Wolfram Hanel

1975


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stand auf, um sich eine Flasche Bier aus der Küche zu holen. Appaz nutzte die Gelegenheit und machte es sich ein bisschen bequemer. Mit dem Kopf auf dem Oberschenkel der Blonden. Sie schien nichts dagegen zu haben. Sie beugte sich vor, so dass ihm ihre Haare übers Gesicht streiften.

      »We play the blues«, erklärte Appaz an ihren Brüsten vorbei, die sich deutlich unter ihrem T-Shirt abzeichneten.

      »But we know Jane«, ließ sich Kerschkamp von irgendwoher vernehmen, »and I’m a drummer, too. Like Peter Panka from Jane, you know?«

      »I like the blues«, flüsterte die Blonde und beugte sich noch weiter vor.

      Appaz hob seinen Kopf ein bisschen und küsste sie.

      »He, warte mal, was soll das denn?«

      Ratte war zurück. Appaz hörte, wie er sein Bier aufmachte.

      Die Blonde schob ihm ihre Zunge zwischen die Lippen. Sie strich ihm über den Arm und über die Schulter. Dann blieb ihre Hand auf seiner Brust liegen.

      »I love the blues«, flüsterte Appaz an ihrem Mund.

      Sie kicherte. Richtete sich auf und warf ihre Haare zurück. Appaz war schwindlig.

      »Kameradenschwein«, stellte Ratte fest. »Aber hier, hast du schon gesehen, wie das Bier bei denen hier heißt?«

      Er hielt Appaz die Flasche hin und lachte blöde.

      »La Meuse«, las Appaz.

      »Ist ja irre«, sagte Kerschkamp.

      Der Typ mit dem orangefarbenen Hemd kam ins Zimmer, und die Blonde nahm ihre Hand von Appaz’ Brust. Der Typ sagte etwas zu ihr. Sie warf wieder ihre Haare zurück und stand auf. Er zog sie hinter sich her aus dem Zimmer.

      »Hä?«, machte Ratte und rülpste. »Kapier ich nicht.«

      Jean oder Pierre beugte sich zu Kerschkamp und redete hektisch auf ihn ein.

      »Was ist denn los plötzlich?«, wollte Ratte wissen.

      »Irgendwas, dass wir besser gehen sollen«, sagte Kerschkamp, »wegen Kurt eben und der Blonden …«

      »Wieso? Ist das die Freundin von dem Typen oder was?« Rattes Stimme klang aggressiv. »Das ist doch der Hühnerficker vom Flur eben, was will der überhaupt?«

      Er stand leicht schwankend auf.

      »Lass uns abhauen«, sagte Appaz.

      »Genau«, sagte Kerschkamp.

      Jean oder Pierre war voll damit beschäftigt, den nächsten Joint zu rollen. Die anderen taten so, als wären Appaz und seine Freunde schon nicht mehr da.

      »Das ist doch Scheiße«, schimpfte Ratte laut, »was soll das überhaupt? Ich denke, das ist eine Party hier …«

      Aber er folgte Kerschkamp und Appaz auf den Flur. Von dem Typen mit dem orangefarbenem Hemd war nichts zu sehen. Von der Blonden auch nicht. Didier saß in der Küche und hatte offensichtlich nochmal gekotzt. Diesmal auf den Fußboden. Aber er hob die Hand, als er sie sah.

      Lepcke stand an der Tür zum Klo und rüttelte an der Klinke.

      »Scheiße«, sagte er, »der Ami hat sich eingeschlossen … Los, Mann, jetzt mach schon auf!«

      Lepcke haute mit der Faust gegen die Tür.

      »Mach auf, Mann!«

      Appaz guckte erst Kerschkamp an und dann Ratte. Sie hatten keine Ahnung, was sie machen sollten.

      Die Klotür ging auf. Der Ami kam kichernd raus.

      »Habt ihr Schiss gekriegt, was?«

      Er kicherte immer weiter.

      »Sehr witzig«, sagte Lepcke beleidigt.

      »Los, wir gehen«, erklärte Kerschkamp und schob den Ami vor sich her ins Treppenhaus.

