die Frauen zuständig.«
»Und was sagen Ihnen die Karten?«, wollte Marie Weichsler wissen.
»Mehr als mein Verstand. Die Karten deuten auf einen Zwiespalt hin. Noch bin ich mir nicht im Klaren, was genau es bedeutet, aber ich arbeite daran.«
»Gut, dann lassen wir uns überraschen, was die beiden Gro-ßen sagen. Entschuldige, Herta. Wie gedankenlos von mir. Ich meine die beiden Stars. Von ihnen hängt wohl alles ab.«
»Sie meinen Marold-Foltin«, schaltete sich Marie Weichsler wieder in das Gespräch ein.
»Alles tanzt nach ihrer Pfeife. Nur dass jetzt ein Totentanz daraus geworden ist.« Die Stimme von Nella Steiner-Optresal klang verbittert. »Kommst du mit, Herta?«, wandte sich die Schauspielerin des Linzer Landestheaters an die Souffleuse.
»Einen Augenblick noch«, bat die Kleingewachsene.
»Ich geh inzwischen voraus.«
Nach Nella Steiner-Optresals Abgang vertraute Herta Sonnleitner Marie Weichsler an, dass die Steinerin, wie sie sich ausdrückte, eigentlich über Hagens Tod froh sein müsste. Hagen hatte ihr und dem Ursprunger die großen Rollen weggenommen, die sie seit Jahren spielten und sie den Stars überlassen.
»Eine Demütigung für die beiden, die nun wirklich in die Jahre gekommen sind. Romeo und Julia könnten sie nur mehr in einer Parodie geben.«
»Für die Macbeths wären sie ideal«, fand Marie Weichsler.
»Sie glauben, dass sie die Mörder sind?«, fragte die Souffleuse.
»Welchen Grund hätten sie dafür? Die Hauptrollen sind und bleiben in anderer Hand. Rache vielleicht?«
»Möglich«, fand Herta Sonnleitner und blätterte weiter in den Frauenzeitschriften.
»Und das Tarot? Sie sprachen von einem Zwiespalt.«
»Ich habe, als ich gestern Nacht nach Hause kam, die Karten befragt und die Teufelskarte gezogen. Sie zeigt einen Zwiespalt an.«
»Zwischen Gut und Böse?«
»Nein. Aber das ist heikel. Ich muss mich erst näher damit befassen.«
Die Kleine bezahlte die drei von ihr gewählten Magazine, huschte bei der Tür hinaus und ließ Marie Weichsler ratlos und neugierig zurück.
Diese entschloss sich, ihre Schwester anzurufen und sie zu bitten, herauszufinden, was genau die Teufelskarte des Tarots zeigte.
»Im Internet, ja. Schau nach!«
Einige Zeit später kam der Anruf mit der gewünschten Auskunft: »Der Teufel sitzt auf einer Art Stein und wirkt ganz und gar nicht bedrohlich, obwohl er recht grimmig dreinschaut. Er hat Hörner, ist behaart. Irgendwie erinnert er mich an Herbert.«
»Frühauf hat keine Hörner und nichts Dämonisches«, verteidigte Marie den gemeinsamen Freund.
»Dieser Teufel auch nicht. Bemerkenswert ist allerdings … Warte einen Augenblick, ich muss zum Herd schauen. Damit die Knödel nicht aufgehen.«
Ein billiger Trick von Rosa, um ihren Recherchen Spannung zu verleihen. Billig und leicht zu durchschauen. Marie würde sich revanchieren.
»So, jetzt bin ich zurück«, meldete sich die Schwester.
»Du entschuldigst mich einen Augenblick. Die Trafik ist voller Leute. Ich ruf dich zurück, sobald es geht.«
Kein Mensch war im Geschäft. Um die Zeit zu überbrücken, nahm sich Marie eine Ausgabe der Tagespost vor und blätterte sie durch, dann tippte sie die Nummer ihres Hauses in die Tastatur des Telefons.
