Christian Schwab

Oh mein Gott!


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und trauern, wiedersehen werden.

      Überhaupt war ich als Kind sehr im katholischen Glauben eingebettet und eingebetet. »Jesu Kindlein komm zu mir, mach ein frommes Kind aus mir, mein Herz ist rein, darf niemand hinein, außer du, mein liebes Jesulein.« Das war mein katholisches Mantra beim Schlafengehen, ich kann es jetzt noch auswendig. Meine Oma erklärte mir auch alle katholischen Bräuche und Sitten; den Religionsunterricht, die Vorbereitungskurse zur Erstkommunion und Firmung gab es dann noch quasi von offizieller Seite dazu. Darüber hinaus nahm ich an vielen Krippenspielen teil und zwei Jahre lang rückte ich auch als Sternsinger aus, und auch das hat mir gefallen.

      Insgesamt kann ich also behaupten, dass ich mich in diesem katholischen Umfeld, im katholischen Jahreskreislauf, geborgen fühlte. Vielleicht ist das mittlerweile eine verklärte Sicht der Dinge, aber so habe ich diese Zeit in Erinnerung. Ein schönes Gefühl, das sich erstmals bei einem sogenannten Ministrantenlager änderte. Es gab zur Nachmittagsjause Marmeladenbrote, und ich mag einfach keine Marmeladenbrote. Mir grauste als Kind vor Marmeladenbroten ungefähr so wie heute den RTL-Dschungelcamp-Kandidaten, wenn sie bei den Dschungelprüfungen Kakerlaken oder Känguruhoden vorgesetzt bekommen. »Ich bin ein Schwab – holt mich hier raus!«, dachte ich mir damals, als ich mein Marmeladenbrot nicht essen wollte, aber die Pastoralassistentinnen, die Tagesaufsicht hatten, sagten: »Du bleibst so lange hier sitzen, bis das Marmeladenbrot weg ist.« Und das war vollkommen ernst gemeint und mit Nachdruck gesagt.

      Erst nach zwei Stunden Hungerstreik und einem kleinen Bissen vom Marmeladenbrot durfte ich vom Tisch aufstehen. Ein Ereignis, das mich nachhaltig geprägt hat. Damals dachte ich mir zum ersten Mal, dass in diesem Verein doch nicht alles so in Ordnung ist, wie ich gedacht hatte.

      Vielleicht war das schon der Beginn einer kleinen jugendlichen Revolution gegen die katholische Kirche, die schließlich dazu führte, dass ich mit zwanzig Jahren aus dieser austrat. Ich wollte eigentlich nur über die Kirchensteuer verhandeln, aber die Sekretärin beim Amt für die Kirchensteuer nervte mich damals mit ihrem biederen und verhärmten Auftreten. Auf jeden Fall konnte ich mit ihr über die Senkung meines Kirchensteuerbetrags nicht verhandeln, und ich sagte dann einfach: »Wissen Sie was, streichen Sie mich überhaupt raus. Ich kündige die Mitgliedschaft in Ihrem Verein.« Auf Nachfrage, ob es mit der Kirchensteuer zu tun habe, antwortete ich, nicht nur deshalb, ich konnte auch mit der ganzen Sache überhaupt nicht mehr viel anfangen. Ich denke, mit den ersten Missbrauchsvorfällen, die damals bekannt wurden, hatte das nichts zu tun, auf jeden Fall habe ich dieses Argument ausgelassen. Sie waren also nicht der entscheidende Grund. Meine Kündigung bei der katholischen Kirche passierte eher aus einer Laune heraus. Die Tatsache, dass danach mein Vater von einem Vertreter des Kirchenamts angerufen wurde, der ihn fragte, wie es so weit kommen konnte und ob er das nicht hätte verhindern können, hat meinen Entschluss nicht rückgängig gemacht. Eher hat es mir bewiesen, den richtigen Schritt getan zu haben.

      Seitdem lebe ich ohne Bekenntnis. Gott und Religionen beschäftigen mich trotzdem noch immer. Dieses Thema hat bei mir schon immer einen großen Raum eingenommen, ob beruflich als Kabarettist oder auch beim ganz privaten Nachdenken, wobei man Berufs- und Privatleben bei einem Kabarettisten wohl nie ganz trennen kann. Was ist im Namen Gottes nicht alles schon Schreckliches auf der Welt passiert. Religionen predigen nach außen den Weltfrieden, doch ist es nicht so, dass es erst Frieden auf der Welt geben wird, wenn es keine Religionen mehr gibt? Das sind die Fragen, die ich mir stelle. Millionen Menschen wurden im Lauf der Geschichte umgebracht, weil irgendjemand überzeugt war, er glaube an den richtigen Gott. Früher ist man mit Schwertern in Dörfer eingefallen, hat Häuser angezündet, wenn sich Leute nicht zum richtigen Glauben bekehren wollten. Heute fahren sogenannte Gotteskrieger mit einem Lastwagen in Menschenmassen, wie in Berlin geschehen oder auf der Strandpromenade von Nizza. Früher wurden Frauen mit roten Haaren öffentlich verbrannt, heute werden Comic-Zeichner erschossen, weil sie provokante Karikaturen veröffentlichen.

