Hans Häckel

Meteorologie


Скачать книгу

Luftpaket kann (s. Seite 52) nur bis etwa 10 km Höhe steigen. Dort sollen 265 mbar Luftdruck und –50 °C herrschen (US-Standardatmosphäre; s. Seite 40 u. 47) Die Rechnungen ergeben, dass sein Volumen dann auf rund 3 m3 und damit auf das 3fache des Startwertes gewachsen sein wird.

      Für Messungen in der freien Atmosphäre benutzt man Radiosonden (s. Seite 414), die von Luftballonen in die Höhe getragen werden. Dabei bläht sich der Ballon wie ein Luftpaket auf, bis er in ca. 30 km Höhe platzt. Rechnungen ergeben (für die Bedingungen der Standardatmosphäre) dabei eine Zunahme des Ballondurchmessers von 2 m (am Boden) auf fast 9 m; das ist eine Volumenzunahme auf das 90fache.

      Aus den Gesetzen der Thermodynamik kann man bequem ableiten, welche Temperaturänderungen bei Vertikalverschiebungen zu erwarten sind. Die Rechnungen ergeben einen Wert von ziemlich genau 1 K pro 100 Höhenmeter. (Einzelheiten darüber findet man in Fachbüchern zur Theoretischen Meteorologie, s. Seite 434). Man nennt diesen Wert den adiabatischen Temperaturgradienten. „Temperaturgradient“ bedeutet in diesem Fall nichts anderes als „Temperaturänderung pro Höhenänderung“; er wird meist in K/100 m 46 (siehe oben) angegeben. „Adiabatisch“ bedeutet, dass während der Vertikalbewegung keine Energie von außerhalb des Luftpaketes zugeführt oder nach außen abgegeben wird, d. h., die gesamte bei der Volumenänderung umgesetzte Energie stammt ausschließlich aus dem Wärmevorrat der Luft.

      Für Luftpakete stellt der adiabatische Temperaturgradient eine Art „Normalzustand“ dar. Innerhalb höherer Luftschichten oder größerer Bereiche der Atmosphäre ist er eher die Ausnahme als die Regel. Das hängt damit zusammen, dass in der Atmosphäre eine ganze Reihe von Vorgängen ablaufen, die den Temperaturgradienten teilweise erheblich beeinflussen. Darunter sind auch solche, die nicht der Definition von „adiabatisch“ entsprechen. Die Folge ist, dass die tatsächlichen Gradienten in der Atmosphäre oft beachtlich vom adiabatischen abweichen. Sie reichen von Temperaturabnahmen spürbar über 1 K/100 m (s. Seite 51, 244) bis zu Temperaturzunahmen von fast 35 K/100 m (s. Seite 340). Im Mittel sinkt die Temperatur in der Atmosphäre innerhalb der untersten 12 km um 0,65 K/100 m. Dieser Wert ist auch der US-Standardatmosphäre (s. Seite 40) zugrunde gelegt. Man bezeichnet Temperaturabnahmen von mehr als 1 K/100 m als über-adiabatisch und solche unter 1 K/100 m als unteradiabatisch. Bleibt die Temperatur mit der Höhe konstant, so spricht man von einer Isothermie, nimmt sie mit der Höhe zu, von einer Inversion.

      Auszug aus der US-Standardatmosphäre. Nach NOAA (1976) zit. in Kraus (2004).

HöheTemp.Temp.-Gradient
km°CK/100m
015,0
0,65
18,5
0,65
22,0
0,65
3–4,5
0,65
4–11,0
0,65
5–17,5
0,65
6–24,0
0,65
7–30,5
0,65
8–37,0
0,65
9–43,5
0,65
10–50,0
0,65
11–56,5

      Welche Prozesse zu Veränderungen von Temperaturgradienten innerhalb der Atmosphäre führen, werden wir unten sowie auf Seite 240 besprechen. Einen wichtigen nicht-adiabatischen Vorgang kennen wir schon: die Strahlungsabsorption des Ozons (s. Seite 30), bei der Sonnenenergie von außen zufließt, wie die Abb. 15 zeigt. Bekanntlich kommt es dadurch zu einer spektakulären Inversion mit nicht weniger als 30 km Mächtigkeit. Die Kondensation von Wasserdampf in der Luft wird eine Verallgemeinerung des Begriffes „adiabatischer Gradient“ verlangen; wir werden uns auf der Seite 93 mit dieser Frage beschäftigen.

