kommen. Jesus, der Stumme reden macht, ist auch der, welcher zu einem Dämon sagt: »Schweig und verlass ihn« (Lk 4,35). Eine der eindrucksvollsten Stellen ist die »Stillung des Seesturmes«: Er aber sprach: »Schweig still! Und der Wind legte sich, und es trat völlige Stille ein« (Mk 4,49). Immer wieder erfahren Menschen, dass nicht nur der Sturm auf dem See, sondern auch das Gewoge der Seele zur Ruhe kommen kann im Vertrauen auf Gott: »Herr, mein Herz überhebt sich nicht, nicht hochmütig blicken meine Augen, ich gehe nicht um mit großen Dingen, mit Dingen, die mir nicht begreiflich sind. Vielmehr habe ich besänftigt, habe zur Ruhe gebracht meine Seele. Wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter, wie das gestillte Kind, so ist meine Seele in mir« (Ps 131,1f.).

      Ein Text des dänischen Religionsphilosophen und existentiellen Denkers Sören Kierkegaard zeigt die Komposition von Reden, Schweigen, Hören: »Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörender. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören. So ist es: Beten heißt nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt: still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört.«

      Für Christen zählt das Wort »Kommunizieren« zu den frühesten und einprägsamsten Worten des religiösen Wortschatzes. Sie kennen es aus der Vorbereitung auf die »Erste Kommunion« und als besondere Nähe zur Liebe Gottes und Jesu Christi. Da im liturgischen Kommunizieren Nahrung zu sich genommen wird, ist die Botschaft: Wir leben vom Kommunizieren. Und dies gilt nicht nur für dieses liturgische Geschehen, sondern für alle Weisen von Kommunikation: mit Worten, ohne Worte, mit Gesten, in familiären Gesprächen und geschäftlichen Verhandlungen. Alles, wo Gemeinschaft gelebt wird und Begegnung geschieht, ist Kommunikation. Der sog. Prolog, das Vorwort im Evangelium des Johannes, besagt: »Und das Wort ist Fleisch geworden«; vom Griechischen her formuliert: »Und der Logos ist Dia-log« geworden.

      Die Kultur des Dialogs ist lebensnotwendig und friedenschaffend. Bei Ignatius gibt es zwei starke Stellen, die dies zum Ausdruck bringen. Für das Gespräch in den Exerzitien formuliert er als Voraussetzung: »Damit sowohl der, der die geistlichen Übungen gibt, wie der, der sie empfängt, mehr Hilfe und Nutzen haben, ist vorauszusetzen, dass jeder gute Christ bereitwilliger sein muss, die Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verurteilen« (EB 22). Dies ist der erste Hinweis, bevor noch irgendwelche inhaltlichen Hinweise gegeben werden. Anders läuft lebensfreundliche Kommunikation nicht.

      Dies gilt nicht nur für den privaten, persönlichen Bereich, sondern auch für öffentliches Geschehen. In einer Instruktion für die Jesuiten, die 1546 als Berater für das Konzil von Trient vorgesehen sind, gibt Ignatius sieben Regeln für die Kommunikation. Die zentrale, sozusagen die »goldene Regel« lautet: »Ich wäre langsam im Sprechen, indem ich das Hören für mich nutze; ruhig, um die Auffassungen, Gefühle und Willen derjenigen, die sprechen, zu verspüren und kennenzulernen, um besser zu antworten oder zu schweigen« (BU S. 112). Ignatius verpflichtet dann die Mitbrüder, jeden Abend einem von ihnen eine Rückmeldung, ein »Feedback«, zu seinem Kommunikationsverhalten am Tag zu geben. Was für eine Schule!

      Weiterhin und im Modus des Ausrufezeichens gesagt: Was für eine Einladung zu Erziehung, zu Bildung, zu therapeutischem Begegnen, zu seelsorglichen Gesprächen, zu gesellschaftlichem Dialog, zu christlichkirchlichem Miteinander in all dem Durcheinander und der Komplexität und Schnelllebigkeit unserer Zeit! Manches scheitert weniger an dogmatischen Streitigkeiten, sondern an mangelnder Gesprächskultur. Wer das Neue Testament aufmerksam liest, kann an ca. 70 Stellen über 30 verschiedene Streitpunkte entdecken, aber auch die Versuche, im verstehenden und liebevollen Miteinander zu leben.

      Jesus räumt da der sogenannten »goldenen Regel« eine fundamentale Rolle ein: »Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen.« Und dann fügt er noch hinzu: »Darin besteht das Gesetz und die Propheten« (Mt 7,12). – Diesen Kommunionunterricht intensiv miteinander zu lernen, gehörte das nicht zum Wichtigsten für jede und für unsere Zeit und Situation?

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