J.J. PREYER

Rosmarie Weichsler und das Lächeln des Teufels


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      J. J. Preyer

      ROSMARIE WEICHSLER

      und das Lächeln des Teufels

      Kriminalroman

      ENNSTHALER VERLAG STEYR

      Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen und realen Handlungen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

      www.ennsthaler.at

      1. Auflage 2014

      ISBN 978-3-7095-0040-8 (EPUB)

      J. J. Preyer

      Rosmarie Weichsler und das Lächeln des Teufels

      Alle Rechte vorbehalten

      Copyright © 2013 by Ennsthaler Verlag, Steyr

      Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Österreich

      Satz & Umschlaggestaltung: Thomas Traxl

      Bildnachweis Titelbild: Elisanth – fotolia.de

       Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler. Sie treten auf und gehen wieder ab, sein Leben lang spielt jeder manche Rollen.

      Shakespeare

      (übersetzt von August Wilhelm Schlegel)

      1. DAS LÄCHELN DES TEUFELS

      »Du siehst aus wie eine Rose, Rosmarie«, schmeichelte Herbert Frühauf seiner festlich herausgemachten Begleiterin.

      Für Rosa Weichsler war der Vergleich nachvollziehbar. Das ihrer Augenfarbe entsprechende grüne Satinkleid, das sie trug und ihr rotes Haar verleiteten zugegebener Maßen zu diesem poetischen Bild. Sie selbst allerdings, hätte sie die Wahl gehabt, hätte die Paeonia officinalis gewählt. Rosa Weichsler war wie die Pfingstrose nicht eben die Fragilste. Sie strotzte von Leben und Energie und wog, wie sie fand, um mindestens zehn Kilo zu viel für ihre bescheidene Größe. Sie reichte dem 1,76 Meter großen Chefinspektor bis zu den Schultern.

      »Ja, ein perfekter Abend«, lenkte Rosa Weichsler vom Kompliment ihres Begleiters ab, als sie die Treppe in den Schlossgraben hinunterstiegen. Es war Viertel vor acht und noch hell. Die auf einem Podium aufgestellten Stühle waren zum Großteil schon besetzt.

      Herbert Frühauf steuerte auf die zweite Reihe zu. Als Chefinspektor der Steyrer Bundespolizeidirektion hatte er exzellente Freikarten erhalten.

      »Ein wunderschöner Abend, fast so schön wie du«, ließ er sich im Lob nicht beirren und verfehlte die Wirkung nicht. Ein rosaroter Hauch der Verlegenheit legte sich auf Rosa Weichslers runde Wangen.

      Wieder wollte sie die abgehobene Stimmung etwas dämpfen, indem sie nach den Dornen der Rose fragte, doch Herbert Frühauf hatte das überhört oder wollte es nicht hören. Er war anderweitig beschäftigt.

      Die zweite Reihe war bereits voll besetzt, bis auf die zwei für Frühauf und Rosa bestimmten Stühle in der Mitte. Der Chefinspektor, der voranging, entschuldigte sich bei allen, die aufstehen mussten, grüßte mit einer leichten Verbeugung. Mit einem Wort: Der Mann wusste, was sich schickte. Und Rosa Weichsler wusste, warum er das wusste. Seine Mutter hatte ihm schon in frühen Jahren, als die beiden ein Abonnement im Stadttheater hatten, beigebracht, dass man bei solchen Gelegenheiten den sich Erhebenden auf gar keinen Fall den Rücken zuwenden dürfe. Liliane Frühauf hatte in diesem Zusammenhang etwas drastischer von Hintern gesprochen. Der gebildete Theaterbesucher schaute den Leuten, die seinetwegen aufstehen mussten, ins Gesicht. Und entschuldigte sich.

      Rosa Weichsler fühlte sich beim Anblick ihres Freundes, in all seiner tapsigen Gutmütigkeit, an einen Bernhardiner erinnert. Ein Bernhardiner, der zu diesem Theaterabend geputzt und gestriegelt, in einem perfekt aufgebügelten schwarzen Anzug erschienen war. Am linken Revers seines Sakkos trug er wie immer die weiße Perle, die auf seine Mitgliedschaft beim Gesellschaftsverein Schlaraffia verwies.

      Wie es sich gehörte, nahm Herbert Frühauf erst Platz, nachdem seine Begleiterin sich niedergesetzt hatte, an ihrer linken Seite, selbstredend. Dann reichte er ihr ein Programm für die Aufführung von Hugo von Hofmannsthals Mysterienspiel Jedermann.

      Es war so warm bei dieser Freiluftaufführung im Graben des Steyrer Schlosses, dass Rosa Weichsler die mitgebrachte weiße Strickjacke nicht trug, sondern als Kissen auf den harten Kunststoffsessel legte.

