Kris Han

Die Hure von Armageddon


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in der gleichen Kompanie gekämpft, als es gegen den Fürsten der Nordländer ging. Am Hohlweg vor der Lichtung haben wir einen Streitwagen erobert. Du hast mich damals vor großem Ungemach bewahrt, als ich an einem Gespann festhing. Mit deiner Streitaxt hast du den Riemen durchtrennt, in dem sich mein Fuß verfangen hatte. Wir waren gute Kameraden, Ägypter, Kanaanäer und Nubier. In Ägypten wurden wir als Helden gefeiert, und unser gerechter Feldherr hat uns gegen den Rat seiner Generäle aus der Kriegskasse reich beschenkt. Danach bin ich in der Armee geblieben, und obwohl ich weder lesen noch schreiben kann, Unteroffizier geworden. Wir wollen Freunde bleiben, wie wir es damals waren.“

      „Ich erkenne dich Kamerad. Du warst mir ein guter Freund. Unsere Wege trennen sich hier endgültig. Ich wünsche dir eine glückliche Rückkehr nach Ägypten. Ich gehe schon morgen mit meinem Volk weiter. Moses wird uns alle in das Land führen, das den Nachkommen der Vorväter versprochen ist“, und die Kriegskameraden umarmten sich zum Abschied.

      Mirjam wollte das Gespräch der beiden älteren Herren nicht stören und schlenderte langsam voraus. Vor einem Gebäude, aus dem das Jammern einer Frau zu vernehmen war, hielt sie inne. „Bitte lass mir das Gewand! Auf dem Marsch nach Ägypten kann es während der Rast in der Nacht sehr kalt sein. Mein Neugeborenes wird erfrieren, wenn du mir die wärmende Decke nimmst!“

      „Das ist nicht deine Decke. Sie lag hier in dem Schuppen des Tempels. Geh weg, und suche dir für dein Kind einen neuen Flicken. Ich behalte den Umhang!“ ließ sich ein Krieger nicht erweichen.

      Mirjam ging in das Gebäude. Sie wollte schauen, was sich da zutrug. Der Krieger, der den Umhang in seinen Händen hielt, verneigte sich vor ihr. Die junge Ägypterin blickte verängstigt auf den Boden. Ihr schreiendes Kind hielt sie in ihren Armen.

      „Du musst dich nicht fürchten. Wir sind keine Mörder und Räuber. Moses und die Ältesten haben dem ägyptischen Gouverneur versprochen, dass hier niemandem sein Eigentum genommen wird. Ich hoffe, mein Verwandter wird dir die Decke überlassen“, sagte Mirjam.

      „Ich achte dich hoch Prophetin. Ich bin nicht von deinem Stamm, ich bin Benjaminit. Aber diesen Umhang werde ich der Ägypterin nicht überlassen, schon als Ersatz für meinen linken Zeigefinger, den ich verloren habe, als mich ein Schreiber des Wesirs zum Frondienst holte. Beim Entladen eines Transportkahns wurde durch das Gewicht der steinernen Sphinx meine Hand gequetscht. Ich hatte viele Tage Schmerzen. Nur mit der Unterstützung meiner Brüder konnte meine Familie die schlimme Zeit überstehen. Nein, nun sind wir die Stärkeren, und ich behalte dieses Stück Stoff als Wiedergutmachung“, erklärte ihr der Mann.

      Mirjam schüttelte den Kopf. „Es war nicht die einfache ägyptische Magd, welche dich zur Arbeit rief. Du musst dem Wesir Pharaos zürnen. Neben unseren Leuten mussten auch die ägyptischen Bauern und Handwerker Frondienste leisten. Hier kannst du Barmherzigkeit zeigen.“

      Doch der verbitterte Benjaminit ließ sich nicht umstimmen. Unbeeindruckt von dem Schreien des frierenden Säuglings verließ er mit dem Kleidungsstück das Gebäude.

      Mirjam nahm ihr Gewand und gab es der jungen Mutter. „Dein Kind soll in den kalten Nächten nicht erfrieren. Der Stoff ist schmucklos, aber er wärmt gut. Ich wünsche dir viel Glück.“ Sie ging und beeilte sich zur Lagerstatt ihres Volkes zu gelangen. Alle anderen waren bereits gegangen.

      Moses hatte doppelte Wachen vor dem Lager aufstellen lassen. Er wollte vermeiden, dass die Ägypter Mut fänden, sich das Beutegut zurückzuholen, oder dass einige seiner Landsleute nochmals zum Plündern aufbrechen würden. Weil er unruhig schlief, stand er am nächsten Morgen sehr früh auf und trat vor sein Zelt. Kurze Zeit später kamen auch Jefunne und Aaron auf den freien Platz.

      „Seht, der neue Tag bricht an, als will er uns beglückwünschen. Ja, gestern war ein erfolgreicher Tag, das Volk hat seine Stärke erkannt, und alle sind zufrieden“, sprach Aaron zu den beiden.

