Sie ist die schöpferische Kraft, durch deren Berührung alles verwandelt wird, nicht in Gold, sondern in bleibendes Leben. Sie ist die endgültige Offenbarung des Namens und Wesens Gottes, der sich zunächst als der »Ich bin da«, dann als der Immanuel, »Gott mit uns«, und schließlich als der »Ich für Euch«, der in Leib und Blut Christi für uns verschenkte Gott geoffenbart hat. In diesem Namen, vor dem jedes Knie sich beugt (vgl. Phil 2,10), erfährt der glaubende Mensch die alles verwandelnde Macht, im Glauben die Möglichkeit, das eigene Leben und die ganze Welt sinnvoll deuten zu können. Damit erweist sich das zentrale Wort des Glaubens, »Das ist mein Leib«, lateinisch »hoc est corpus meum«, eben nicht als unbegreiflicher »Hokuspokus«, sondern als das wahre Zauberwort der Liebe, das die Welt von innen her verwandelt und heilt.
Dieses Wort ist nicht in der unvorstellbaren Höhe des Himmels, nicht in unerreichbarer Ferne jenseits des Meeres, sondern ganz nah, in deinem Herzen und in deinem Mund (vgl. Röm 10,8): Christus in und unter uns – die Hoffnung auf Herrlichkeit (vgl. Kol 1,27). Wie das Herz als Lebensmitte des menschlichen Organismus im Inneren des Menschen verborgen bleibt, so ist auch dieses Mysterium des Glaubens, Christus in uns, verborgen gegenwärtig. Aber es sucht sich seinen Ausdruck in Wort und Zeichen, im Sakrament, um so erkennbar und offenbar zu werden für alle, die mit den »Augen des Herzens« (vgl. Eph 1,18) sehen und mit den Ohren des Glaubens hören.
4. Bedeutung der Liturgie und speziell der Eucharistiefeier
In seinem ersten Dokument, der »Konstitution über die Heilige Liturgie« (1964), hat das II. Vatikanische Konzil die zentrale Bedeutung der Liturgie und speziell der Eucharistiefeier herausgestellt. Die Liturgiekonstitution ist die Frucht einer theologischen Rückbesinnung auf eine Sakramentenlehre, die sich aus der biblischen Botschaft und dem Denken der Kirchenväter speist. Sie hat nicht so sehr die formale Außenseite des Gottesdienstes mit ihren Gesetzen und Normen im Blick, sondern vielmehr die Liturgie als eine Feier, in welcher das Ereignis unserer Erlösung durch Jesus Christus zur gegenwärtigen Wirklichkeit wird und der heilssuchende Mensch mit dem Erlöser in Berührung kommt. Wichtige Vorarbeiten zu einer solchen Sicht hat der Benediktinertheologe Odo Casel geleistet, dessen »Mysterienlehre« im Konzilsdokument ihre Spuren hinterlassen hat. Einen Meilenstein in der Zusammenführung theologischer Arbeit und kirchenamtlicher Lehre hat Papst Pius XII. in seiner Enzyklika »Mediator Dei« (1947) gesetzt. Die »liturgische Bewegung« in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat dazu beigetragen, dass die Konzilsväter einen verbindlichen Text beschließen konnten, dessen Sichtweise auch für die folgenden Konzilsdokumente wirksam wurde.
Mit diesen Andeutungen will ich es hier genug sein lassen und lediglich auf einige Grundsätze hinweisen, die für den Mitvollzug der Eucharistiefeier und für die geistlichen Übungswege zur Nachfolge Christi gleichermaßen bedeutend sind.
Priorität des göttlichen Wirkens und Raum für das menschliche Mitwirken – in jedem Heilsgeschehen ist Gott der zuerst und vor allem Wirkende. Er wirkt das Heil des Menschen aber nicht ohne das Mitwirken des Menschen. Gott hat dem Menschen die Freiheit gegeben, auf das göttliche Wirken in seinem Leben einzugehen oder es zurückzuweisen. Das gibt dem Menschen die Würde, das ihm von Gott anvertraute Leben in Verantwortung und Freiheit zu gestalten. Gottes unumkehrbarer Heilswille für jeden Menschen findet die Grenze seiner Wirkmächtigkeit in der gottgegebenen Freiheit des Menschen. So ist Erlösung und Heil die Frucht des Zusammenwirkens zweier Freiheiten: der göttlichen Freiheit, die in ihrer Liebe das Heil jedes Menschen will, und der menschlichen Freiheit, die dieses Geschenk annehmen oder ablehnen kann.
Heil in Begegnung – Der gegenwärtige Gott wirkt an dem ihm zugewandten Menschen. In der gegenseitigen Zuwendung geschieht heilswirksame Begegnung. Gott ist immer gegenwärtig, immer zugewandt. Der Mensch dagegen ist nicht immer gegenwärtig; er kann zwar physisch anwesend sein, aber dennoch persönlich unbeteiligt bleiben. Und er kann sich abwenden und dem gegenwärtigen Gott den Rücken kehren. So verhindert er eine Begegnung zum Heil.
