Bernd Schmid

Systemisches Coaching


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um Menschen für Symbioseaspekte zu sensibilisieren. Man kann auch darüber nachdenken, wie man durch Kommunikation autonomes Verhalten in einer Weise fördern kann, dass Menschen ihre Verantwortung wahrnehmen und Beziehungen aus ihrer Verantwortung heraus gestalten.

      Um das zu leisten, müssen wir als Berater einerseits Vorstellungen davon entwickeln, was eine angemessene Potenzialaktivierung wäre: Wer müsste in einer gegebenen Situation, in welcher Rolle, bezogen worauf, welches Potenzial entwickeln?

      Andererseits brauchen wir Vorstellungen davon, was wessen Verantwortung wäre: Wer muss sich welcher Art von Fragen stellen? Und wer ist für Antworten zuständig bzw. wird an welcher Art von Antworten gemessen?

      Anhand dieser Vorstellungen können wir dann studieren, wie es kommt, dass Menschen versuchen, eine Verantwortung nicht wahrzunehmen, die die ihre ist oder aber eine Verantwortung wahrzunehmen, die nicht die ihre ist. Wir können fragen: Welche Fehlvorstellungen machen sie sich über Verantwortungen, die nicht die ihren sind und in welchen Verantwortungen, welche die ihre wären, bewähren sie sich nicht?

      Was man also schulen kann, ist die Fähigkeit, durch Kommunikation in Verantwortung einzuladen. Man kann qualifiziert nein sagen und qualifiziert einfordern. Dabei ist es erstaunlich zu beobachten, wie sich Menschen auch fordern lassen, wenn sie qualifiziert gefordert werden.

      Dazu ein Beispiel:

      Der Chef einer Personalentwicklungsabteilung sagt zu einem Mitarbeiter: »Machen Sie mit jener Abteilung mal eine Teamentwicklung, die brauchen etwas von uns.« Jetzt könnte der Mitarbeiter der Meinung sein, dass mit dieser Maßnahme das anstehende Problem nicht zu lösen ist, sondern eher verhindert wird, dass die Mitarbeiter das Notwendige tun. Aber anstatt zu sagen: »Ich mache das nicht, weil ich das nicht einsehe«, könnte er sagen: »Ich aus meiner Perspektive glaube, das und das müsste geschehen. Wenn Sie sich jetzt etwas anderes vorstellen, würde ich gerne verstehen, welches Problem Sie damit lösen wollen.« Oder: »Ich sehe die und die Nebenwirkungen, wenn man es so macht, wie Sie es vorschlagen, sehen Sie die auch? Wie schätzen Sie die ein? Glauben Sie, es gibt auch Lösungen ohne derartige Nebenwirkungen?«

      Bei dieser Art von Interventionen geht es darum, freundlich vieles im Kleinen zu tun, ohne einen großen Konflikt zu provozieren. Oft ist es sinnvoll, sich nicht zu weigern, eine unsinnige Anweisung zu befolgen, dabei aber deutlich zu machen, dass der Anweisende die Folgen zu verantworten hat. Das hindert viele Vorgesetzte daran, etwas, das sie selbst nicht verantworten wollen, einem anderen Menschen zuzumuten.

      Andererseits kann ein Chef einen Mitarbeiter, der in symbiotisches Verhalten einlädt, wirksam in verantwortliches Verhalten einladen, indem er ihm eindeutige Anweisungen gibt und ihm klare Erwartungen mitteilt. Häufig verweigert ein Vorgesetzter aus einer fehlplatzierten Idee darüber, wie sich ein autonomer Mitarbeiter verhalten müsste, die angemessene Formulierung seiner Erwartungen. Man trifft oft auf die Einstellung: »Ich sage dem lieber nicht genau, was ich von ihm erwarte, sonst muss ich wieder den Hund zum Jagen tragen.«

      3.5 Schuld und Würde

      In Unternehmen können also nicht nur Führungskräfte, sondern alle Arbeitnehmer Verantwortung für die Minderung von Symbioseaspekten übernehmen. Der Widerstand gegen ausbeuterische Verhältnisse wird allerdings oft durch Bestechung, Nötigung oder Bedrohung gemindert. Auch Verwöhnungsdynamiken können in Unternehmen zum Problem werden. Nicht weil es den Arbeitnehmern gut geht, sondern weil sie ihre Motivation und ihre Kraft verlieren, symbiotische Abhängigkeiten zu konfrontieren. Sie sind nicht bereit, die symbiotischen Gewinne für die eigene Würde und Autonomie aufzugeben.

      Um die eigene Autonomie zu wahren oder zurückzugewinnen, muss man bereit sein, Symbiosegewinne aufs Spiel zu setzen. Viele Menschen machen sich da ein selbstgezimmertes Gefängnis. Sie sagen: »Ich kann nicht anders«, obwohl sie eigentlich sagen müssten: »Natürlich kann ich anders, aber ich bin nicht bereit, den Preis zu zahlen.« Ein solches Eingeständnis gibt ein Gefühl von Würde, denn schon das Anerkennen von Mitschuld kann ein wesentlicher Schritt zu persönlicher Verantwortung und Würde sein.

