Bernhard Görg

Dürnsteiner Puppentanz


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hatte schon vor einer Woche in einem Wiener Nobelhotel stattgefunden. Für morgen waren die privaten Freunde eingeladen. Eine kleine Runde. Zwanzig Gäste. Mehr hatten im Wochenendhaus beim besten Willen keinen Platz.

      Klaus hätte lieber einen der umliegenden Heurigen gemietet, lieber mehr Menschen eingeladen. Vor allem solche, die seinen Aufstieg zum Präsidenten der Anwaltskammer fördern konnten. Aber sie hatte sich durchgesetzt. Sie wollte das Fest lieber intim halten. Mit dem Argument »Qualität vor Quantität« hatte sie ihn schließlich überzeugt.

      Außerdem hätte sie ihre liebe Not gehabt, allzu viele von fern anreisende Gäste in den Hotels der Umgebung unterzubringen. Obwohl es erst Mitte April war, war es gar nicht leicht gewesen, Zimmer für die wenigen Geburtstagsgäste, die über Nacht bleiben wollten, zu reservieren. Dass fast alles ausgebucht war, war dem Höhepunkt der Wachauer Marillenblüte geschuldet. Die hatte heuer eine gute Woche später als in den Vorjahren eingesetzt. Der Weg nach Krems war gesäumt von diesen vergleichsweise unscheinbaren Obstbäumen, die nur für knappe zwei Wochen mit ihrer Pracht auftrumpften. Weiße Blüten, die aus kräftig rosafarbenen Knospen herauswuchsen und lange gelbe Stempel ausbildeten. Da hatte die Natur barock gespielt. In den letzten Jahren war die Wachauer Marillenblüte ein ähnlich großer Touristenmagnet geworden wie die Narzissenblüte im Ausseerland. Sollte sie den Blumenschmuck mit Marillenbaumzweigen ergänzen? Nein. Den Freunden des Geburtstagskindes würde diese Blüte ohnehin auf dem Silbertablett serviert, weil sie von der Terrasse des Wochenendhauses einen Traumblick auf ein Meer von blühenden Marillenbäumen hatten.

      Ihr Wagen surrte leise dahin. Was für ein herrlicher Nachmittag. Sie hatte Klaus überreden wollen, mit ihr gemeinsam nach Krems zu fahren. Vergeblich. Dabei hatte sie sich wirklich ins Zeug gelegt, ihm sehr bildhaft beschrieben, wie schön die Fahrt durch die Wachau im Licht der tiefstehenden Sonne sein würde. Auf der einen Seite die glitzernde Donau, auf der anderen Seite die mit erstem Grün noch zaghaft überzogenen Weinberge, die alten Orte, in die nach dem langen Winter das Leben zurückkehrte, dazu überall Marillenbäume, barocke Blüten in orangem Licht. Zum Abschluss dann vorbei an den pastellfarbenen Fassaden von Stein. Sehr warm für Mitte April war es obendrein. Was konnte es Schöneres geben?

      Als sie schließlich bei der Einfahrt nach Krems zur großen Tankstelle kam, musste sie seufzen: Warum konnte man die hässlichen Dinge nicht unter die Erde verlegen?

      Kurz vor dem Dreifaltigkeitsplatz fand sie einen Parkplatz. Zwei Minuten später stand sie in der Mitte des Marktes neben dem ungewöhnlichen Pestdenkmal, dessen drei weiße Säulen die heilige Dreifaltigkeit symbolisierten. Dass es schon späterer Nachmittag war, war unverkennbar. Die Bauern aus der Umgebung, die hier frische Ware zumeist aus eigenem Anbau feilboten, hatten an diesem schönen Tag bereits ein gutes Geschäft gemacht. Die Holzkisten, die wohl in der Früh noch voller Kartoffeln, Karotten, Äpfel, und allerlei Gemüse gewesen waren, waren weitgehend leer. Aber frische Blumen gab es noch in Hülle und Fülle. Sie ließ den Blick über diese Farbenfreude schweifen.

      Da erspähte sie jemanden, der ihr aus Richtung Landstraße entgegenkam, den sie seit bald fünfundzwanzig Jahren kannte: Roman Gröger. Wahrscheinlich der älteste Freund ihres Mannes. Ebenfalls Anwalt und selbstverständlich zum morgigen Geburtstagsfest eingeladen. Sie erhob die Stimme: »Kann es sich ein Anwalt in Krems leisten, an einem Freitag Nachmittag schon in Freizeitkleidung herumzulaufen? Servus, Roman!«

      Der Rechtsanwalt, der sie offensichtlich noch nicht bemerkt hatte, riss seinen Kopf in ihre Richtung. Was für ein strahlendes Lächeln in seinem tief gebräunten Gesicht! Völlig ansatzlos. Kein Wunder, dass sie auf der Uni kurz für ihn geschwärmt hatte.

      Er machte drei große Schritte auf sie zu und umarmte sie. »Theresa, meine Liebe. Das ist aber eine schöne Überraschung. Was machst du denn in Krems? Du wirst doch die Vorbereitungen für die Geburtstagsfeier nicht vernachlässigen?« Er trat einen Schritt zurück und zeigte ihr seinen tadelnden rechten Zeigerfinger.