      Wegen der Höhenabhängigkeit der Lufttemperatur ist es oft schwierig, den tatsächlichen Wärmeinhalt der Luft in verschiedenen Höhen miteinander zu vergleichen. Man denkt sich deshalb jede der zu vergleichenden Luftschichten zunächst einmal aus ihrer Druckfläche (p) adiabatisch in die 1 000-mbar-Fläche verlagert. Die dabei angenommene Temperatur heißt potenzielle Temperatur Θ. Sie berechnet sich nach der Formel

fo001_004

      wobei ϑ die ursprüngliche Lufttemperatur (im Niveau p) bedeutet. 47

      Dazu ein Beispiel: Bei 500 mbar sei die Lufttemperatur 0 °C. Daraus errechnet sich eine potenzielle Temperatur von 59,7 °C. 20 °C bei 800 mbar ergeben dagegen eine potenzielle Temperatur von nur 39,3 °C. Man sieht daraus, wie leicht man sich in der Beurteilung des Wärmeinhaltes der Luft irren kann, wenn man die Höhenlage unberücksichtigt lässt.

      Bei der Berechnung der potenziellen Temperatur folgt man den gleichen Überlegungen wie bei der Reduktion des Luftdruckes auf Meeresniveau (Seite 44).

      Zu wesentlichen Veränderungen des Temperaturgradienten kommt es, wenn in der Atmosphäre großflächige Vertikalbewegungen stattfinden. Anhand der Abb. 10 soll gezeigt werden, was sich dabei abspielt. Dazu betrachten wir die Luftschicht AB. An ihrer Untergrenze herrsche die Temperatur ϑA, an ihrer Obergrenze ϑB. Durch Vorgänge, die später (s. Seite 280) zu besprechen sind, werde die Luftschicht jetzt nach unten verlagert. Da dort ein höherer Luftdruck herrscht als oben (s. Seite 37), wird sie dabei auf die Dicke CD zusammengedrückt. Gleichzeitig erfolgt eine adiabatische Erwärmung.

      Diese Erwärmung müssen wir nun etwas genauer betrachten. An der Untergrenze unserer Schicht steigt die Temperatur entsprechend dem adiabatischen Gradienten von ϑA auf ϑC. Auch die Temperatur an der Obergrenze der Schicht steigt entsprechend dem adiabatischen Gradienten von ϑB auf ϑD. Zeichnet man jetzt innerhalb der Schicht C – D die Temperatur-Höhenkurve (die durch die Punkte c und d läuft), so stellt man fest, dass die Temperatur nicht mehr mit der Höhe ab-, sondern zunimmt. 48

abb010

      Abb. 10 Änderung des Temperaturgradienten bei Absink- und Hebungsvorgängen (Erläuterungen im Text).

      Wie ist dieses überraschende Ergebnis zu erklären? Es ist eine Folge der während des Absinkens erfolgenden Kompression unserer Luftschicht. Dadurch legen nämlich ihre oberen Bereiche einen längeren Weg (b – d) zurück als die unteren (a – c) und da die Erwärmung proportional zur Höhendifferenz erfolgt (1 K/100 m) werden die oberen Bereiche stärker erwärmt als die unteren. Man nennt eine Temperaturschichtung, bei der es nach oben hin wärmer wird, eine Inversion. Durch das Absinken ist also eine Inversion entstanden; man bezeichnet sie unter Hinweis auf den Entstehungsmechanismus als Absinkinversion, gelegentlich auch als Schrumpfungsinversion.

      Wäre die Luftschicht nicht so tief abgesunken wie in unserem Beispiel, so hätte es für die Entstehung einer Inversion nicht gereicht. Die Temperaturabnahme mit der Höhe wäre aber in jedem Fall kleiner, der Temperaturgradient also unteradiabatisch geworden.

      Neben dem großflächigen Absinken von Luftschichten gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Vorgänge, die zur Entstehung von Inversionen führen. Eine besonders wichtige, die sogenannte „Strahlungsinversion“, werden wir im Zusammenhang mit dem Energiehaushalt der Erdoberfläche besprechen (s. Seite 238); bezüglich weiterer Entstehungsmechanismen muss auf Werke der Theoretischen Meteorologie (s. Seite 434) verwiesen werden.

      Analoge Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass beim großflächigen Aufsteigen einer Luftschicht eine Inversion abgebaut bzw. ein unteradiabatischer Gradient in einen zunehmend adiabatischen übergeführt wird. Zu Veränderungen des Temperaturgradienten kommt es auch, wenn warme Luft auf kalte aufgleitet oder von kalter Luft hochgehoben wird (s. Seite 51ff.).

      Großflächige und langlebige Absinkvorgänge stellen sich bei uns oft im Spätherbst und Winter ein. Dadurch kommt es zur Ausbildung mächtiger Inversionen, die nicht selten zu der zunächst paradox erscheinenden Situation führen, dass die Temperatur auf den Bergen höher ist als in den Tälern.

      So