Bernhard Kempen

Völkerrecht


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Verstoß gegen ius cogens zustande gekommen sind. Als Beispiel ist die Nichtanerkennung von Staaten zu nennen, die unter Verstoß gegen das → Selbstbestimmungsrecht der Völker (Südrhodesien), das Apartheidsverbot (südafrikanische Homelands) oder – abermals – das Gewaltverbot (Türkische Republik Nordzypern) entstanden sind.

      E › Eigentumsschutz (Markus Perkams)

       I. Allgemein

       II. Historische Entwicklung

       III. Schutz ausländischen Eigentums im Fremdenrecht

       IV. Eigentumsschutz in Investitionsförderungsverträgen

       V. Menschenrechtlicher Eigentumsschutz

      Lit.:

      R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985; J.A. Kämmerer, Der Schutz des Eigentums im Völkerrecht, in: O. Depenheuer (Hrsg.), Eigentum – Ordnungsidee, Zustand, Entwicklung, 2005, 131; B. Kempen, Eigentum: ein universelles Menschenrecht?, WiVerw2 2009, 19; Chr. Ohler, Der Schutz privaten Eigentums als Grundlage der internationalen Wirtschaftsordnung, JZ 2006, 875; M. Ruffert, The Protection of Foreign Direct Investment by the European Convention on Human Rights, GYIL 43 (2000), 116; B. Schöbener, Der menschenrechtliche Schutz des privaten Eigentums – eine Zwischenbemerkung, FS für K. Stern, 2012, 901.

      Der Schutz von Eigentum ist schon seit langem Bestandteil des Völkerrechts. Dennoch kann man aus zwei Gründen nicht von einem ausgeprägten völkerrechtlichen Eigentumsrecht sprechen. Erstens hat das Völkerrecht keine wirtschaftliche Gestaltungs- und Ordnungsfunktion, sondern dient lediglich der Koordinierung der Rechte und Pflichten der → Völkerrechtssubjekte. Dementsprechend beschäftigt sich das Völkerrecht nur mit solchen eigentumsrechtlichen Fragen, für die Koordinierungsbedarf besteht. Hier ist insbesondere die Behandlung von Enteignungen ausländischer Vermögenswerte (→ Enteignungsrecht, internationales) zu nennen. Zweitens gibt es im Völkerrecht verschiedene Rechtsgrundlagen für den Eigentumsschutz. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihres personellen und sachlichen Anwendungsbereichs sowie des vorhandenen Schutzniveaus teilweise erheblich voneinander. Die drei gegenwärtig wichtigsten Rechtsgrundlagen sind das im → Völkergewohnheitsrecht verankerte → Fremdenrecht (s. unten, III.), der völkervertragsrechtliche Investitionsschutz (s. unten, IV.) und der im Wesentlichen auf regionalen Menschenrechtskonventionen beruhende menschenrechtliche Eigentumsschutz (s. unten, V.). Da alle drei Rechtsgrundlagen zumindest verwandte Wurzeln haben, kann der Eigentumsschutz im Völkerrecht nur vor dem Hintergrund seiner historischen Entwicklung verstanden werden.

      Der Beginn der Entwicklung des völkerrechtlichen Eigentumsschutzes kann in etwa auf das 18. Jahrhundert datiert werden. In diesem Jahrhundert setzte sich allmählich die Vorstellung durch, dass ein → Staat zwar darüber entscheiden könne, ausländisches Eigentum in seinem Territorium zuzulassen, er aber das einmal zugelassene Eigentum dann respektieren und schützen müsse. Die dogmatische Begründung hierfür legte der Schweizer Völkerrechtler Emer de Vattel (1714 – 1767) in seinem Werk Le droit des gens, ou Principes de la loi naturelle (1758). Vattel argumentierte, dass im Verhältnis der Staaten untereinander das Eigentum der Staatsbürger als Eigentum des jeweiligen Heimatstaates anzusehen sei. Dementsprechend sei ausländisches Eigentum zwar einerseits aufgrund der → Souveränität der Staaten den Rechtsvorschriften des Staates unterworfen, in dem es belegen ist, andererseits bleibe es aber weiterhin ein Vermögenswert des Heimatstaates des Ausländers, der diesem nicht ohne weiteres entzogen werden dürfe. Die Auflösung dieses Konflikts zwischen Anerkennung staatlicher Souveränität einerseits und Schutz staatlichen Eigentums andererseits bestand in der Praxis darin, dass das Recht zur Vornahme von Enteignungen als Teil der staatlichen Souveränität anerkannt wurde, der Staat aber bei einer Enteignung bestimmte Bedingungen einhalten musste. Die wichtigste Bedingung war die Zahlung einer Entschädigung an den Heimatstaat. Die Durchsetzung dieser Rechtslage erfolgte im Wesentlichen im Wege des → diplomatischen Schutzes, in dessen Rahmen auch häufig gemischte Schiedskommissionen zur Entscheidung eingesetzt wurden. Ein frühes Beispiel hierfür ist der Treaty of Amity, Commerce and Navigation between Great Britain and the United States (Jay Treaty) aus dem Jahr 1794, auf dessen Grundlage eine Schiedskommission über gegenseitige Ansprüche aus dem Unabhängigkeitskrieg entschied.

      Ein weiteres wichtiges Ereignis im 18. Jahrhundert war die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26.8.1789, in der das Recht am Eigentum als unveräußerliches Menschenrecht anerkannt wurde (s. Art. 2 und Art. 17). Im Fokus stand damit nicht der Schutz ausländischen Eigentums als Teil des Rechtsverhältnisses zwischen den Staaten, sondern der Schutz des Eigentums von Individuen, unabhängig von der Herkunft des Berechtigten.

      Der menschenrechtliche Ansatz setzte sich jedoch im 19. Jahrhundert nicht durch, so dass der Fokus im Völkerrecht weiter auf dem Schutz ausländischer Eigentumsrechte lag. Die einzige relevante abweichende Meinung zu der anerkannten Praxis wurde von dem argentinischen Völkerrechtler Carlos Calvo (1824 – 1906) im Rahmen der nach ihm benannten Calvo-Doktrin (→ Fremdenrecht, völkergewohnheitsrechtliches) vertreten. Demnach sollten Ausländer nur die Rechte genießen, die die nationalen Rechtsordnungen auch den Inländern gewährten. Darüber hinausgehende Ansprüche der Staaten auf eine bestimmte Behandlung ihrer Staatsbürger und deren Eigentumsrechte sollten nicht bestehen. Dieser Auffassung folgten insbesondere die lateinamerikanischen Staaten, ohne dass sie sich damit jedoch international durchsetzen konnten.

      Wesentliche neue Entwicklungen ereigneten sich dann im 20. Jahrhundert. Zunächst führten die Russische Revolution, die Ausbreitung sozialistischer Wirtschaftssysteme und die Dekolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer ernsthaften Erschütterung der bis dahin anerkannten Rechtspraxis. Die sozialistischen Staaten und die neu entstandenen Staaten bestritten das Bestehen völkerrechtlicher Regeln zum Eigentumsschutz und insbesondere das Bestehen einer Entschädigungspflicht bei Enteignungen. Ein wichtiger Teilaspekt war dabei der Wunsch, die eigene Wirtschaftsordnung frei gestalten zu können, ohne daran von aus der Kolonialzeit stammenden Besitzverhältnissen gehindert zu sein. Die daraus resultierende Debatte wurde