Roger D. Nelson

Der Welt-Geist


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Welt-Geist nennen.

      Jeder einzelne Zufallsgenerator war ein autark funktionierendes System. Wir entwickelten kurzfristig für das Begräbnis ein klares Protokoll, wie wir messen und vorgehen werden. Es war ein spontaner Versuch, der an diesem 6. September 1997 stattfinden sollte.

      Während die ganze Welt gebannt auf den Kensington Palast, den Trauerzug, angeführt von Dianas Söhnen, die Westminster Abbey, die berührende Messe und auf Sir Elton John, als er »Goodbye England’s Rose« sang, blickte, zeichneten wir die stabilen, aber nicht vorhersehbaren Sequenzen von Nullen und Einsen mit unseren Zufallsgeneratoren auf.

      Milliarden Menschen synchronisierten ihre Gefühle

      Das Resultat war eindeutig und präzise messbar: Es erfolgte eine deutliche Abweichung von den zu erwartenden Normwerten.

      Die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis nur Zufall war, lag bei 100 zu 1.

      Die Maschinen lieferten keine Zufallszahlen mehr: Es trat eine unheimliche Ordnung ein, nicht nur bei uns in Princeton, sondern bei allen Außenstationen, wo Zufallsgeneratoren liefen.

      Milliarden Menschen kamen in einem gemeinsamen Moment der Trauer zusammen, und ihre Gefühle, ihr Respekt und ihre Anteilnahme synchronisierten sich. In diesem Moment veränderten sie mit ihren Gedanken und ihrem Mitgefühl die physische, reale Welt in subtiler, feiner Weise. Diese Veränderung war keine Vermutung mehr, sondern mit wissenschaftlichen Methoden messbar.

      Wir kontaktierten danach Wissenschaftler und Forscher auf der ganzen Welt, die mit Zufallsgeneratoren arbeiteten und von denen wir annahmen, dass sie Interesse an der Teilnahme an einem globalen Netzwerk zur Erforschung des Bewusstseins haben könnten. Sie sollten unsere Außenstationen werden, die mit speziell von uns entwickelter Software und professionellen, hochsensiblen Zufallsgeneratoren künftig rund um die Uhr Aufzeichnungen machen und Daten generieren würden. Die Zufallsfolgen aus aller Welt würden dann ständig zum zentralen Server an der Princeton University überspielt werden. Wir würden dafür sorgen, dass die Generatoren aller Messlabore weltweit weder korrelierten noch durch das Internet verbunden waren oder sonst in irgendeiner Weise miteinander kommunizieren konnten. Das war die Idee.

      Daraus entstand innerhalb von nur zwei Monaten ein globales Projekt zur Erforschung des Bewusstseins. Bei einem Treffen von Neurophysiologen, Psychiatern und anderen Wissenschaftlern in Freiburg, Deutschland, Ende 1997 stellte ich das Global Consciousness Project erstmals vor.

      Heute sind über hundert Experten, darunter viele Wissenschaftler, in das Projekt eingebunden und liefern rund um die Uhr Datenmaterial, das in Princeton ausgewertet wird.

      Bei Dianas Tod wurde mir erstmals bewusst: Wir sind tatsächlich alle miteinander verbunden. Nicht nur bei globalen Ereignissen, sondern immer, jeden einzelnen Tag. Es gibt ein Band zwischen uns Menschen, eine Verbindung auf einer Ebene, bei deren Erforschung wir gerade erst am Anfang stehen.

      Aber dass dieses Band existiert – daran gibt es keinen Zweifel mehr.

      DAS GLOBALE BEWUSSTSEIN

      Die wissenschaftliche Erforschung des Unerklärlichen

      Wir sind alle miteinander verbunden

      »Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.«

      – Albert Einstein

      John Hamm1 war ein trainierter junger Mann Anfang dreißig mit dunklem, anliegendem Haar, der seinen Abschluss in Princeton machte und sich bei uns als Testperson für eine neue Versuchsreihe bewarb. Er stammte aus Wisconsin und fand unsere Forschung spannend. Nun saß er in unserem REG Room des PEAR Labors im Erdgeschoss der Princeton University, einem rund 16 Quadratmeter großen Raum, dessen Wände mit dunklem Holz verkleidet waren und der die Atmosphäre eines gemütlichen Wohnzimmers ausstrahlte. In der Ecke stand eine große Indianertrommel, daneben ein Keramikfrosch, an der Wand hing das überdimensionale Bild einer Birne, und in der Mitte stand dieser komfortable orangene Stuhl, den wir Comforto nannten, in dem es sich John bequem machte. Ein Innenarchitekt hatte ihn dem PEAR gespendet. Er meinte, ein Labor, das das Unerklärliche erklären möchte, brauche eine auffällige Einrichtung.