Heilswirksamer Dialog – Die Begegnung zwischen Gott und Mensch geschieht in den menschlichen Formen der Kommunikation. Sie sind ihm von Gott gegeben, und ohne sie oder außerhalb ihrer vermag der Mensch nicht in Beziehung zu treten. Er kann nur sehen, wenn sich ihm etwas zeigt, nur hören, wenn einer zu ihm spricht, nur berührt sein, wenn jemand ihn berührt. Die physischen Sinne des Menschen können gestört oder gar zerstört sein. Dann wird Kommunikation erschwert oder sogar unmöglich. Entsprechend kann auch die innere Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen gestört oder gar zerstört sein. Dann sieht er nicht mehr, was doch offensichtlich ist, und hört nicht mehr, was doch offenkundig ist. Der Mensch kann angesprochen sein und die Antwort verweigern. Er kann angeschaut sein und den Blick nicht erwidern. Er kann angerührt sein und sich der Berührung entziehen. Heil kann er nur erfahren, wenn er in Wort und Blick und Geste auf das Gehörte, Geschaute und Erspürte antwortet.
Geistgewirkter Dialog – Wie aber kann ein echter Dialog zwischen dem unendlichen und unbegreiflichen Gott und dem endlichen, begrenzten Menschen gelingen? Können zwei so ungleiche Partner wirklich miteinander kommunizieren? Es braucht, wie bei jeder Kommunikation, ein Medium, wodurch das Wort verständlich, der Blick bedeutsam, die Geste begreiflich wird. Das »Medium« des Dialoges zwischen Gott und Mensch ist der Heilige Geist. Er wirkt, dass Gottes Wort im Menschenwort der Verkündigung als Gotteswort vernehmbar wird (vgl. 1 Thess 2,13). Und er wirkt im Menschen die Hörfähigkeit, so dass er im Menschenwort Gottes Wort vernehmen kann. Der Heilige Geist ist es, der die Wirklichkeit in göttlichem Licht erkennbar macht und der dem Menschen die Augen öffnet, so dass er im Licht das Licht sehen kann (vgl. Ps 36,10). Der Heilige Geist erfüllt menschliche Zeichen und Gesten mit göttlicher Wirklichkeit und Wirksamkeit und schenkt dem Menschen die Wahrnehmungsfähigkeit, in solchen Zeichen und Gesten den darin wirkenden Gott wahrzunehmen.
In diesem Dialog ist freilich Gott grundsätzlich und immer der Erste; von ihm geht die Initiative aus, das Beziehungsangebot »für uns Menschen und zu unserem Heil« (Glaubensbekenntnis). Die heilbringende Kraft kommt uns gewissermaßen »von oben«, unverdient und ungefordert entgegen. Sie ermöglicht und erfordert unsere menschliche Antwort in Dank, Lobpreis und Anbetung, die »kultische« Antwort »von unten«.
Begegnung im Raum der Kirche – Gott begegnet dem Menschen wann immer und wo immer er will. Er hat aber in der Menschwerdung seines Sohnes einen auf unerwartbare Weise ausgezeichneten Raum der Begegnung geschaffen. In den menschlichen Worten, Blicken und Gesten Jesu tritt Gott selbst mit den Menschen in Beziehung. Und in der Begegnung mit dem Menschen Jesus begegnet der Mensch dem verborgenen Gott selbst. Dieser hervorgehobene »Ort« der Begegnung, der menschgewordene Gottessohn, ist dies nicht nur für die kurze Zeit seines Erdenlebens, sondern für alle Zeit. Er bleibt mit seiner ganzen Person als Gott und Mensch in seiner Kirche gegenwärtig, die somit als sein Leib ebenfalls immer und überall der ausgezeichnete Ort der Begegnung zwischen Gott und Mensch ist. Im Raum der Kirche als der Gemeinschaft der durch Glauben und Taufe mit Jesus Christus verbundenen Menschen wird vorzugsweise Gottes Wort gesprochen und gehört, Gottes Wirken vollzogen und empfangen. Und wiederum ist es der Heilige Geist, der diesen Raum der Begegnung schafft und mit seinem Leben erfüllt, so dass die Kirche in aller menschlichen Begrenztheit und trotz aller menschlichen Schuld der hervorgehobene Ort heilshafter Begegnung ist.
5. Eucharistisch leben
Das Ziel der Verwandlung – Das alles in Bewegung bringende Ziel aller Liturgie und aller geistlichen Übungswege im christlichen Raum ist die Vereinigung mit Jesus Christus, durch den und auf den hin alles und vor allem wir Menschen geschaffen sind (vgl. Joh 1,3; Kol 1,16). Er ist das Urbild alles Geschaffenen und ist durch seine Menschwerdung erst recht das Urbild menschlichen Lebens. Mit ihm eines Sinnes zu werden und ihm gleichgestaltet zu werden, ist das Ziel menschlichen Lebens. Die bewegende Kraft dieser Verwandlung in seine Gestalt ist wiederum der Heilige Geist, der dieses Werk der Umgestaltung und Neuschöpfung des Menschen vollzieht, sobald sich einer in Glauben und Vertrauen dem Herrn Jesus Christus zuwendet. So drückt es Paulus im 2. Brief an die Korinther aus: »Sobald sich aber einer dem Herrn zuwendet, wird die Hülle entfernt. Der Herr aber ist der Geist,