      Wenn jemand an etwas nicht schuld sein möchte, was er zu verantworten hätte, ist das ein erbärmlicher Vorgang. Auch hier gibt es Verzweiflungsfallen: Je mehr jemand weiß, dass er etwas schuldig bleibt, um so mehr sucht er danach, was andere ihm schulden und kämpft darum. Manche Menschen fühlen sich dann regelrecht erlöst, wenn sie irgendwann sagen:

      »Das wäre meine Verantwortung gewesen. Das war meine Sache und ich habe es nicht getan.«

      Manche Mächtige halten symbiotische Verhältnisse aus Berechnung aufrecht. Das führt dann zu sozialer Ungerechtigkeit und Schuld. Auf irgendeine Weise wissen sie aber im Inneren, dass sie ihre Verantwortung nicht tragen. Was die meisten allerdings nicht wissen ist, dass sie es büßen müssen. Es stiehlt ihnen die Würde. Sie versuchen dann die verlorene Würde durch noch mehr Einfluss, den sie wieder nicht verantworten und durch noch mehr Gratifikationen und Größenvorstellungen zu kompensieren; sie bleiben dabei aber kläglich. Häufig ist das Einzige, womit man diese Menschen erreichen kann, ihnen zu sagen: »Seine Verantwortung wahrzunehmen ist eine Sache der Würde. Man bekommt nicht später die Bestrafung – die Bestrafung liegt unmittelbar in einem schleichenden Verlust der Würde. Es zehrt am eigenen Stolz und am eigenen Selbstverständnis.« Ähnliches gilt analog für die schwächer erscheinenden Positionen in symbiotischen Beziehungen.

      Vieles was in unseren Organisationen im Argen liegt, hat mit einer weitreichenden Erosion von Verantwortung zu tun und damit, dass die Inanspruchnahme von Verantwortlichkeit unterbleibt oder Unverantwortlichkeit nur mangelhaft konfrontiert wird. Diesbezüglich herrscht in vielen Unternehmen eine marode Kultur. Deshalb ist es so wichtig, in Unternehmen kommunikative, wie institutionelle Figuren einzuführen, über die eine Verantwortungskultur sinnvoll etabliert werden kann.

      Aber natürlich hat das auch seine Grenzen. Unsere Gesellschaft ist ausbeuterisch angelegt. Und jeder von uns tut etwas dazu, ausbeuterische Beziehungen anzulegen oder sie zu akzeptieren, weil sie uns in eine relativ privilegierte Position bringen. Das sollten wir bei allem realistisch sehen und keinen Unschuldsmythos entwickeln.

      1 Unter Mitarbeit von Sabine Caspari

      4. ZWICKMÜHLEN ODER: WEGE AUS DEM DILEMMAZIRKEL 1

      Man soll nicht hoffen, ohne zu zweifeln und nicht zweifeln, ohne zu hoffen

      Seneca

      Wenn sich in Therapien trotz vielfältiger Bemühungen Konflikte nicht lösen oder wieder und wieder vorgetragen werden, kann es daran liegen, dass eine Zwickmühlen-Konstellation unentdeckt blieb. Im Prozess wechselt der Klient ab zwischen Verleugnen, Kämpfen (sich Abstrampeln, verbissen Durchhalten), Resignieren und Verzweifeln, doch scheint kein Ausweg in Sicht oder begehbar.

      Eric Berne (1964, siehe Lit. Kap. 4, 1) beschreibt in Games People Play ein corner-game (dt. Zwickmühlen-Spiel) als ein Ehespiel, das zum Ziel hat, Intimität zu vermeiden, indem Situationen ohne gute Lösungen zwischen den Partnern inszeniert werden. Allerdings weist Berne auch auf den Dilemmatyp dieses Spiels hin und erwähnt, dass dieses Spiel als Familienspiel gespielt wird. Ebenfalls erwähnt er, dass corner-games bei Asthma eine Rolle spielen. Der Dilemmatyp des corner-game entspricht etwa dem, was wir im Folgenden Zwickmühle nennen. Wir sehen das Erleben und Gestalten von Zwickmühlen mehrschichtig und vielfältig und gehen mit den im Folgenden von uns vorgestellten Gedanken über die Spielanalyse hinaus.

      Obwohl es nahe läge, die Bezüge zu TA-Begriffen und -Konzepten, wie z.B. zur Engpass-Theorie herzustellen und zu diskutieren, tun wir dies hier noch nicht, da wir uns in einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen Begriffen und Konzepten befinden, die wir nicht unberücksichtigt lassen könnten, die aber andererseits hier zu viel Raum einnehmen würde.

      Wir untersuchen die Logik, die Dynamik und die Hintergründe von Zwickmühlen-Erleben und -Verhalten und zeigen Ansätze, die Knoten zu lösen und damit Entwicklung zu entbinden.

      Psychotherapeutisch arbeiten heißt in diesem Kontext für uns, dem Klienten Erleben zugänglich zu machen, mit dem er einschränkende,