Hartmut Spring

"Nicht ohne den Mut zum Wagnis ..."


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Vor allem für die Helfer aus den ländlichen Gebieten waren die verschiedensten Formen der Treffen zwischen den Jugendhelfern oder mit den Jugendkaplänen überlebensnotwendig, um wenigstens ein Minimum seelsorglicher Fertigkeiten vermittelt zu bekommen. Ergänzend zum Erlernen von „Muster“-Heimabenden dienten Einkehrtage oder Exerzitien zur vertieften Auseinandersetzung mit Glaubensfragen. Solche Treffen waren zudem eine gute Möglichkeit, das Versammlungsverbot zu umgehen. Denn auch in der engen Auslegung staatlicher Stellen wurden Zusammenkünfte wie Exerzitien und Einkehrtage als Jugendtreffen religiöser Natur meist toleriert. Die Einkehrtage und Helferschulungen waren überdies ein wichtiges Medium, um den Zusammenhalt zwischen den Jugendlichen der verschiedenen Gemeinden im Kommissariat herzustellen.355 Dieses Gefühl der Verbundenheit hatte gerade in der Diasporasituation eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, mehr noch für die Jugendlichen der kleineren Gemeinden als für die der größeren Städte, die sich viel einfacher miteinander austauschen konnten.

      Zunächst wurden die Helferschulungen in Gemeinden durchgeführt, die noch über intakte Räumlichkeiten verfügten. In Merseburg oder Gröningen fanden die ersten Treffen unter der Leitung der Jugendseelsorger Th. Schmidt oder H. Aufderbeck statt. Als später auch in anderen Gemeinden Räume zur Verfügung standen, wurden diese Schulungen an verschiedenen Orten durchgeführt,356 bis sich mit dem Erwerb der Huysburg erstmals ein besonderer Ort ergab, der später auch als Identifikationssymbol für das Kommissariat Magdeburg eine Rolle spielen sollte.

      Mit dem Beginn der Arbeit der AG Jugendseelsorge wurden in Berlin zusätzlich zentrale Weiterbildungen der Helfer für den gesamten Bereich der SBZ angeboten. An diesen Kursen konnten auch anteilig Jugendliche aus dem Kommissariat Magdeburg teilnehmen.357 Die zentralen Helferschulungen wurden ein wichtiges Anliegen der entstehenden Jugendseelsorge in der SBZ. Sie erfolgten auf verschiedenen regionalen Ebenen und waren in der ersten Zeit vor allem ein gemeinsames Austauschen von Informationen und praktischen Erfahrungen aus den verschiedenen Bereichen der SBZ und ein gemeinsames Einüben neuer pastoraler Praktiken.358 Ergänzend dazu wurde im August 1948 erstmals, vom Caritas-Verband organisiert, eine zentrale Schulung für männliche hauptamtliche Laienmitarbeiter für das gesamte Gebiet der SBZ angeboten. Diese sogenannte „Fürsorgerausbildung“ sollte die jungen Männer auch zur Mitarbeit in der überregionalen kirchlichen Jugendseelsorge befähigen.359 Einige der Absolventen waren später auch als Helfer in der Jugendseelsorge tätig. Mit der Arbeit der hauptamtlichen Helfer nahm allerdings das eigenverantwortliche Engagement der „ehrenamtlichen” Helfer ab, was nicht nur mit den politischen Bedingungen zu tun hatte. In dem Maße, wie hauptamtliche Jugendhelfer und die Jugendvikare in den 1950er Jahren die Jugendseelsorge mehr und mehr übernommen haben, bekamen auch die engagierten Helferkreise der Nachkriegszeit eine andere Bedeutung. Sie wandelten sich in ihrer Funktion vom Leitungs- mehr und mehr zum Beratungs- oder Ausführungsgremium.360

      Auf dem Märztreffen der Jugendseelsorger in Alt-Buchhorst 1947 wurde C. Herold zum ersten Diözesanjugendhelfer für Paderborn-Ost ernannt.361 Seine Arbeit als Jugendhelfer endete bereits kurze Zeit später mit seiner Flucht aus der SBZ. Nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen wurden danach die Laienhelfer durch hauptamtliche Mitarbeiter in der Jugendseelsorge ersetzt. Aufgrund der zunehmenden Repressalien und der beginnenden Verhaftungen von katholischen Jugendlichen wurden hauptamtliche Mitarbeiter in der Jugendseelsorge zwingend gebraucht. Aber auch aus anderen Gründen waren hauptamtliche Jugendhelfer notwendig. Die Helferstrukturen im Kommissariat Magdeburg veränderten sich in den ersten Nachkriegsjahren sehr schnell. Das jugendbewegte Ideal, der Selbstführung von Jugend erwies sich in der SBZ schon bald als überholte Notlösung. Erstens war der Geist der Jugendbewegung nicht auf die neue gesellschaftliche Situation übertragbar und zweitens fühlten sich die nicht ausgebildeten Laienhelfer zunehmend in ihrer Arbeit überfordert. Auch deshalb wurden sie im Laufe der Zeit von hauptamtlichen Jugendhelfern abgelöst bzw. durch diese ergänzt. Im Kommissariat Magdeburg berief man im Vergleich zu anderen Ordinariaten erst spät die ersten hauptamtlichen Laienhelfer.