      In meinen Augen ist es eine Anmaßung, zu glauben, dass alles sei wirklich Gottes Wille. Man könnte meinen, dass die meisten von uns sich mittlerweile Religionen gegenüber, vor allem der eigenen, aufgeklärt, abgeklärt und gelassen verhalten. Dennoch: Wenn Religionen und gläubige Menschen kritisiert werden oder ich Scherze auf der Bühne oder im Radio machte, dann habe ich bemerkt, wie schnell die Toleranzgrenze erreicht ist, oder wie oft auch heute noch der Satz fällt: »Darüber braucht man wirklich keine Schmähs machen.«

      Auf meiner Top-3-Hitliste von Personen, die sich nach meinen Beiträgen bei mir beschweren, liegen nach 14 Jahren Comedy-Autor im Ö3 Wecker noch vor den Lehrern und den Tierschützern die Religionsfanatiker.

      Nach jeder noch so kurzen Papstparodie gibt es sicher mindestens einen, der sich folgendermaßen beschwert: »Machen Sie das einmal beim Islam. Ihnen würden die Hände abgehackt werden.«

      Zurück in der Kirche von St. Jakob bei St. Andrä im Lavanttal. Mittlerweile finde ich den indischen Pfarrer grandios. Er zeigt und beweist in einem kleinen beschaulichen Kärntner Dorf, wie bunt und groß die Welt ist. Und er bestärkt mich gerade in einer Idee, die schon länger in meinem Kopf rumschwirrt. Ich werde mich intensiv mit den fünf Weltreligionen auseinandersetzen, indem ich versuchen werde, ein Monat in jeder dieser Religionen zu leben, ganz nach ihren Regeln und Bräuchen. Ich möchte herausfinden, was jede Religion aus mir macht, wie sie mich verändert, wie ich sie am Anfang sehe und wie ich sie dann am Ende einschätze. Finde ich am Ende etwas, wenigstens mich selbst oder gar Gott?

      Auf alle Fälle ist das mal ein etwas anderer Neujahrsvorsatz. Mit dem Rauchen aufhören brauche ich nicht, weil ich nie angefangen habe. Meine Sportbilanz passt auch und mein Alkoholkonsum hält sich ebenso in Grenzen.

      Daher lautet mein Neujahrsvorsatz 2017: 5 Weltreligionen in 5 Monaten.

      Als sich eine junge Mutter mit einem unruhigen Kind aus der Kirche schleicht, nutze ich diese Gelegenheit und schleiche mit ihr raus. Mein Kirchenbesuch hat sich mehr als bezahlt gemacht, und wenn ich jetzt gehe, erspare ich mir vielleicht auch eine schräge Stille-Nacht-Version auf der Geige. Außerdem habe ich versprochen, dass ich um 17 Uhr bei meiner Mama zum Weihnachtsessen bin, die traditionellen Schinkenrollen warten. Doch nicht nur die, auch meine Freundin Heidrun, unsere zehn Monate alte Tochter Ivy und eine Frage, die wir noch nicht geklärt haben: Sollen wir Ivy taufen lassen oder nicht?

      Nach fünf Monaten werde ich mehr wissen. Möglicherweise habe ich das richtige für meine Tochter gefunden, oder ich kann ihr zumindest in ein paar Jahren beratend zur Seite stehen. Denn welcher Teufel mich auch immer geritten hat, ich werde tatsächlich alle Weltreligionen testen. Wenn mittlerweile ein Inder Pfarrer in St. Jakob sein kann, dann kann ich doch wohl locker für einen Monat lang Jude, Buddhist, Hindu, Muslim und auch wieder mal Katholik sein. So wahr mir Gott helfe!

JUDENTUM

      Zurück zum Ursprung

       Meine innere Reise nach Jerusalem beginnt

      »Sie wissen ja wirklich gar nichts.«

      »Jetzt, wo ich Ihnen so zuhöre, haben Sie eigentlich vollkommen recht. Ich habe keine Ahnung.«

      »Wenigstens sind Sie ehrlich. Ein ehrlicher Mensch. So wie der Mann mit dem Koffer. Es gibt eine Geschichte um den Mann mit dem Koffer im Judentum, kennen Sie die? Ein Jude kommt am Flughafen an, geht auf einen Mann zu und fragt ihn: Sind Sie Antisemit? Sagt der Mann entrüstet: Ich bin doch kein Antisemit! Dann geht er zu einem zweiten Mann und sagt: Dein Vater war ein Nazi. Sagt dieser: Mein Vater war sicher kein Nazi! Dann geht er zum dritten und sagt das Gleiche. Darauf sagt dieser: Ja, Sie haben recht, mein Vater war ein Nazi. Sagt der Jude, Sie sind ein ehrlicher Mensch. Passen Sie mir auf meinen Koffer auf, während ich auf die Toilette gehe.«

      Der Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg sitzt im traditionellen Café Hawelka neben mir, vor uns auf dem Tisch steht ausgerechnet ein Christbaum, wir haben jeder eine Melange vor uns stehen. Ich versuche Paul Eisenberg, der bis Juni 2016 35 Jahre lang Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien war, als meinen jüdischen Meister Yoda zu gewinnen. Er soll mir die Tür ins Judentum öffnen, mir sagen, was ich machen darf und