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Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen


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      Feldtheorie

      Malcolm Parlett (2011, S. 54) fasst seine Sicht der Feldtheorie zusammen:

      »The whole point of the field theory is to recognise the layered features of contexts, their complex and interrelated qualities, and how these are intimately related to individual and collective experiences.« Parlett gibt ein starkes Plädoyer für die Einnahme einer Feldperspektive ab (ebd.): »Self and field – those two central Gestalt concepts which admittedly are difficult to define, let alone measure are intertwined. We can still find ourselves, even as Gestalt specialists, being drawn into a more dualistic frame –splitting person from context, finding hard to hold both in a single frame, as unitary. We need to resist this tendency.«

      Wheeler (2002c) legt ein konsequent relationales Feldmodell vor, in dem der klassische Individuumsbegriff überwunden wird. Das Individuum im klassischen Sinne wird als Körper-Ich beschrieben, die psychische Realität jedoch aus der interaktionellen Feldwirkung heraus verstanden. Das durch Lewin konzipierte und durch McConville (2001) für die Gestalttherapie mit Jugendlichen verdeutlichte feldtheoretische Entwicklungsmodell lässt sich als gut überprüfte, anschauliche und weitreichende Grundlage für Entwicklungsvorstellungen heranziehen. Kontakt = Organisation = Verbindung zwischen den einzelnen Teilen sagt McConville. Kontakt kann auch in Bezug auf die Grenzen zwischen den einzelnen Bereichen und Feldregionen beschrieben werden. Wenn die einzelnen Feldregionen unterschiedlich feste, starre und durchlässige Grenzen zueinander haben, wird dies ihre Kommunikation und Interaktion in hohem Maße beeinflussen. Dann ist ein Wechsel von der einen zur anderen Region u. U. abrupt, klar und deutlich oder aber fließend, unklar und schwer zu lokalisieren. Einzelne Feldregionen können in Form von Polaritäten eine klare und dynamische Aufteilung in jeweils zwei Subregionen, die sich gegenseitig stabilisieren, verstanden werden. Durch explorierendes kommunikatives Pendeln, Erleben und Kommunizieren zwischen den Regionen werden der Gesamtzusammenhang, die Gesamtintegration und die Verbindung von verschiedenen beliebigen Punkten oder Bereichen mit den anderen Bereichen besser, d.h. die Zuordenbarkeit wird deutlicher. Was genau ist dann Entwicklung in diesem Modell und zwar Kindheitsentwicklung? Man könnte sagen, Felderfahrungen sammeln, konkrete Lebenserfahrungen im Lebensraum sammeln, die dann letztlich ihren repräsentativen Niederschlag im Gehirn finden. Was differenziert sich während der Kindheit genau? Die Größe des Lebensraumes erweitert sich. Durch wechselseitige Erfahrungen werden einzelne Regionen prägnanter. Das supportive Feld ist ein Umweltfeld, in dem en miniature als Pars pro Toto die verschiedenen, vor allem unterbesetzten und unterentwickelten Regionen hilfsmitbesetzt werden. Notwendige Differenzierungen von noch undifferenzierten Regionen werden hilfsmitdifferenziert. Die Grenzen zwischen den einzelnen Regionen werden in einem supportiven Feld hilfsmitstabilisiert und die einzelnen Regionen hilfsmitverbunden bzw. hilfsabgegrenzt.

      Abb. 1: Feldtheoretische Veranschaulichung der Entwicklung

      Kreative Selbstverwirklichung

      Kinderspiel nach HPG (2006 S. 46/47) hebt sich durch eine konzentrierte Sinneswahrnehmung und spielerischen Umgang mit dem Material hervor, analog einer künstlerischen Tätigkeit. Darin beinhaltet sind die sensomotorische Integration, das Akzeptieren des Impulses und der aufmerksame Kontakt mit dem neuen Material der Umgebung. Sie finden im »mittleren Modus« statt. »Betrachten wir die erstaunliche Fähigkeit des Kindes beim Spiel zu halluzinieren«, schreiben HPG (S. 118) dazu. Die in der klassischen psychoanalytischen Stufentheorie der Entwicklung beschriebenen Themen können aus dem aktuellen gestalttherapeutischen Verständnis von Entwicklung als Selbstschaffung heraus als zu lösende Herausforderungen angesehen werden. Diese Lebensaufgaben können allerdings mit sehr unterschiedlicher Gewichtung angegangen werden. Dabei spielt die konstitutionell-biografischen Vorgeschichten, aber auch unterschiedliche Motiven, Wünschen und Bedürfnisse eine Rolle. Entwicklung ist daher immer eine kreative und höchst individuelle Begegnung mit der Umwelt.

