Hans Häckel

Meteorologie


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       sehr labil

      Um Verwechslungen zu vermeiden, sei darauf hingewiesen, dass die „Stabilitätsklassen“ nicht mit den in der Meteorologie verwendeten Bezeichnungen „stabil“ und „labil“ identisch sind – sonst dürfte es zumindest die Klasse „sehr labil“ überhaupt nicht geben, weil eine solche Schichtung keinen dauerhaften Bestand hat (s. Seite 51).

      Welche Stabilitätsklasse bei einer gegebenen Situation gilt, wird von der Windgeschwindigkeit (Höhere Windgeschwindigkeit – stärkere Wirbelbildung, siehe oben) und vom herrschenden Temperaturgradienten festgelegt. Wenn der Temperaturgradient (wegen des zu großen Messaufwandes) nicht bestimmt werden kann, darf ersatzweise die Bewölkung als Kriterium verwendet werden. Wie später noch gezeigt wird (s. Seite 239), fallen nämlich die Temperaturgradienten umso extremer aus je weniger Bewölkung vorhanden ist. Auf diese Weise kommt es nachts zu kräftigen Inversionen und tags zu adiabatischen – zeitweise sogar zu leicht überadiabatischen Gradienten.

      Diese Definition erlaubt es, die 5 Stabilitätsklassen – stark vereinfacht und generalisiert – folgenden Wettersituationen zuzuordnen:

sehr stabil: windstille, klare Nächte
stabil:windschwache, wolkenarme Nächte
stabil-neutral: windige wolkenreiche Nächte, windige wolkenreiche Tage
labil-neutral: windige, wolkenarme oder windschwache, wolkige Tage
labil: windschwache, wolkenarme Tage
sehr labil:windschwache, wolkenlose, extrem sonnige Tage

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      Abb. 14 Berechnete SO2-Konzentrationen in Abhängigkeit vom Abstand zum Schornstein bei verschiedenen Wetterlagen (nach Malberg 2006, abgeändert).

      Die so gefundene Ausbreitungsklasse wird dann den Rechnungen zugrunde gelegt. Diese können natürlich nicht jeden einzelnen Wirbel und jede kleinste Luftbewegung erfassen. Sie beschreiben 56 vielmehr einen mittleren Ausbreitungsvorgang. Man spricht von „quasistationären“ Verhältnissen. In Abb. 14 sind Ergebnisse von Ausbreitungsrechnungen dargestellt, die mit einem Gauß-Rechenmodell bearbeitet wurden. (Näheres siehe Marginalspalte Seite 56 und Malberg, 2006). Die Grafik zeigt die Abnahme der SO2-Konzentrationen (in Bodennähe) hinter einem 125 m hohen Schornstein bei unterschiedlichen Ausbreitungsbedingungen.

      Dem hier verwendeten Verfahren zur Berechnung der Ausbreitung von Emissionen liegen – stark vereinfacht – folgende Annahmen zugrunde:

       Die aus einem Schornstein freigesetzten Substanzen formen sich zu einer Wolke mit einem (in Strömungsrichtung betrachtet) elliptischen Querschnitt. Bei labiler Schichtung (im Sinne der Stabilitätsklassen, z. B. Looping) ist diese Ellipse höher als breit. Bei stabiler Schichtung (z. B. Fanning) ist sie breiter als hoch.

       Die Konzentration der emittierten Substanzen nimmt innerhalb der Ausbreitungswolke stets vom Zentrum zum Ellipsenrand hin ab. Die Konzentration folgt dabei stets einer sog. „Gauß-Verteilung“, also einer glockenförmigen Kurve und zwar sowohl in der Horizontalen als auch in der Vertikalen.

       Strömungsabwärts dehnen sich die Ellipsen immer weiter aus, ihre Form bleibt dabei aber erhalten.

      (Weitere Informationen dazu, insbesondere zur Gauß-Verteilung findet man bei Malberg, 2006)

      Bei Wetterverhältnissen, die der Ausbreitungsklasse „labil“ oder „sehr labil“ entsprechen, kommt es, wie man sieht, in der unmittelbaren Umgebung des Emittenten zu auffällig hohen Konzentrationen, die aber mit der Entfernung rasch abnehmen. Dieses Ergebnis lässt sich leicht deuten: Man braucht sich nur klarzumachen, dass unter diesen Bedingungen SO2-reiche Luftschwaden immer wieder bis in Bodennähe heruntergedrückt werden können (s. Abb. 13 a). Herrschen dagegen die Ausbreitungsbedingungen „stabil“ oder „sehr stabil“, dann treten erst in größeren Entfernungen nachweisbare Konzentrationen auf, die jedoch über eine weite Distanz erhalten bleiben.