      Den schob sie beiseite und hängte sich bei ihm ein. »Ganz im Gegenteil. Ich bin hier, um die Blumen für den Tischschmuck zu besorgen.« Sie ließ ihren Blick wieder über die verschiedenen Blumenstände schweifen. Klaus hatte sich Rosen gewünscht. Möglichst königlich, hatte er gemeint. Kein Problem. An prächtigen Rosen herrschte hier kein Mangel. Der Einkauf würde nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. »Wenn du Lust hast, kannst du mich zum Raimitz begleiten. Eine Cremeschnitte und ein kleiner Brauner gehen sich noch aus. Gehört sowieso zu meinem Krems-Ritual.«

      »Nichts, was ich lieber täte.« Er entwand sich ihrem Arm.

      »Ich verstehe«, kommentierte sie seine Bewegung neckisch. »Du willst wohl angesichts deiner zahllosen Kremser Verehrerinnen nicht den Eindruck erwecken, als hättest du die Frau deiner Träume schon gefunden.« Sie lachte ihn von der Seite an.

      »Im Gegenteil. Ich will nur nicht, dass wir wie ein altes Ehepaar aussehen.« Er legte seinen Arm um ihre Schulter.

      »Jetzt schauen wir eher wie ein junges Liebespaar aus, findest du nicht?« Sie gab ihm mit ihrer Hüfte einen Stoß. »Alter Schwerenöter. Wenn du so weitermachst, werde ich das Klaus erzählen. Der wird dich dann von der Geburtstagstafel ausschließen.«

      Sie merkte, dass sein Gesicht für einen Augenblick sein Strahlen verlor. Allerdings nur kurz, sodass sie der Sache keine Bedeutung beimaß.

      Keine fünf Minuten später saß sie mit Roman im Schanigarten der Konditorei an einem kleinen Tischchen, das gerade frei geworden war. Genau dort, wo die Kirchengasse in den Pfarrplatz überging. Zur Pfarrkirche waren es nicht einmal hundert Meter. Und gleich dahinter, aber deutlich höher gelegen, erhob sich die Piaristenkirche mit ihrer großen Turmuhr. Bei jedem Besuch der Konditorei stellte sie sich von Neuem die Frage, ob der göttliche Geschmack der Cremeschnitten etwas mit dem erhebenden Blick auf diese beiden Kirchen zu tun hatte.

      Nachdem er seinen ersten Schluck Kaffee genommen und die Tasse abgestellt hatte, zeigte sich wieder der ernste Ausdruck in seinem Gesicht. »Du, Theresa, ich wollte heute noch Klaus anrufen. Aber jetzt kann ich es dir sagen. Ich werde morgen nicht nach Spitz kommen.«

      Also hatte sie sich vorhin doch nicht getäuscht. Sie war ehrlich betroffen. Auch wenn der Kontakt zwischen Klaus und Roman früher enger gewesen war, so war eine Geburtstagsfeier von Klaus ohne Roman doch unvorstellbar. »Ja, aber warum denn nicht? Du gehörst doch fast zur Familie.«

      »Lieb von dir, dass du das sagst. Aber Klaus hat doch nur mehr recht großkotzige Freunde. Da passe ich als kleiner Provinzanwalt einfach nicht dazu. In der Runde würde ich mich nicht wohlfühlen. Ich komme lieber am Sonntag zu einem späten Frühstück. Da habe ich euch für mich allein.«

      Sie klopfte ihm auf seinen Schenkel. »Nur keine falsche Bescheidenheit, mein Lieber. Die Damen morgen wären jedenfalls von dem kleinen Provinzanwalt hingerissen. Du kannst es dir ja noch überlegen. Klaus wäre sehr enttäuscht.«

      Wenn sie es recht bedachte, war sie da gar nicht so sicher. In den letzten ein, zwei Jahren hatte sich die Freundschaft der beiden alles andere als weiterentwickelt. Klaus moserte immer öfter an Roman herum. Dass er keinen Biss hätte und zu wenig aus seinen Talenten mache, dass er in Krems versauern würde und Ähnliches. Schade. Sie nahm sich vor, in den nächsten Wochen einen Anlauf zu nehmen, um alles wieder so wie früher werden zu lassen. »Gehst du jetzt in deine Kanzlei?«

      »So gut wie. Meine Wohnung liegt nämlich, wie du weißt, über meiner Kanzlei. Für diese Woche habe ich genug gearbeitet.«

      »Ein bisschen mehr könntest du dich schon anstrengen, damit aus dir zumindest ein großer Provinzanwalt wird. Aber wenn du es nicht eilig hast, könntest du mir noch beim Aussuchen der Blumen helfen. Ich würde das morgen Abend lobend erwähnen.«

      Er lächelte. »Gib zu, dass du einen Kuli brauchst, der dir die Blumen zum Auto bringt.«

      »Du durchschaust mich noch immer.« Sie schenkte ihm ein charmantes Lächeln, erleichtert darüber, dass die kurze Irritation sich offensichtlich schon wieder verflüchtigt hatte. Während er zahlte, stand sie auf und strich sich wie beiläufig ihren Dirndlrock über den Hüften glatt, um ihn weiter zu necken. »Danke für die Einladung.«

      »Kann