      Funktionsentwicklung

      Menschliche Entwicklung wird verstanden als ein Prozess in zeitlichem Verlauf, der durch sehr individuelle Präferenzen geleitet wird. Diese stellen den anhaltenden Lebens- und Entwicklungswillen dar, der aus einem fortwährenden Wechselspiel von innerer und äußerer Berührung zum Aufbau von psychischen und physischen Funktionen und Strukturen führt.

      Dieses Wechselspiel besteht aus Kontaktbewegungen zur Erschaffung, Erweiterung, Differenzierung des Körpers, des Gefühls, des Geistes und ihrer Möglichkeiten. Entwicklungsbewegungen können als sich erweiternde konzentrische Kreisbewegungen dargestellt werden (am Beispiel Funktionsentwicklung Abbildung 2).

      Den von Stern (2007) als Kernselbst bezeichneten psychischen Ursprungs- oder Ausgangspunkt der menschlichen Entwicklung würde ich in gestalttherapeutischem Sinne noch stärker als Antrieb und Schöpfer seiner eigenen Entwicklung ansehen. Die Entwicklung ist vor allem zu Beginn auf eine spezifische Weise von der Umwelt abhängig. Die Möglichkeiten der Kommunikation mit der Umwelt sind dabei sehr unterschiedlich. Aber auch die Umwelt und Pflegepersonen gehen sehr unterschiedlich auf die ersten Kommunikationsversuche des Babys ein. Ein Baby kann also das Glück haben und Pflegepersonen, mit denen es sich gut austauschen kann, die seine Bedürfnisse und seine Anliegen verstehen. Andere Kinder haben dieses Glück nicht, und wachsen in einer Umwelt auf, mit der es immer wieder Missverständnisse gibt. Dadurch stehen sowohl die innere als auch die äußere Seite eines Feld-Selbsts in ungenügendem und wenig förderlichen Austausch miteinander. In diesem Fall können Entwicklungsstörungen mit höherer Wahrscheinlichkeit entstehen. Die Umweltabhängigkeit von der zufällig gegebenen kommunikativen Kompetenz der Organismus-Umwelt-Partner nimmt mit zunehmender Autonomieentwicklung ab. Der erwachsene Mensch kann sich schließlich, weitgehend seine eigene, seinen Präferenzen entsprechende Umwelt zusammenstellen, soweit die sozialen und politischen Umstände dies zulassen. Vorausgesetzt, er konnte ausreichende Kommunikationserfahrungen machen und lernen, seine Bedürfnisse innerhalb seines jeweiligen Feldes kreativ mit dem der Umwelt auszutauschen. Die hohe Abhängigkeit vom Kommunikationserfolg mit der Umwelt setzt erst mit der Geburt ein. Vor der Geburt erfolgt die Bedürfnisbefriedung des heranwachsenden kleinen Menschen sozusagen von selbst, das Brauchen, das Wollen und das Wünschen laufen noch ohne Kommunikation ab. Der Wechsel aus diesem Reich vollendeter Bedürfnisbefriedigung hinüber in die Welt ungewisser und häufig mangelhafter Bedürfnisbefriedigung nennt Rank das Trauma der Geburt. Den Wunsch, diesen Urzustand wieder herzustellen, hält er für den Ausgangspunkt schöpferischen Schaffens.

      Die erste Grunderfahrung des ungeborenen Kindes ist, zu sein, zu leben. Die Grunderfahrung des geborenen Säuglings ist ebenfalls, zu sein, leben und atmen. Ausgehend vom lebendigen Sein folgt die zweite Grunderfahrung: Berührung. Berührung findet bereits im Mutterleib statt. Es ist das umspült und berührt Werden von Fruchtwasser und Gebärmutter. Beim Neugeborenen kommt es zum ersten berührt Werden durch andere Menschen. Die dritte Grunderfahrung ist Bewegung. Auch dies geschieht sowohl vorgeburtlich als Eigenbewegungen und passives bewegt werden durch die Bewegungsrythmen der Mutter als auch nachgeburtlich. Auf diese Berührungs-Bewegungserfahrungen folgt vorgeburtlich das Hören. Bereits ab der 17 Woche können Geräusche den Embryo stimulieren oder stressen (Wirth 2012). Das Hören begleitet die Geburt so wie das Fühlen, Schmecken und Spüren von Bewegung, Rhythmus und Gleichgewicht und stellt ein prä-/postnatales sensorisches Kontinuum her. Die Bewegungsentwicklung des Säuglings verläuft in zwei Wellen. Zum einen in der des Erlangens, Greifens, der körperlich und Bewegung gewordenen Sehnsucht nach den Dingen, die voller Neugierde begriffen, befühlt, beschmeckt und beleckt werden wollen. Diese Sehnsucht mündet in immer stärkere Bewegungsanstrengungen und Willensanspannungen, die schließlich dazu führen, den zuvor immobilen Körper selbst in größerem Maße in Bewegung zu setzen und sich fortzubewegen. Fort von dem einen und hin zum anderen. Dies bringt das Thema der