      „Lobet den Tag nicht vor dem Abend. Schaut dort drüben. Da sehe ich Datan und seine Unterstützer. Sie waren sehr lange ruhig. Ganz sicher kommen sie nicht, um dich zu der unblutigen Einnahme des ägyptischen Lagers zu beglückwünschen“, sagte Jefunne zu Moses.

      Und er behielt recht. „Ich grüße euch. Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen. Gestern haben wir einen leichten Sieg errungen. Er hätte noch höher ausfallen können, wenn wir alle Ägypter getötet hätten. Du hast doch gesehen, wie elendiglich sie da vor uns kuschten. Die jahrelange Schmach, die sie unserem Volk zugefügt haben, gibt uns das Recht, sie alle zu erschlagen. Kommt, lasst uns zurückgehen und unseren Sieg vollenden. Danach wollen wir umkehren und Ägypten erobern. Da gibt es keinen starken Pharao mehr. Niemand verfügt dort über die Macht uns aufzuhalten. Warum sollen wir heute so früh den Weg durch das fremde Gebirge antreten? Treibe an diesem frühen Morgen das Volk nicht an. Sieh es doch ein, wir müssen umkehren. Mirjam ist bei den Schriftkundigen und diktiert ihnen die Taten der Vorfahren. Was gestern geschehen ist, wird nicht in Vergessenheit geraten. Ich sage dir, Ägypten ist das Land, welches Abraham versprochen wurde!“, wandte sich Datan an Moses.

      Der war bestürzt. Er konnte nur schwer seinen Zorn unterdrücken, hielt seinen Stab fest umklammert. Er schüttelte den Kopf, aber ihm fehlten die Worte. Statt seiner antwortete Jefunne: „Dein Anliegen ist unehrlich. Dich leitet die Gier nach Reichtümern. Hast du in Ägypten nicht ein prächtiges Haus mit vielen Bediensteten in Auaris bewohnt? Deine Tochter hat einen Schreiber des Gaufürsten geheiratet. Du hast dem Tempel Figuren der Isis und des Horus gestiftet und damit den Gott deiner Väter beleidigt. Nun forderst du, man soll deine ehemaligen Geschäftspartner erschlagen. Wo bleibt dein Anstand?“

      Datan blieb uneinsichtig. „Was kümmert mich die Vergangenheit. In Ägypten sind die Fleischtöpfe gut gefüllt. Es gibt Wein und Bier zu trinken. Schaut euch diese trostlose Gegend an. Hier haben wir nur bitteres Wasser, und die mickrigen Wachteln wollen sich nicht fangen lassen. Ich sage euch noch einmal, kehrt um und werdet die neuen Herren am Nil!“

      „Und ich sage dir, wir werden nicht umkehren. Wenn du willst, kannst du mit deinen Freunden zurück nach Ägypten gehen. Das Wasser mag hier bitter sein, die Speisen fallen oft dürftig aus, aber niemand wird Hungers sterben. Vielleicht sind es nicht wir, die das Land, in dem Milch und Honig fließen, betreten werden. Doch unser harter Weg durch unwirtliche Gegenden und die bevorstehenden Kämpfe gegen fremde Stämme werden die nächste Generation stark machen. Ägypten mag derzeit verwüstet sein, und es gibt dort keinen mächtigen Pharao. Libyer, Nubier und Völker von weit her, aus Syrien, werden sich um das Land am Nil raufen. Wir wären dort fehl am Platz, müssten einen hohen Blutzoll entrichten, und gewiss werden sich die Ägypter irgendwann wieder erholt haben und die Oberhand zurückgewinnen. Habt Mut, euch geht ein Stärkerer voran. Was zaudert ihr noch, lasst uns weitergehen“, sprach Moses und die hinzugekommenen Stammesältesten stimmten ihm bei.

      Datan versuchte sie zu verunsichern. „Glaubt ihr wirklich, Moses ist der rechte Anführer, auf den ihr euch verlassen könnt? Nein, er wird euch wieder im Stich lassen, wenn ihm seine persönlichen Belange wichtiger werden. Er ist jähzornig und feige! Erinnert euch daran, wie er seine Familie verlassen hat und ist aus Ägypten geflohen, nachdem er einen Diener Pharaos erschlagen hatte!“

      „Du hast recht Datan. Ich war feige, als ich damals wegging. Für so viel Feigheit musste ich all meinen Mut aufbringen“, erwiderte Moses, und die Umstehenden lachten.

      Zähneknirschend wandte sich Datan ab. Seine wenigen Unterstützer folgten ihm nach. Gut versorgt mit den frischen Vorräten, war die Stimmung der aus Ägypten geflüchteten wieder gestiegen. Mit den im Arsenal des Serabit el Chadim gefundenen Waffen waren die wehrfähigen jungen Männer nun eine schlagkräftige Truppe geworden.

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