      »Ich bin gespannt auf die beiden«, flüsterte sie dem Chefinspektor zu. Sie hatte die Stimme gesenkt, obwohl die Vorstellung noch nicht begonnen hatte.

      »Es wird ein schöner Abend werden, Rosmarie«, gab sich Frühauf zuversichtlich und weckte damit Rosa Weichslers Misstrauen.

      Frühauf hatte sich schon oft getäuscht. Wenn man sich ehrlich war, eigentlich immer. Er war berühmt für seine Fehleinschätzungen in privaten sowie dienstlichen Belangen. Rosa Weichslers scharfer Verstand und ihre Intuition hatten ihn vor allerlei Blamagen bewahrt. Ein Umstand, der die beiden in Freundschaft verband. Sie liebte seine brummige Tapsigkeit, er ihr detektivisches Talent.

      Und in all den Jahren, in denen sie sozusagen zusammenarbeiteten, war er nie hinter Rosa Weichslers großes Geheimnis gekommen. Sie schmunzelte, als sie daran dachte. Und er würde es auch nicht. Niemals.

      Vom schmalen Glockenturm des Schlosses Lamberg schlug die Uhr achtmal, ein Trompetensignal erklang, und der Intendant der Sommerspiele betrat die Bühne.

      Nur wenige der an die 250 Zuschauer applaudierten, der Mann verbeugte sich überschwänglich und begrüßte den Bürgermeister in der Reihe vor Rosa Weichsler und Herbert Frühauf, den Leiter des Kulturamtes der Stadt sowie deren Gemahlinnen, wie er sich ausdrückte.

      »Ein schmieriger Typ«, zischte Rosa Weichsler dem Chefinspektor zu. Dieser nickte stumm und dachte vermutlich an die Dornen seiner Rose. Er selbst wollte die feierliche Stimmung des Abends nicht durch böse Worte stören.

      Die Rede, zu der Siegfried Hagen, der in Rosmarie Weichslers Augen einem Schweinshund glich – als solche pflegte sie die Bullterrier zu bezeichnen – angehoben hatte, nahm kein Ende. Der Mann liebte es, auf der Bühne zu stehen. Das Selbstlob, in dem er sich suhlte – wieder dachte Rosmarie Weichsler an den Schweinshund – reichte von der Gründung der Festspiele vor vierzehn Jahren bis zu seiner besonderen Freude, dass es ihm dieses Jahr gelungen war, zwei wirkliche Stars für die Festspiele zu gewinnen, und zwar Lou Marold für die Rolle der Buhlschaft und Roger Foltin für den Jedermann. Das Stück vom Sterben des reichen Mannes hatte er selbst ausgesucht, weil es wichtig sei, in wirtschaftlich bewegten Zeiten darauf hinzuweisen, dass Geld nicht alles sei im Leben der Menschen, dass es daneben noch Werte wie Liebe, Freundschaft, Solidarität und Familie gebe. In diesem Zusammenhang begrüßte er seine Frau Anita und die Kinder Christa und Christian, die ebenfalls in der ersten Reihe Platz gefunden hatten.

      »Magersüchtige Ziege«, zischte Rosa Weichsler und meinte damit Hagens Frau.

      »Auch wenn der Mammon, wie es in Hofmannsthals Drama heißt, nicht alles bedeutet«, gab sich der Intendant weihevoll, »im Leben der Menschen«, fand er, »lässt sich seine Bedeutung nicht verleugnen. Aus diesem Grund möchte ich darauf hinweisen, dass die Aufführungen des Jedermann im Steyrer Schlossgraben und bei Schlechtwetter im Alten Theater … aber glücklicherweise haben wir heute einen wunderbaren milden Sommerabend …« An dieser Stelle blickte der Intendant etwas verloren ins Publikum. Er hatte den Faden verloren, aber seine Frau erwies sich als exzellente Souffleuse.

      »Bank«, rief sie ihrem Gatten zu.

      »Ja, natürlich«, nahm dieser den Hinweis auf. »Ich danke der Stadtgemeinde Steyr für die Finanzierung der Aufführungen und der Sparkasse der Stadt, die unser größter Sponsor ist.«

      »Und die Eintrittskarten sind auch nicht ganz billig«, sagte Rosa Weichsler zu Frühauf, der ihr verschwiegen hatte, dass er die Karten gratis erhalten hatte.

      »Hugo von Hofmannsthal lebte von 1874 bis 1929. Er …«

      An dieser Stelle von Siegfried Hagens Rede begann jemand zu applaudieren, und immer mehr Zuschauer schlossen sich ihm an, bis der tosende Beifall