mit Auszeichnung abgeschlossen und war danach durch Auers Fürsprache und auch als Anerkennung ihrer Rolle bei der Lösung des letzten großen Falles sofort der Mordkommission Koblenz zugeordnet worden.
Alles in allem hätte Auer wohl mehr als zufrieden sein können, wenn ... ja, wenn da nicht noch immer der ungeliebte direkte Vorgesetzte, Kriminaloberrat Wasgau, der Leiter des K 11, gewesen wäre.
Ulf schüttelte missmutig den Kopf, als er an den Schwiegersohn des Polizeipräsidenten dachte, der ihm und seiner Mannschaft immer wieder Schwierigkeiten machte, wenn es um Entscheidungen über die Vorgehensweise oder den Umgang mit den Medien ging. Aber ihm war klar, dass es eben nicht immer nur Licht, sondern auch Schatten gab und er sich wohl mit dem Umstand abfinden musste, dass er einen schwierigen und häufig wenig kompetenten Vorgesetzten ertragen musste.
Er dachte an die vielen Streitgespräche, die er mit Wasgau in den vergangenen Monaten geführt hatte, und musste lächeln. Sein Chef war ihm weder in Diskussionen noch in Fragen des Sachverstandes gewachsen, weshalb Wasgau oft mit eingezogenem Schwanz von dannen hatte ziehen müssen.
Sein Telefon klingelte aufdringlich, und noch immer lächelnd nahm er den Hörer auf.
„Auer?“
Sein Lächeln erstarb, als der Anrufer ihm mitteilte, dass man eine Leiche gefunden habe und die Auffindesituation keinen Zweifel daran ließe, dass es sich um einen Fall für die MK handele. Nachdem er sich alle Informationen hatte geben lassen und diese notiert hatte, legte er auf.
„Alle Mann, Achtung“, rief er in den Raum und hatte sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden. „Wir haben einen neuen Fall, und nach allem was ich bisher weiß, könnte das wirklich interessant sein.“
Kapitel 2
Koblenz-Wallersheim, Industriegebiet, 09:45 Uhr
Der Parkplatz des „Lasertag-Zentrums“ im Industriegebiet von Koblenz-Wallersheim wäre leer gewesen, wenn nicht drei Streifenwagen und das Fahrzeug eines Bestattungsunternehmens in unmittelbarer Nähe des Einganges geparkt gewesen wären.
„Was ist das denn für ein Laden?“, fragte Harry Kruse erstaunt, als Auer den Dienstwagen direkt neben einem Streifenwagen parkte.
„Lasertag, kennst du das nicht?“, fragte Auer überrascht zurück.
„Lesen kann ich selbst, aber was ist das für eine Firma? Stellen die Laser her, oder was?“
Auer musste kurz auflachen, denn wieder einmal zeigte sich, dass Harry mit seinen siebenundfünfzig Jahren und als ältestes Mitglied der MK nicht wirklich auf die neuen Trends der Zeit stand. Er hatte wenig mit Computern zu tun und nutzte sie lediglich im Rahmen der dienstlichen Aufgaben, wobei er aber auch regelmäßig auf die Unterstützung durch Klaus Saibling angewiesen war. Lange hatte er sich gegen ein Smartphone gewehrt und es lediglich als dienstliches Hilfsmittel akzeptiert, weil inzwischen über dieses Medium auch Bilder von Tatorten oder Beschlüsse der Staatsanwaltschaft an die Beamten übermittelt wurden.
„Das, mein lieber lebensälterer Kollege, ist nach Auslegung der heutigen Jugend eine Sportstätte, in der junge Leute mit Laserwaffen aufeinander schießen, so ähnlich wie Paintball, wo sie sich in der freien Natur mit Farbkugeln beschießen.“
Harry sah ihn ungläubig an. „Du verarschst mich, oder?“
Nun musste Ulf Auer tatsächlich laut auflachen.
„Nein, ehrlich nicht. Ich habe mir das interessehalber mal angesehen, und ich muss sagen ... es hat was. Ist gar nicht so uninteressant, ganz spannend und tatsächlich auch anstrengend, wenn man nicht zu früh wegen zu vieler Treffer ausscheiden will.“
Harry Kruse schüttelte ungläubig den Kopf und murmelte, während sie ausstiegen und sich zum Eingang des Gebäudes begaben, irgendetwas vor sich hin. Auer konnte lediglich etwas wie: „Ich versteh die Welt nicht mehr“, verstehen. Noch während sie durch den Eingang das Gebäude betraten, sah er aus den Augenwinkeln, dass der Dienstwagen mit Gerd Duben und Coco gerade auf das Gelände einfuhr.
