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kann – die gibt es nicht in einer säkular geprägten Großstadt wie Berlin. Wenn man sie finden will, muss man sie suchen. Wie geht das, das Katholisch-Sein in Berlin? Auf diese Frage gibt es keine klaren Vorgaben. Jeder Einzelne muss die eigene Form finden und im Lauf der Zeit möglicherweise auch wieder verändern und anpassen. Das kann anstrengend sein, wenn es keinen Raum gibt, wo man sich fallenlassen kann und wo die Seele einfach genährt wird, ohne dafür etwas tun zu müssen.

      Es gibt so etwas wie ein katholisches Lebensgefühl. Damit meine ich eine Weise des Lebens, die Ernsthaftigkeit und Gelassenheit miteinander verbindet. Dieses Lebensgefühl hat man nicht einfach durch die Taufe oder durch die Konversion. Es wächst im Lauf der Zeit, am besten im Miteinander-Leben. Deswegen ist die Glaubensgemeinschaft wichtig.

      Gefeierter Glaube: Für die meisten Menschen, die katholisch werden, ist die Liturgie, der in Gemeinschaft gefeierte Glaube, von großer Bedeutung. An erster Stelle steht die Eucharistiefeier, aber auch andere Gottesdienstformen wie das Stundengebet, das Rosenkranzgebet, Prozessionen und Wallfahrten. Generell ist das Mitfeiern des Kirchenjahres mit seinen Festen und Bräuchen ein wichtiges Element, den Glauben im Alltag zu leben. Gemeinhin gilt Glaube als Privatsache. Im Alltag wird der Glaube so gut wie nie thematisiert, oft sogar tabuisiert – man spricht einfach nicht darüber. In den Tauf- und Konversionskursen geht es sowohl um die Vermittlung von Glaubensinhalten als auch darum, sprachfähig in Glaubensdingen zu sein. In Einzelgesprächen, die ich mit Kursteilnehmern führe, stelle ich Fragen wie: Wer ist Gott für Sie? Wer sind Sie für Gott? Beten Sie, und wenn ja, wie? Oft höre ich als Antwort, wie schwierig solche Fragen zu beantworten sind, eben weil man noch nie mit jemandem über solche Themen gesprochen hat. Aber Glaube muss geteilt werden können, damit er lebendig bleibt und wachsen kann. Glaube vollzieht sich im gemeinsamen Feiern und Beten und im Gespräch.

      Geübter Glaube: Wenn der Glaube nicht praktiziert und eingeübt wird, dann verdunstet er. Mich beeindruckt, wie Menschen, die den Schritt in die katholische Kirche gegangen sind, diesen Glauben einüben und praktizieren. Der regelmäßige Gottesdienstbesuch ist ein wichtiges Element der Gemeinschaft, aber er ersetzt nicht das persönliche Gebet und die eigene Spiritualität. Viele Menschen beten eine Form des Stundengebets, wie es die Gebetsbücher »Magnificat« und »Te Deum« anbieten. Andere nutzen Online-Angebote wie »sacredspace.ie« und »pray-as-you-go.org« oder meditieren die liturgischen Texte des Tages. Viele Menschen finden für sich einen Gebetsrhythmus im Alltag, der einfach genug ist, damit er auch auf Dauer beibehalten werden kann. Formen, die zu kompliziert sind, werden bald wieder aufgegeben. Der (ignatianische) Tagesrückblick ist für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil der geistlichen Praxis und wird als das Leben ordnend und sinnerfüllend empfunden.

      In diesem Buch berichten Menschen über ihren Weg zum katholischen Glauben – und darüber, wie sie ihn leben. Die Beiträge sind in fünf Themenbereiche untergliedert: Staunen – Sehen – Seufzen – Sprechen – Üben.

      Staunen über den eigenen Lebens- und Glaubensweg; Staunen darüber, wie Außen- und Innensicht der Kirche sich unterscheiden können. Hineinwachsen und vertraut werden mit etwas, das ganz unvertraut und fremd war.

      Sehen mit anderen Augen auf sich selbst, auf die Welt, auf Gott. Sich vom Vertrauen leiten lassen, neue Wege gehen, zuversichtlich sein.

      Seufzen, weil nach der ersten Begeisterung doch manches mühsam ist, weil man Begrenzungen erfährt und mit Strukturen konfrontiert wird, die sich so schnell nicht ändern werden. Wo es um Geduld und Ausdauer geht und auch um ein großmütiges und gelassenes Herz.

      Sprechen können über den eigenen Glauben, sprachfähig sein über das, was persönlich wichtig ist. Den Mut haben, zu seinem Glauben zu stehen, auch wenn man kritisiert oder belächelt wird und Nachteile in Kauf nehmen muss.

      Üben, weil Glaube ohne Praxis nicht funktioniert. Die eigene Form finden, den Glauben zu leben, sich auf einen Glaubensweg machen und nach dem Willen Gottes fragen. Eine eigene Spiritualität finden, die durch den Alltag und durch das Leben trägt, in der das »Gott suchen und finden in allen Dingen« Gestalt annimmt.

