Marion Reddy

Slow Slim


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dokumentieren die drei Bier zu den Koteletts beim Grillen samt der Riesenportion Ketchup.

      Wir halten fest, dass wir über den Tag hinweg die große Dreihundert-Gramm-Tafel Schokolade aufgefuttert haben, auch wenn wir gar nicht vorgehabt haben, sie zu kaufen und sie nur genommen haben, weil sie gerade im Angebot gewesen ist.

      Wir notieren, dass wir die drei neuen Magnum-Sorten nicht nur einmal probiert haben (um den neuen Geschmack zu testen wie Restaurantkritiker), sondern an vier aufeinander folgenden Tagen jeweils alle drei vernichtet haben.

      Wir vergessen nicht das gesunde Kebab mit so viel Gemüse drin und den Schokoriegel und den Orangensaft vom Automaten am Bahnsteig.

      Wir listen das, eh schon nicht kleine, Wiener Schnitzel auf plus das halbe, das von einem der Kinder übrig geblieben ist, so was wirft man ja nicht weg.

      Wir verheimlichen uns weder die zwei Becher Glühwein noch die Erdbeerbowle und die fünfzehn Grissinis dazu.

      Das ist nicht schön. Das braucht Mut. Das ist der erste Schritt zur Besserung.

      Die Idee dahinter ist eine Änderung unserer Verhaltensmuster. Wir sind schon auf dem Weg dorthin, auch wenn das noch überhaupt nicht unser Thema ist.

      Wir sind jetzt auf Level 1. Aber damit wir später, in einem höheren Level, irgendetwas verändern können, müssen wir zuerst einmal wissen, was wir überhaupt ändern wollen. Das alles geht nur stufenweise, genau wie bei einem Computerspiel, wo wir ein Level nach dem anderen knacken und das nächste erreichen.

      Keiner von uns kann sich von einem Tag auf den anderen in einen komplett anderen Menschen verwandeln. Das wissen wir, seit es Bridget Jones in Schokolade zum Frühstück versucht hat. Auf der Liste ihrer Neujahrsvorsätze zu Beginn des Buchs fand sich zum Beispiel:

      Was ich nicht mehr tun werde:

      • Rauchen

      • Mehr ausgeben als ich verdiene

      • Mich über Männer aufregen

      • Hinter ihrem Rücken über andere Menschen herziehen

      Was ich tun werde:

      • Oberschenkelumfang mit Hilfe von Anti-Zellulitisdiät um acht Zentimeter reduzieren

      • Sämtliches überflüssiges Zeug aus der Wohnung schaffen

      • Beruflich aufsteigen

      • Geld in Form von Ersparnissen anlegen, Rentenversicherung abschließen

      • Nicht jeden Abend ausgehen, sondern zuhause bleiben, gute Bücher lesen und klassische Musik hören

      • Dreimal in der Woche ins Fitnessstudio gehen, und zwar nicht nur um ein Sandwich zu essen

      Ich kann mich nicht erinnern, dass sie irgendwas davon verwirklicht hat, und zwar nicht, weil sie Bridget Jones ist, eine Frau mit viel Herz und wenig Disziplin, sondern weil sie sich nicht über Nacht zu dem umbauen lässt, was sie für perfekt hält.

      Wer gern eine vierfache Eierspeise mit Speck und einer Buttersemmel isst, wird in der Früh auch nicht aus dem Bett kriechen und eine Karotte und grünen Tee für das beste Frühstück aller Zeiten halten.

      Das liegt allerdings weniger an den Karotten und dem grünen Tee als an unserem Gehirn. Es speichert sämtliche unserer täglichen, regelmäßigen Verhaltensweisen in den sogenannten Basalganglien ab. Je länger die Muster dort archiviert sind, desto schwieriger ist es, sie loszuwerden. Schlimmer. Verhaltensmuster kann man nicht mit einem Klick löschen wie eine Datei. Auf einen Klick geht verhaltenstechnisch überhaupt nichts. Wir können die Muster nur mit einem neuen Verhalten überspielen.

      Um eine neue Tätigkeit zu lernen, müssen wir sie zunächst bewusst üben. Vergleichen wir das ganze einmal mit dem Autofahren. Solange wir noch hintereinander darüber nachdenken, dass wir jetzt auf die Kupplung steigen, einen anderen Gang einlegen und die Kupplung loslassen müssen, während wir in den Rückspiegel schauen und den Scheibenwischer einschalten, sind wir noch im Übungsmodus. Sobald wir all das automatisch, also ohne einzeln darüber nachzudenken, machen können, wissen wir: Das Gehirn hat die Tätigkeit in den Basalganglien gespeichert.