Ein Uniformierter, der direkt hinter der Eingangstür stand, sprach Auer an: „Einmal ganz durch und dann hinten rechts, in einem Lagerraum ... da hängt er. Die Spurensicherung ist schon da.“
Ulf und Harry folgten seiner Richtungsangabe und bewegten sich zwischen eingezogenen Wänden und Hindernissen durch eine Art Labyrinth, das jedoch aufgrund der eingeschalteten Deckenbeleuchtung nicht schwierig zu durchschreiten war. Auer bemerkte, dass Harry sich die ganze Zeit verwundert umblickte, immer wieder den Kopf schüttelte und vor sich hin murmelte. Auf der einen Seite fragte er sich, ob Harry in seinem Alter dem Wandel der Zeit und der Gebräuche noch lange gewachsen sein würde, andererseits hatte das Alter auch etwas für sich. Harry erinnerte sich an Vorgänge, die schon viele Jahre zurück lagen, und zog Rückschlüsse aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in verschiedenen Bereichen der Kriminalpolizei.
„Und was machen die jungen Leute in diesem Labyrinth nun ganz genau?“, fragte er gerade, während sie zwischen den etwa zwei Meter hohen Wänden durch diesen künstlichen Irrgarten gingen.
„Sie kämpfen sich in Teams zwischen diesen Wänden und Deckungen durch und schießen mit Lasergewehren auf die Mitglieder des anderen Teams. Dabei tragen sie Westen, die einen Treffer mit dem Lasergewehr registrieren und irgendwann anzeigen, dass ein Gegner ausgeschaltet ist“, entgegnete Ulf geduldig. „Ich habe allerdings irgendwo gelesen, dass es inzwischen Westen gäbe, die leichte elektrische Stromstöße an den Träger weitergeben, damit auch ein Streifschuss wenigstens ein wenig Schmerzen verursacht. Ich glaube, das ist aber bisher nur in den USA erlaubt.“
Belustigt stellte Ulf fest, dass Harry immer noch fast ununterbrochen den Kopf schüttelte.
Er wurde von weiteren Erläuterungen erlöst, als sie das Ende der Halle erreichten, wo ein anderer Uniformierter stand, der einem Spurensicherungsbeamten im weißen Overall die Tür zu einem Raum aufhielt, aus dem er mit seinem Alukoffer und einer großen Plastiktüte gerade heraustrat. Der Beamte erkannte Ulf und Harry sofort.
„Ihr kommt ein wenig zu spät, sie haben ihn soeben abgehangen. Da müsst ihr euch dann schon die Fotos ansehen. War übrigens ein interessanter Anblick, wie der da so hing. Hat mich ein bisschen an ein Schlachthaus erinnert ... nur nicht so kalt.“
Ulf nickte lediglich schweigend und würdigte ihn keiner Antwort. Sie wäre vermutlich etwas barsch ausgefallen, da ihn die lockere Art, mit der viele Beamte der Spurensicherung, die ja an fast jeden Tatort gerufen wurden, schon immer gestört hatte. Es mangelte vielen von ihnen an Empathie und Pietät.
Grundsätzlich hatte er Verständnis dafür, dass diese Arbeit zu einer Verrohung oder Abstumpfung führte, denn anders wäre diese Tätigkeit langfristig wohl nicht zu ertragen gewesen. Aber dennoch störte es ihn, wenn an Fundorten von Leichen Witze gerissen wurden oder gelacht wurde.
Er und Harry betraten den Raum, bei dem es sich um ein Lager handeln sollte, was sie an zwei Regalwänden bestätigt sahen, in denen Bekleidung und technische Gerätschaften abgelegt waren. Zwei weitere Wände bestanden aus unbehandeltem Beton, in dem Haken und Ösen eingelassen waren, deren Zweckbestimmungen nicht sofort ersichtlich waren.
Eine schwere Eisenkette war an einem Haken in der Wand befestigt und führte über eine Öse in der Decke wieder nach unten. In der Verlängerung darunter befand sich eine riesige Pfütze, bei der Ulf Auer davon ausging, dass es sich um Blut handelte. Bei der Größe der Pfütze ging er ebenfalls davon aus, dass die Person, die noch vor Kurzem an der Kette gehangen haben musste, komplett ausgeblutet war.
Die Leiche lag etwas abseits außerhalb der Blutlache auf einer Plastikfolie, um Verunreinigungen vom Hallenboden an der Kleidung zu vermeiden. Ulf und Harry näherten sich langsam dem Körper, über den einer der Spurensicherungsbeamten gebeugt stand und mit behandschuhten Händen gerade die Gesäßtasche der blutdurchtränkten Hose durchsuchte. Ein weiterer Beamter machte Fotografien aus allen möglichen Blickwinkeln.
„Und, was könnt ihr uns denn schon sagen?“, fragte Harry den Kollegen, der gerade eine Brieftasche herausgezogen hatte und diese aufklappte.