      Gauß, Carl-Friedrich;

      Mathematiker, Physiker und Astronom;

      * 30.4.1777 in Braunschweig;

      † 23.2.1855 in Göttingen.

      Naturwissenschaftliches Universalgenie; von P. S. de Laplace als „größter Mathematiker Europas“ bezeichnet.

      Achtung: Die hier vorgestellten Ergebnisse gelten nicht mehr, wenn die Ausbreitungsbedingungen durch lokalklimatische Einflüsse (s. Seite 325) modifiziert werden.

      Wie oben gesagt wurde, nimmt die Lufttemperatur (im Mittel) vom Erdboden aus mit zunehmender Höhe ab. Etwas oberhalb 10 km Höhe hört die Temperaturabnahme jedoch ziemlich spontan auf, um dann bald in einen Temperaturanstieg umzuschlagen, wie man 57 auf Abb. 15 sehen kann. Die Erwärmung erreicht ihren Höhepunkt in etwa 50 km Höhe, wo Temperaturen um 0 °C herrschen. Darüber geht die Temperatur wieder langsam zurück und erreicht in 80 bis 90 km Höhe einen zweiten Tiefstwert, um ab 90 km erneut und sehr schnell auf Werte von vielen hundert Grad anzusteigen. Allerdings darf man diese Temperaturen nicht mehr im selben Sinne sehen wie in Bodennähe.

      Infolge der in diesen Höhen äußerst geringen Luftdichte – in 100 km Höhe beträgt sie weniger als ein Millionstel des Bodenwertes – ist die Luft überhaupt nicht mehr in der Lage, Wärme zu speichern und an irgendwelche Objekte wie ein Thermometer oder den menschlichen Körper zu übertragen. Trotz der nominal hohen Temperaturen würde man sie nicht als heiß empfinden. Diese Temperaturen ergeben sich nur rechnerisch nach physikalischen Gesetzen. Die in der Abb. 15 gezeigte Temperatur-Höhenkurve entspricht der US-Standardatmosphäre (Zit. in Kraus, 2004). 58

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      Wesentliche Bedeutung besitzt das Temperaturmaximum um 50 km Höhe. Es verdankt seine Existenz dem dort vorhandenen Ozon. Ozon absorbiert, wie auf Seite 30 schon besprochen wurde, praktisch die halbe ultraviolette Strahlung. Es ist nicht verwunderlich, dass bei einer so starken Energieabsorption eine erhebliche Erwärmung eintritt.

      Dass die höchste Temperatur weit oberhalb des Konzentrationsmaximums zu finden ist, erklärt sich ebenfalls aus der enormen Strahlungsabsorption.

      In der Höhe des Ozonmaximums fehlt schon so viel UV-Strahlung, dass es nur noch zu einer vergleichsweise geringen Erwärmung kommt.

      Infolge des ozonbedingten Temperaturanstieges haben wir zwischen etwa 10 km und etwa 50 km eine zunehmend stabile Schichtung. Vertikalbewegungen der unteren Atmosphäre finden demnach hier ein ziemlich abruptes Ende. Durch diese Sperrschicht werden praktisch alle Wettvorgänge nach oben begrenzt. Selbst die labilsten Gewitterwolken stoßen nur wenig in sie vor.

      Wegen des unterschiedlichen meteorologischen Verhaltens der einzelnen Stockwerke der Atmosphäre hat man ihnen verschiedene Namen gegeben. So nennt man die untere Schicht Wetterschicht oder Troposphäre. Ihre Obergrenze, also das Niveau, bei dem die ozonbedingte stabile Schichtung beginnt, heißt Tropopause, und die darüber befindliche Schicht trägt den Namen Stratosphäre. Diese reicht bis zum Temperaturmaximum in etwa 50 km Höhe und wird von der Stratopause nach oben begrenzt. Die nächste Schicht, die Mesosphäre, reicht wieder bis zum nächsten Temperaturextrem, dem Minimum in etwa 80 km Höhe. Über ihr liegt durch die Mesopause abgegrenzt die Thermosphäre. Im unteren Teil – Mitte der Abb. 15 sind Konzentrations-Höhenkurven des Ozons für 0° und 80° nördlicher Breite dargestellt. Die Daten stammen von Fabian (1992).

      Die Atmosphäre ist bis in eine Höhe von etwa 100 km praktisch gleichmäßig durchmischt. Eine Ausnahme bildet das stratosphärische Ozon (s. Seite 31). Ab etwa 100 km Höhe beginnt sie sich allmählich zu entmischen und zwar in dem Sinn, dass sich die leichteren Gase in den höheren und die schwereren eher in den tieferen Schichten ansammeln. In 1000 km Höhe findet man fast nur noch Wasserstoff.