      Ab jetzt können wir lenken, schalten, bremsen, Musik hören, telefonieren und rauchen gleichzeitig. Wir denken nicht mehr ans Autofahren. Das haben die Basalganglien übernommen.

      Was für ein herrlicher Moment. Die Sache funktioniert nicht nur im Auto, sondern auch beim Essen.

      Essverhalten oder Lebensstil zu ändern, läuft nach demselben Prinzip ab. Wir üben ein neues Verhalten solange, bis es in den Basalganglien gespeichert ist und automatisch abläuft.

      Das neue Verhalten können wir allerdings nur üben, wenn wir wissen, wie es sich vom alten unterscheiden soll. Was wir essen, ist also nicht die einzige Frage, die sich da stellt. Wir müssen auch wissen in welchen Situationen, mit welchen Emotionen und in welcher Atmosphäre wir was essen. Sind die Süßigkeiten abends das Problem oder können wir uns bei den Zwischenmahlzeiten nicht beherrschen? Kommen wir an keinem McDonald’s vorbei oder ist der Eisverkäufer der Verführer?

      Schreiben wir’s auf.

      Frage Nummer 2: Warum essen wir?

      Meine Freundin Meggie kommt aus Thailand und führt ein thailändisches Restaurant in Tirol. Ungefähr einmal pro Monat veranstaltet sie dort auch Kochkurse oder Seminare. Diese Tage sind besonders anstrengend für sie, weil sie sich nach den Kursen untertags nicht ausruhen kann, da beginnt nämlich dann erst das normale Restaurant-Geschäft.

      »Ich liebe meinen Job«, erzählte mir Meggie einmal beim Brunch, »aber er bringt einen Stress mit sich, mit dem ich manchmal sehr schlecht umgehen kann. Ich funktioniere den ganzen Tag und es macht mir ja auch Spaß, diese Kurse zu leiten, aber dann fehlt mir die Kraft, den Laden auch am Abend noch zu schmeißen.«

      Ich versicherte ihr, dass ich mir das gut vorstellen könne. Vermutlich würde es niemandem anders gehen.

      »Aber dann«, erzählte sie weiter, »gibt es diese Phasen nach ein Uhr nachts, wenn das Personal heimgegangen und alles geputzt ist, wenn ich die Abrechnung mache. Dann fällt auf einmal der ganze Stress von mir ab und ich habe nur mehr das Gefühl, mich belohnen zu müssen.«

      In diesen Momenten mitten in der Nacht plündert Meggie regelmäßig den Kühlschrank. Allein von Berufs wegen kennt sie sich wirklich gut mit Ernährung und den Bestandteilen von Lebensmitteln aus. Sie weiß ganz genau, dass es alles andere als gut für ihren Körper ist, sich zu dieser Zeit noch den halben Tagesbedarf an Kalorien einzuwerfen.

      »Essen kann auch wie ein Medikament oder eine Droge sein«, sagte sie, »es ist eine sehr schnelle Möglichkeit, herunterzukommen vom Stresslevel und sich gleichzeitig zu belohnen.«

      Meggies Geschichte ist nur insofern ein Einzelfall, weil nicht jeder ein thailändisches Restaurant in Tirol führt. Ansonsten sind wir alle wohl hin und wieder Meggies:

      In vielen Fällen essen wir nicht, weil wir Hunger haben. Wir essen aus Langeweile, um die Zeit mit dem Löffel totzuschlagen. Wir essen, um uns zu beruhigen, wenn wir uns über den Chef aufgeregt oder auch nur keinen Parkplatz gefunden haben. Wir essen, um uns zu trösten, weil sonst gerade keiner da ist, der es tut. Wir essen aus Höflichkeit, weil uns jemand etwas Süßes mitgebracht hat. Wir essen aus sozialen Gründen mit den Kindern mit, obwohl wir eigentlich gar keinen Hunger haben. Wir essen am Abend mit dem Partner, weil wir den ganzen Tag keine Möglichkeit hatten, Zeit miteinander zu verbringen.

      Marions Freundin Emily hat eine Leidenschaft für Hundeausstellungen. Sie züchtet auch selbst eine kleine Hunderasse und fährt mit ihrem Rudel immer wieder zu Ausstellungen. Am Tag der Veranstaltung ist es oft für sie schwierig, etwas Vernünftiges zu essen. Zum Teil, weil sie viel zu tun hat, zum Teil, weil es an den meisten Ausstellungsorten nur ein paar lausige Imbissbuden gibt.

      Marion, die Emily manchmal mit ihren Kindern auf den Ausstellungen besuchte, brachte dann