      John war Teil unserer Versuchsreihe Precognitive Remote Perception, vorausahnende Fernwahrnehmung. Diese Experimente bestanden aus zwei Personen: einem Percipient oder Empfänger, der die Wahrnehmung haben und beschreiben sollte, und einem Agenten, der erst in der Zukunft – meist ein, zwei Tage später – diese Situation erleben sollte. Das heißt, John sollte beschreiben, was ein anderer zwei Tage später erleben wird. Es war wie ein Blick in die Zukunft. Kann so etwas möglich sein?

      Ich erklärte John seine Aufgabe. »Lehn dich zurück, entspanne dich, schließe deine Augen. Denke an den Menschen, der diese Szene erleben soll. Versuche nicht krampfhaft dir Details zu merken, lass einfach das, was passiert, in dein Bewusstsein fließen. Sei offen für Bilder, Farben, Gerüche. Versuche nichts zu deuten, sondern lass es einfach fließen und beschreibe es.«

      John lehnte sich zurück, ich schaltete den Recorder ein, um ihn aufzunehmen und verließ den Raum. Einige Minuten passierte nichts, doch dann erzählte er: »Ich sehe eine Art Kreis wie ein Karussell oder einen Aussichtspunkt. Ein großes rundes Ding. Es ist rund an seinen Enden wie eine Scheibe. Es ist sehr hoch. Ich sehe darunter auch Wasser, dann etwas wie einen Zaun. Stufen führen nach oben wie ein Pfad. Und da ist wieder etwas wie ein Zaun. Menschen gehen entlang. Da sind vertikale Linien entlang diesem Weg. Ich sehe kleine Boote und Docks …« John beschrieb bildhaft eine Szene, die er gerade zu erleben schien.

      Das Besondere an dieser Art von Experimenten war, dass sie etwas beschreiben sollten, was erst in der Zukunft von jemandem gesehen und erlebt wird, der zum Zeitpunkt des Experiments noch nicht einmal davon weiß.

      Er beschrieb eine 6.922 Kilometer entfernte Szene, die erst zwei Tage später passieren sollte

      Der Agent in diesem Fall war ein Mitarbeiter des PEAR, Alan Murphy2, der am kommenden Tag mit einem Kollegen nach Europa fliegen sollte, um einen Vortrag auf einer Konferenz zu halten. Alan wusste nichts von Johns Beschreibung und bekam erst am Abflugtag von uns den Auftrag, an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit eine Szene für ein Precognitive Remote Perception-Experiment in Europa auszusuchen und zu beschreiben. Alan flog nach Bratislava, heute Hauptstadt der Slowakei und exakt 6.922 Kilometer von Princeton entfernt. Als Alan und sein Kollege Frank* in Bratislava ankamen, fuhren sie über die Brücke des Slowakischen Nationalaufstandes, auch Neue Brücke genannt: »Das wäre perfekt für unser Experiment«, sagte Alan. »Es ist nahe an der Zeit, wo ich den Versuch machen soll, und ich denke, das ist ein perfektes Ziel.« Die Schrägseilbrücke über die Donau hat eine Spannweite von 303 Metern, die Gesamtlänge beträgt 430 Meter. Das Besondere an der Brücke: Sie hat an einem Ende einen Aussichtsturm, wegen seiner Scheibenform UFO genannt, und in 85 Meter Höhe befindet sich ein rundes, völlig verglastes Restaurant mit einem atemberaubenden Blick auf die Stadt. 430 Stiegen führen – neben einem Aufzug – nach oben.

      Was John Hamm zwei Tage zuvor bei unserem Experiment im PEAR beschrieb, erlebte Alan – der nichts von John Hamms Beschreibung wusste – zwei Tage später in Bratislava tatsächlich. Wer sich Bilder der Neuen Brücke ansieht und sie mit Johns Beschreibung vergleicht, erlebt die exakte Schilderung dessen, was unser Agent Alan erst zwei Tage später am anderen Ende der Welt erleben sollte.

      »Konnten sich die beiden nicht abstimmen?«, werden Sie sich jetzt fragen. Nein, sie kannten einander zwar, Alan wusste aber nur die Zeit, zu der er ein Ziel aussuchen sollte, wo auch immer er zu diesem Zeitpunkt sein mochte. John wusste, dass Alan reiste, kannte aber weder sein Ziel noch das Programm der Reise oder die Route. Wir hatten für Versuche dieser Art wie generell für jedes Experiment strenge wissenschaftliche Protokolle.

      Der Agent musste bei der Szene, die er beschrieb, eine binäre Liste ausfüllen, durch die wir dreißig Elemente abfragten, ob diese in der Szene vorhanden waren oder nicht. Der Empfänger wiederum musste einerseits die Szene bestmöglich in erzählerischer Form beschreiben,