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man, dass das Wachstumshormon ausgeschüttet wird.

      Der Idealzustand ist derselbe wie vor einer Operation: niedriger Glucosespiegel, kein Insulin, aber eine Hochproduktion des Wachstumshormons.

      Das Wachstumshormon bloß in seiner wörtlichen Bedeutung zu verstehen, ist ein bisschen zu kurz gedacht. Es hilft nicht nur beim Wachsen, es ist auch für die Zellregeneration verantwortlich und damit ein körpereigener Jungbrunnen. In Amerika wird es als Anti-Aging-Wundermittel in teuren Kliniken zur Verjüngung eingesetzt. Oder zum Abnehmen. Alle zwei Tage eine Injektion, natürlich unter ärztlicher Aufsicht, und man hat vielleicht dreißig Kilo weniger.

      Punkt drei: Cannabis. Der Mensch verfügt über ein endocannabinoides System, das körpereigenes Morphium produziert, wir tragen also eine eigene Quelle des Haschischwirkstoffs in uns. Ihm haben wir den Appetit zu verdanken, die Freude am Essen. Weil die Bildung dieser Cannabinoide mit dem Östrogenspiegel zusammenhängt, und sie daher nachts reduziert werden, hat man ab dem Abend weniger Lust zu essen. So hat es die Evolution vorbereitet.

      So empfinden wir es allerdings heute oft nicht mehr. Und zwar deshalb, weil wir langfristig gegen den circadianen Rhythmus arbeiten, dem auch die Produktion dieser inneren Haschischwirkstoffe unterliegt. Isst man oft spät oder überhaupt mitten in der Nacht, induziert man die jetzt schlafenden Cannabinoide und ruft damit Geister wach, die man nicht wieder loswird. Körpereigenes Cannabis ist unersättlich, es macht nicht nur lange Zähne auf Pommes frites, Currywurst, Schokolade oder Chips, es möchte vor allem immer mehr und mehr davon. Man züchtet sich den Heißhunger selbst an und muss schließlich in der Nacht essen.

      Unsere körpereigenen Cannabinoide sind vor allem verrückt nach Fettigem. Kennt man ihre Herkunft, weiß man, warum. Gebildet werden die Endocannabinoide nämlich nach besonders fettem Essen im Dünndarm. In einer Art Rückkoppelung können sie dann nicht genug davon kriegen und fördern die Lust auf noch mehr fettes Essen.

      An sich ist diese Prozedur reines Tagwerk. Beginnt man gar nicht erst mit der nächtlichen Nascherei, ist nachts Ruhe. Sträubt man sich gegen die Chronobiologie und gewöhnt es sich an, in der Nacht den Kühlschrank zu plündern, kaut man ewig auf seiner eigenen Disziplinlosigkeit herum.

      Dazu kommt, dass schon im Mund Geschmackssignale aktiviert werden, die dem Darm und dem Gehirn melden, dass jetzt die Freisetzung der Endocannabinoide angesagt ist. Hedonisten nennen das Vorfreude. Für die Wissenschaft sind diese Signale im Mund Auslöser eines bestimmten Ablaufs und damit interessante Ansatzpunkte.

      Es gab einen Versuch, die Mundsignale zu blockieren und damit die Ausschüttung der Endocannabinoide herunterzuschrauben. Das Medikament, das den Rezeptor blockierte, hieß Acomplia, hatte aber so viele Nebenwirkungen, dass es nur zwei Jahre lang auf dem Markt war. 2008 wurde es eingezogen.

      Da ist es sinnvoller, beim Schlaf anzusetzen. Einmal ganz abgesehen davon, dass man nicht isst, wenn man schläft, und Schlaf damit die natürlichste Methode gegen übermäßiges Essen ist. An der University of Chicago fand ein Forscherteam heraus, was Schlafmangel alles bewirkt.

      Schläft man nicht, reißt man damit auch die Endocannabinoide aus der Nachtruhe. An sich ein sehr fürsorglicher Mechanismus: Schläft der Mensch nicht zu einer Zeit, in der er sich ausruhen sollte, dann vermutet der Körper, dass es sich bei dieser Extravaganz um Nachtarbeit handelt, um etwas Wichtiges, Dringendes, das aus einem unerfindlichen Grund nur jetzt getan werden kann. Der Körper reagiert sofort. Er glaubt, er muss sich bei Kräften halten und rüttelt die Cannabinoide auf, um für Appetit zu sorgen, damit der wache Mensch bei seiner wichtigen Arbeit in der Nacht nicht vom Fleisch fällt.

      Fein, könnte man sich jetzt denken, dann gleiche ich das Schlafdefizit aus, indem ich bis Mittag im Bett bleibe. Tja, auch das ist ein Irrtum, und damit schließt sich der Kreis: Versäumten Nachtschlaf nachzuholen, geht nämlich ebenso wenig wie Breakfast-Skipping. Und es wird noch interessanter: Sogar die Fernsehabende machen dick.