      Ende 1947 wurde die Ernennung von E. Fromme zur ersten nebenamtlichen Diözesanhelferin im Kommissariat Magdeburg bekannt gegeben.362 Eine wirkliche Entlastung in der Jugendseelsorge bedeutete das nicht; zu umfangreich waren die anstehenden Aufgaben. Mit dem Entstehen des Jugendamtes wurde später verstärkt versucht, hauptamtliche Mitarbeiter für die Jugendseelsorge zu gewinnen, so wie sie es in anderen Diözesen bereits gab.363 Doch es sollte sich zunächst als sehr schwierig erweisen, geeignete hauptamtliche Mitarbeiter zu finden. Mit der Ernennung von K. Knaden aus Westtünnen vom 24. Dezember 1948 zum Diözesan-Jugendhelfer begann zumindest theoretisch die Ära der hauptamtlichen Laienmitarbeiter im Bereich des Kommissariates Magdeburg.364 Das Problem bestand aber darin, dass K. Knaden seine Stelle als erster Jugendhelfer für die männliche Jugend aus ungeklärten Gründen de facto nicht antrat.365 Noch 1949 gab es in Magdeburg weder einen hauptamtlichen Jugendhelfer noch eine Jugendhelferin für die weibliche Jugend.366

      Die Aufgaben der hauptamtlichen Jugendhelfer sollten drei Bereiche umfassen. Der wichtigste war die Schulung der Helfer in der Jugendseelsorge. Daneben sollte es zu ihren Aufgaben zählen, die Land- und „Flüchtlingsjugend“ in das kirchliche Jugendleben zu integrieren sowie die Jugendgruppen in den Gemeinden zu betreuen.367 Auch die Pflege des christlichen Laienspieles oblag ihrer Verantwortung. Doch all diese Überlegungen ließen sich in der Nachkriegszeit noch nicht umsetzen. Erst nachdem J. Brinkmann 1950 als erster Jugendseelsorger seine Stelle antrat und mit ihm die beiden hauptamtlichen Mitarbeiter in der Jugendseelsorge ihren Dienst aufnahmen, konnte von einer kontinuierlichen Helferarbeit in der Jugendseelsorge im Kommissariat Magdeburg gesprochen werden.

       4.5.4 Ein Jugendhaus fehlt

      Im Bereich Paderborn-Ost gab es kein geographisches Zentrum und noch weniger ein eigenes Jugendhaus als Treffpunkt für die Jugend des Kommissariates. Als Diasporagebiet war das Kommissariat in der Vergangenheit immer von Paderborn aus versorgt worden bzw. das Kommissariat hatte sich nach dort orientiert. Als nach dem Krieg in Hardehausen ein neues Jugendhaus für das Erzbistum entstanden war, war dieses zunächst auch für die Jugendlichen aus dem Ostteil des Bistums als Anlaufstelle gedacht. Aber neben den geographischen Gegebenheiten und den sich daraus ergebenden Transportproblemen stellten die abzusehenden politischen Veränderungen wohl die größte Hürde für die Jugend des Kommissariates Magdeburg dar. Dennoch nahm eine ganze Reihe der Jugendlichen aus dem Kommissariat den aufwändigen Weg nach Hardehausen auf sich. Überwiegend fuhren aber nur besonders engagierte Jugendliche zu den Veranstaltungen in Hardehausen, zumeist die Gruppen- oder Dekanatshelfer des Kommissariates. Hier wurden Weiterbildungen für die Helfer angeboten und der Erfahrungsaustausch unter den Jugendlichen ermöglicht.368 Auch wenn sich die Probleme beim Aufbau der Jugendseelsorge in Ost und West schon bald unterschieden, konnten die Jugendlichen vieles an neuen Anregungen für die Arbeit in den eigenen Gemeinden mitnehmen.

      Die ersten überregionalen Schulungen für Jugendliche aus dem Kommissariat im Jahr 1946 mussten in entfernteren katholischen Begegnungsstätten in Berlin oder in Friedrichroda stattfinden,369 bevor mit dem Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen ein bistumseigenes Tagungshaus zur Verfügung stand, das bald zum wichtigsten Bildungshaus des Kommissariates wurde. Unter anderem konnte es auch für die Jugendseelsorge genutzt werden.370 Mit den neuen politischen Bedingungen und dem Neuaufbau der Jugendseelsorge im Ostteil des Erzbistums nach dem Krieg war vor allem für Helferschulungen und Jugendbegegnung ein eigenes Zentrum nötig geworden. Aber auch als Identifikationsort für die Jugendlichen des Kommissariates wurde ein eigenes Jugendhaus unerlässlich. Die Suche danach erwies sich als schwierig. Ein katholisches Jugendhaus im Schloss Goseck371 zu errichten, zeigte sich ebenso wenig umsetzbar wie die Idee einiger Seelsorger, mit dem Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen ein „Hardehausen für Paderborn-Ost“ aufzubauen.372 H. Aufderbeck hatte sich demgegenüber schon früh die Huysburg als Haus für die Jugendseelsorge gewünscht.373 Im Mai 1948 kaufte zwar das Kommissariat die Huysburg. Doch die ersten Schwierigkeiten traten schon wenige Wochen später auf, als die FDJ von Oschersleben einen Nutzungsanspruch anmeldete,374 der auch vom Rat des Kreises unterstützt wurde. Beide Stellen forderten die Rücknahme der staatlichen