      Ignatius und die ersten Jesuiten zog es von Beginn an zu Menschen, die vor Entscheidungssituationen standen, zu religiös Suchenden, zu Menschen, die auf dem Weg waren. In dieser Tradition stehen auch heute die »Glaubensinformationen« und »Glaubensorientierungen«, welche von Jesuiten in Berlin, Leipzig, Hamburg, Mannheim und München geleitet werden. Dort wird verständlich und zeitgemäß Auskunft über den Glauben gegeben. Vor allem aber werden Menschen begleitet im Nachdenken über ihre eigenen existentiellen Erfahrungen. Diese werden ernst genommen und gleichzeitig auf ein mögliches Wirken Gottes hin angeschaut. Ignatianische Spiritualität ist eine Spiritualität, die offen ist für das neue und unerwartete Wirken Gottes im Leben. Das ist einerseits ein sehr individueller Weg, andererseits beheimatet innerhalb der katholischen Kirche. Ignatius und die ersten Gefährten wollten Menschen ermutigen und befähigen zu einer christlichen Praxis. Wie diese Praxis aussehen und gelingen kann, davon handeln die Beiträge in diesem Buch.

      Als Jesuit erkenne ich viele Elemente der ignatianischen Spiritualität, die in den persönlichen Lebenswegen eine wichtige Rolle spielen. Diese müssen nicht immer als solche bezeichnet werden. So wie Ignatius auf Traditionen zurückgriff, so ist er selbst zu einer Quelle geworden, die für zahlreiche Menschen von Bedeutung ist. Davon gibt dieses Buch einen kleinen Einblick. Gott geht immer eine Beziehung ein, ganz konkret, ganz individuell. Die Lebenswege erzählen von ihrem Zugang zu Gott und zum Glauben. Das kann sehr unterschiedlich sein, doch entsteht so wie nebenbei ein Porträt unserer Gesellschaft und auch der Stadt Berlin. Gerade in diesem lebendigen Umfeld greift vielleicht das Wesensmerkmal einer »Mystik ignatianischer Weltfreudigkeit«, wie es Karl Rahner SJ formulierte. Sie besteht im Interesse und in der Bejahung der Welt, weil sie sich ganz in Gott verankert weiß. So lädt das Buch ein, Gott in dieser unserer Welt zu entdecken und unsere Geschichte mit ihm zu erzählen.

      In diesem Buch geht es um das »katholisch werden«. Dennoch ist dieses Buch der Ökumene verpflichtet. In vielen Beiträgen wird deutlich, dass es nicht um ein »entweder katholisch oder evangelisch« geht, sondern dass es große Schnittmengen gibt und trotz manch kritischer Formulierung eine Wertschätzung der protestantischen Tradition bei gleichzeitiger Entscheidung für das Katholische.

      Ein großes Dankeschön an alle Autoren und Autorinnen. Ich hoffe dass das Schreiben auch für sie selber eine Gelegenheit war, dankend auf den eigenen Glaubensweg zurückzuschauen. Und ich hoffe, dass die Leserinnen und Leser Anregungen finden, wie das gehen kann, katholisch zu sein und katholisch zu werden.

       P. Christoph Soyer SJ

      Staunen

      Schwule Katholiken

      »Wem haben Sie davon erzählt, dass Sie heute hier sind?« Der Pater schaute in die Runde. Schweigen. Etwa 25 bis 30 erwachsene Berliner saßen bei ihm, aber keiner brachte ein Wort hervor.

      Ich war Teil dieser plötzlich erstaunlich stillen Runde und dachte, was wohl alle dachten: Gott sei Dank weiß das kaum jemand.

      Eine Großstadt, so wie ich sie sehe, besteht aus verschiedenen Milieus, aber ich kenne keines, in dem man auf Verständnis hoffen kann, wenn man sich dazu bekennt, Katholik werden zu wollen. Ob in meiner Familie, unter meinen Freunden oder bei meinen Arbeitskollegen, ob unter den Fußball-Fans, Anglern oder Literaturliebhabern, mit denen ich meine Freizeit verbringe – eine solche Lebensentscheidung kommt in dem Erfahrungshorizont meiner Mitmenschen nicht vor.

      Der Pater wiederholte seine Frage: »Wer weiß davon, dass Sie heute hier sind?«

      In meinem Berliner Umfeld wäre es schon abwegig, sich zur CDU zu bekennen – aber zum Katholizismus? Das würden die Menschen, die ich in dieser Stadt kenne, für einen Scherz halten. Katholizismus? Man hört immer das Gleiche. Erst kommen die Missbrauchsfälle. Dann die Kollaboration mit dem Nazi-Regime. Als Nächstes die Inquisition. Schließlich die Kreuzzüge. Habe ich jemals in Berlin einen Nicht-Katholiken etwas Positives über die katholische Kirche sagen hören? Nie.

      Katholisch werden? Auf einen gewissen sozialen Druck sollte man vorbereitet