»Du findest etwas bemerkenswert auf der Karte.«
»So, habe ich das gesagt?«
Marie schwieg. Sie wollte ihrer Schwester keine Chance geben, das Hinhaltespiel fortzusetzen.
»Bist du noch dran?«
»Ja. Ich warte auf das Bemerkenswerte.«
»Also, vor dem Teufel, an den Stein angekettet, stehen ein Mann und eine Frau. Nackt.«
»Und der Zwiespalt?«
»Ich habe nichts von einem Zwiespalt gesagt.«
»Du hast Recht. Das war die Souffleuse.«
»Was könnte sie damit gemeint haben?«
»Das musst du sie selbst fragen.«
»Denk nach, Rosa!«
»Zwiespalt zwischen Mensch und Tier, vielleicht. Der Teufel hat Hörner, einen Schwanz, ist stark behaart. Seine Zehen sind eigentlich Klauen.«
»Und die Nackten?«
»Sie haben auch Schwänze.«
»Du meinst den Mann.«
»Auch die Frau.«
»Das versteh ich nicht.«
»Schwänze wie ein Hund, ein Pferd, die vom verlängerten Rücken ausgehen.«
»Ach so.«
»Ganz was anderes. Ich habe Papa eingeladen. Er liebt Marillenknödel. Und er hat Neuigkeiten.«
»Inwiefern.«
»Er hat eine Verabredung mit Herberts Mutter.«
»Nein!«
»Doch. Zwischen den beiden läuft etwas.«
3. UNTERWEGS MIT HERBERT
Der braune Großpudel, der Marie Weichsler überschwänglich begrüßte, als sie von der Garage in den Flur des Hauses trat, das sie mit ihrer Schwester bewohnte, hieß Herbert, wie der Chefinspektor.
Marie kraulte sein gelocktes Haar und gab ihm einen Kuss auf die lange, schlanke Schnauze, dann betrat sie die geräumige Küche, in der es nach gerösteten Semmelbröseln duftete, grüßte ihren Vater und die Schwester und nahm Platz am Esstisch.
»So kann nie etwas daraus werden«, setzte ihr Vater das Gespräch mit Rosa fort. »Und die Jüngsten seid ihr auch nicht mehr.«
»Sechsundvierzig«, sagte Marie.
»Wir sind zufrieden, wie es ist«, verteidigte sich Rosa vom Herd her.
»Womit sind wir zufrieden?«, erkundigte sich Marie.
»Mit Herbert.«
»Er ist ganz reizend. Sauber, folgsam und kuschelig.«
»Du meinst den Hund«, brummte der Vater. »Ich spreche von eurer merkwürdigen Beziehung zu Lilys Sohn.«
»Ach, du sprichst vom Chefinspektor.«
»Jawohl, das tue ich. Ihr müsst endlich dieses perverse Spiel aufgeben, das ihr mit ihm treibt. Entscheidet euch, welche ihn am meisten liebt, oder gebt euch als Zwillinge zu erkennen und liebt ihn beide. So aber blockiert ihr alles.«
»Was immer du unter alles verstehst, Papa«, sagte Rosa.
»Und bei dir und deiner Lily ist nichts blockiert?«, fragte Marie.
»Jetzt habt ihr euch wieder verbündet. Zwei gegen einen.«
»Du tust uns wirklich leid. Wie viel?«
»Was heißt das schon wieder?«
»Wie viele Knödel möchtest du?«
»Sie sind ja ziemlich klein.«
»Also acht.«
»Wenn genug für euch übrigbleibt.«
Das Verkosten der saftigen Marillenknödel ließ die Tischgesellschaft verstummen. Erst als sich allmählich Sättigung einstellte, fand Roman Weichsler zum Ausgangsthema zurück: »Man muss in einer Beziehung, die einem wichtig ist, alles auf eine Karte setzen.«
»Und