Inhalt
Einleitung: Burnout – meine postmoderne Existenz
Der Kerkeling-Effekt – Holzweg nach Santiago – Ich bin dann mal weg – Schein-Riesen der Medienlandschaft – Reality oder Illusion? – Deutschland sucht den Superstar – Unsere tägliche Prominenz
Was ist echt? – My second life – Guggenheimisierung der Kultur – Trend zum Event – Kultur des Glotzens – Event und Prominenz – Kaisers neue Kleider – Die Burnout-Gesellschaft
Vagabunden der Postmoderne – Renaissance der Leidenschaft – Tango forever – Das Fremde und das Eigene – Erotik und Exotik – Leiden und Leidenschaft – Nur nicht aus Liebe weinen!
Diktatur des Frohsinns – Liebe ist nur ein Wort – Kein Gefühl – Emotional farbenblind – Wo kaufe ich mir ein Gefühl? – Anleitung zum Burnout
Neurosen ändern ihr Gesicht – Die narzisstische Dynamik – Ein postmoderner Menschentyp? – Das geborgte Selbst – Pathologie der Normalität – Ganz normales Burnout
Im Biotop des Marktes – Die Stunde der Spekulanten – Der spekulative Charakter – Narzisstische Epidemie? – Die marktorientierte Persönlichkeit – Ein erschöpftes Selbst – Die Burnout-Lüge – Störungen haben Vorrang
Nachtrag: Erinnerung an die Zukunft
Burnout: Meine postmoderne Existenz
Einer postmodernen Epidemie widmet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel einen Aufmacher. Millionen Deutsche leiden demnach unter Burnout. Laut Spiegel sind die Deutschen ein Volk der Erschöpften: Nahezu jeder dritte Zeitgenosse entwickelt innerhalb eines Jahres eine psychische Störung, über vier Millionen Bundesbürger leiden unter behandlungsbedürftigen Depressionen.
Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts haben sich Krankschreibungen wegen psychischer Belastung fast verdoppelt; die Deutschen schlucken heute zweimal so viele Antidepressiva wie Ende der 1990er-Jahre. Und die Patienten werden immer jünger, heißt es in der zitierten Spiegel-Titelstory, die mit zahlreichen Fallbeispielen aufwartet.
In den folgenden Monaten wird das sogenannte Burnout-Syndrom zu einem Dauerbrenner des Feuilletons und liefert Stoff für zahlreiche Titel der großen Magazine und Wochenbeilagen. Burnout avanciert offiziell zu einem Wort des Jahres: Zwar ist das Wort und insbesondere die Krankheit schon seit längerem verbreitet, doch ist Burnout zunehmend als Ausdruck der Probleme unserer heutigen schnelllebigen Zeit zu verstehen und verbreitet sich als Begriff derzeit geradezu inflationär, lautet die diesbezügliche Begründung der Gesellschaft für deutsche Sprache vom Dezember 2011.
Es ist zu befürchten: Zur inflationären Verbreitung des Wortes wird auch meine vorliegende Publikation beitragen, in bescheidenem Umfang. Ob ein schillerndes Phänomen dadurch klarer wird, steht auf einem anderen Blatt. Denn eine Unzahl von Presseartikeln und Buchpublikationen der letzten Jahre zeigt, dass dieses Syndrom offenbar ebenso verbreitet wie schwer zu fassen ist.
Gab es Burnout nicht immer schon – z.B. in Gestalt der sogenannten Midlife-Crisis früherer Zeiten – und tritt es nicht lediglich jüngst verstärkt ins allgemeine Bewusstsein? Oder handelt es sich um eine innerhalb kurzer Zeit sprunghaft verbreitete Pandemie, die von drastisch verschlechterten Arbeitsbedingungen und prekären Beschäftigungsverhältnissen begünstigt wird? Vielleicht ist es auch lediglich eine Inszenierung der Massenmedien, die zur Steigerung ihres Absatzes ein Phänomen herbeischreiben, das sich dann vermeintlich in