      Als sie auf die Straße kamen, stand auf der anderen Seite die Blonde. Mit einem Mädchen im Minirock. Sie drehten sich schnell weg. Jetzt sah Appaz auch den Typen mit dem orangefarbenen Hemd. Er lehnte ein Stück entfernt an der Hausmauer und rauchte. Und er war nicht alleine. Appaz konnte drei oder vier andere Typen hinter ihm im Halbdunkel erkennen.

      »Scheiße«, sagte Ratte und bückte sich zum Bordstein, um den Boden der Bierflasche abzuschlagen, die er mitgenommen hatte.

      »Hör auf«, sagte Kerschkamp.

      Ratte guckte hoch.

      »Ich mach’s«, sagte er.

      Appaz schüttelte den Kopf und zog ihn mit sich.

      »Sie kommen«, sagte Kerschkamp.

      Lepcke war der Erste von ihnen, der anfing zu rennen.

      »Habt ihr Schiss oder was?«, fragte der Ami keuchend.

      Appaz blaffte ihn an, dass er endlich die Schnauze halten sollte. Der Ami hatte keine Ahnung, worum es überhaupt ging.

      Als sie auf die Hauptstraße einbogen, wurden sie ein bisschen langsamer. Appaz war froh, dass noch so viele Leute unterwegs waren. Der Typ mit dem orangefarbenen Hemd und seine Freunde waren verschwunden.

      An der Brücke fing Lepcke wieder an zu rennen.

      »Glaubst du, dass sie auf den Campingplatz kommen?«, keuchte Kerschkamp neben Appaz.

      »Quatsch«, sagte er. Aber ganz sicher war er sich nicht.

      »Ihr habt Schiss, das sehe ich doch!«, kicherte der Ami.

      Ratte hielt immer noch die leere Bierflasche in der Hand. Und nahm sie auch mit, als er in den Bus kletterte. Sie hatten entschieden, dass immer einer im Bus schlafen durfte. Der Reihe nach. Heute war Ratte dran. Die anderen quetschten sich ins Zelt.

      Appaz lag noch eine ganze Weile wach. Der Ami stöhnte im Schlaf und schmatzte laut. Appaz hörte, wie Lepcke direkt hinter das Zelt pinkelte, weil er Angst hatte, nach vorne zum Klo zu gehen. Später schreckte er aus irgendeinem bescheuerten Traum hoch und war überzeugt, dass jemand sich am Reißverschluss des Zeltes zu schaffen machte. Aber es war nur Kerschkamp, der seinen Schlaf sack auf gezogen hatte, weil ihm zu warm geworden war.

      Das Zelt stand so, dass sie ab neun in der prallen Sonne lagen. Aber im Bus schien es nicht viel besser zu sein. Rattes T-Shirt war bereits klatschnass geschwitzt, als er den Kopf ins Zelt steckte und fragte, ob einer von ihnen mit zum Baden käme.

      »In diesem Fluss hier«, sagte Ratte, »muss doch geil sein.«

      »Loire«, sagte Lepcke, »der Fluss heißt Loire.«

      »Du mich auch«, sagte Ratte.

      Am Ufer waren ein paar flache Tümpel. Das Wasser reichte ihnen kaum bis zu den Knien und war ziemlich warm.

      »Wie Pisse«, stellte Kerschkamp fest.

      »La Meuse«, sagte Ratte und stürzte sich kopfüber in den Fluss.

      Sie schwammen ein paar Runden. Lepcke war der einzige von ihnen, der mit dem Kopf nicht untertauchte. Appaz war überrascht, wie gut der Ami schwimmen konnte. Hatte er ihm irgendwie nicht zugetraut.

      Als sie zum Campingplatz zurückkamen, saßen Didier und Jean oder Pierre und die Blonde bei ihnen vorm Zelt.

      »Hi«, sagte die Blonde und lächelte Appaz zu. Didier hatte immer noch das T-Shirt von der Party an. Auf dem Bauch war ein festgetrockneter Kotzfleck. Aber es schien ihm deutlich besser zu gehen als am Abend zuvor.

      Sie hatten frisches Baguette mitgebracht. Kerschkamp kochte einen großen Topf Instantkaffee.

      Appaz hockte sich neben die Blonde. Jedes Mal, wenn sich einer von ihnen bewegte, berührten sich ihre Arme.

      »Und was sollte die Scheiße gestern Abend?«, fragte Ratte, während er sich den weißen Teig aus seinem Stück Baguette in den Mund stopfte.

      Der Ami