in seiner Konkretheit erblickt, gewinnt aber zugleich eine Distanz von seinen eigenen und eigenwilligen Wünschen und Plänen, von einem Diktat der eigenen Biographie und ihrer Zugehörigkeiten, von den „Faktizitätsaprioris“, in die er hineingeboren und hineinerzogen wurde. Sein Glaube an die Providenz entzieht sowohl nach der anglikanischen als auch nach der katholischen Seite hin manchem Geltungsanspruch auch kirchlicher Institutionen Autorität. Er findet in der Providenz Hilfe bei der Verarbeitung von Schicksalsschlägen. Er kann Berufungen wahrnehmen und wagt im Vertrauen darauf einsame Schritte in eine unübersichtliche Zukunft. „Sicher“, im Sinn kartesianischer Sicherheit, kann er sich dieses „Du, o Gott, siehst mich“ durchaus nicht sein, aber er erfährt sich in seiner komplexen Konkretheit und Widersprüchlichkeit wie Hagar als „gefunden“.
Dankbarkeit
Die Fülle der Zugehörigkeiten und Bedingtheiten ergibt die Möglichkeit dankbar zu sein. Geradezu signifikant für ein Leben unter der Providenz ist es, für die Bestimmtheit durch die in Gottes Ruf sich zeigende Freiheit dankbar sein zu können. Wer sich strikt liberal definiert, hat keinen Grund jemandem dankbar zu sein, es sei denn sich selber. Für ein bewusstes Leben unter der Providenz dagegen sind die lebensgeschichtlichen Vorgegebenheiten unübersehbar. Sie sind die geschenkten Möglichkeitsbedingungen der eigenen und der gemeinsamen Lebensführung. Andere und ein anderer sind mit am Werk, gehen voraus, sind an den Kontingenzen fügend mitbeteiligt. Leben unter der Providenz ist deshalb in vollem Sinn „eucharistische Existenz“. Das gilt natürlich gegenüber der fügenden, berufenden und versöhnenden Aufmerksamkeit, die der Blick des Glaubens gewährt, die aber das Leben „eines jeden“ – so Newman – begleitet. Dies gilt aber noch in einem anderen Sinn. Wir leben auch unter den Augen der Mutter, der Lehrer, der Freunde. Sie und viele andere Aufmerksamkeiten gehören zu den Vorgegebenheiten unserer Existenz. Sie sind als Ausgang und als Begleitung in unser Leben eingegangen und in sie eingefügt. Es gilt dies auch von unseren Lehrern und Begleitern im Glauben. Wir haben alle aus den Überlieferungen geschöpft und stehen selber empfangend und gebend in diesem Überlieferungsprozess. Wir sind, um nochmals mit Hannah Arendt zu sprechen, auf fundamentale Weise Erben und haben erst darin unsere Menschlichkeit. Die Kultur der Dankbarkeit gegenüber Lebenden und Toten ist Ausgangsbedingung und Folge der Providenzerfahrung. Denn im dankbaren Umgang damit tritt uns die fügende, die rufende und weisende Autorität der Providenz selber entgegen.
76 Edmund Burke / Friedrich Gentz, Über die Französische Revolution, Akademie Verlag Berlin 1991.
77 Alain Finkielkraut, Die Undankbarkeit. Gedanken über unsere Zeit, Ullstein Berlin 2002, 118.
78 Zitiert ebd. 119.
79 H. Arendt, Elemente [Fn. 39]. Vgl. dazu: Sabine Rothemann, Aufweichung der Menschenrechte [Fn. 40], 60–63.
80 A. Finkielkraut [Fn. 76], 122.
81 H. Arendt, Menschen in finsteren Zeiten, Piper München 1989, 32.
82 Ebd. 92.
83 Gilbert K. Chesterton, Orthodoxie, Paris Gallimard, Idées 1984, 170; zitiert bei Finkielkraut [Fn. 76], 126.
84 Wolfgang Huber, Die Spannung zwischen Glauben und Lehre als Problem der Theologie, in: Georg Picht (Hg.), Theologie – was ist das? Stuttgart Kreuz Verlag 1977, 219.
85 H. Arendt, Menschen in finsteren Zeiten [Fn. 80], 27.
86 W. Huber [Fn. 83], 219.
87 Augustinus, Confessiones 10, 1.
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