      Es funktioniert nach demselben Prinzip. Sitzt man vor dem Fernseher, dann sinkt der Melatonin-Spiegel. Das Schlafhormon, das bei Dunkelheit ausgeschüttet wird, damit man müde wird, lässt sich durch das blaue Licht des Fernsehers oder Computers täuschen. Es glaubt, dass noch Tag ist, und dämmert weiter vor sich hin. Bei Frauen wirkt der Melatonin-Killer blaues Licht über das Melatonin übrigens noch viel stärker. Geht man dann ins Bett, macht sich der niedrige Melatonin-Spiegel bemerkbar. Man kommt nicht zur Ruhe, kann nicht ordentlich schlafen, fabriziert ein Schlafdefizit, und schon steigen die Endocannabinoide an.

      Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn man lange arbeitet, sich dann noch einen Film anschaut und später den Kühlschrank plündert.

      Intervallfasten ist also kein zeitloses Vergnügen. Will man etwas damit bewirken, kann man nicht einfach irgendwann draufloshungern. Es ist eine schwierigere Übung, als man annimmt. Und sie hat nur in gewissem Maße mit Magen, Darm und Bauch zu tun. Das eigentliche Hauptquartier des Hungers ist das Gehirn. Dort sitzt die Steuerungszentrale für das Abnehmen, die uns jede Art von Nicht-Essen so schwer macht. Denn von dort kommt das Dopamin. Jenes Glückshormon, das die Evolution dafür vorgesehen hat, uns verlässlich und ausgiebig dafür zu belohnen, dass wir dem Körper geben, was er braucht: Nahrung, um nicht zu verhungern.

      Das Zeitalter des Dopamins

      Die Last der Belohnung

      Übergewicht ist nicht bloß das Problem einzelner Individuen. Übergewicht ist eine Epidemie. Es ist die neue Cholera.

      Die gewichtige Feststellung stammt nicht von mir, sie ist aus dem Editorial des New England Journal of Medicine. Schaut man sich die Statistiken und die globale Verbreitung der überschüssigen Kilos an, erscheint der Vergleich nicht übertrieben. Was die Fettleibigkeit betrifft, liegen vor allem die USA und Saudi-Arabien im tiefroten Bereich.

      Bei einem Kongress berichtete Professor Gerhard Prager, eine international gefragte Kapazität in Sachen Adipositas am Wiener AKH, von einem seiner schwersten Fälle, die längst keinen Seltenheitswert mehr haben. Prager ist Spezialist für Magen-Bypass-Operationen, die letzte Möglichkeit, extremer Fettleibigkeit beizukommen. Sein Patient kam aus Saudi-Arabien und musste mit einem Militärflugzeug eingeflogen werden. Anders hätten seine zweihundert Kilo nicht transportiert werden können. Der Mann war nicht mehr imstande zu gehen. Er musste liegend, samt Bett, ins Flugzeug geschoben, von dort von einem Spezialtransport zum AKH gefahren und, immer noch im selben Bett, ins Krankenzimmer gerollt werden. Auf diesem Bett musste der Professor ihn auch operieren, für einen OP-Tisch war der Patient zu fett.

      Bislang waren die Amerikaner im Spitzenfeld der schwersten Menschen der Welt, jetzt hat Saudi-Arabien sie überholt. Der Abstand zu Österreich oder Deutschland wird stetig dünner. Menschen mit Übergewicht sind längst in der Mehrheit. In den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren stieg die Zahl so verlässlich wie rapide an. Gerade dieser Tage wurde eine Statistik veröffentlicht, nach der siebzig Prozent der Volksschüler zu dick sind. 70 Prozent!

      Die Frage ist also:

      Warum ist man gerade in den reichsten Ländern dieser Erde gewichtsmäßig so arm dran?

      Meine Antwort darauf lautet:

      Weil wir in einem dopaminergen Zeitalter leben.

      Was immer wir tun, das im weitesten Sinn dem Überleben und der Erhaltung der Art dienen kann, es wird auf jeden Fall einmal Dopamin ausgeschüttet. Sex, Essen, Trinken und was sonst noch dazu beiträgt, die Menschheit nicht aussterben zu lassen, alles wird mit dem Glückshormon belohnt, damit wir ja nicht auf die Idee kommen, damit aufzuhören. Das hat sich die Evolution genial ausgedacht.

      Allerdings hat sie nicht damit gerechnet, dass wir jemals in so einem Überfluss leben würden wie heute. Sonst hätte die Natur dem Dopamin beigebracht, wann genug auch einmal genug ist. Diese Grenze kennt das Glückshormon nicht, und es wird sie auch nie erreichen. Es will mehr. Immer mehr. Mehr. Und mehr.

      Wir haben nicht bloß arterhaltenden Sex, wir treiben es, wie es uns gefällt. Wir essen nicht mehr nur, was der Körper braucht, wir stopfen alles in uns hinein, ob es uns guttut oder nicht. Wir trinken nicht, wir saufen. Wir wollen uns nicht