Dave Gross

Prinz der Wölfe


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genug über meine Eltern, um eine Unterhaltung über sie zu führen, also wechselte ich das Thema.

      „Ich mag dieses Lied“, sagte ich. „Wie heißt es?“

      „Das ist ‚Der Prinz der Wölfe‘, ein sehr altes Lied“, antwortete sie. „Vili singt es gut.“ Ohne ihre Augen von mir abzuwenden, nickte sie in Richtung des Sängers, der mir diesen territorialen Blick zuwarf, den ich häufig sehe, wenn ich mit schönen Frauen spreche.

      „Ganz bestimmt“, sagte ich in dem Versuch eines Freundschafts­angebots. Ich konnte in Vilis Gesicht erkennen, dass er kein Wort Taldani verstand.

      „Weißt du, wie Varisier tanzen?“ Sie bewegte ihre Hände so schnell, dass die Armreifen an ihren Handgelenken dabei klingelten und warf sich in eine Pose, die ich auf Kopien berühmter Gemälde gesehen hatte, von denen viele ihr verblüffend ähnlich sahen.

      Bevor ich antworten konnte, spielte der Geiger zum Tanz auf. Noch vor dem zweiten Takt klatschten die Zuschauer mit über ihren Köpfen erhobenen Händen. Dieses Mal zogen sich die Musiker zu ihren Zelten zurück, ließen den Teppichring frei, und Malena wirbelte in die Mitte wie eine Königin auf ihrem Podium. Dort nahm sie eine weitere typische Pose ein, und die Menge grölte ihren Namen.

      Zunächst schien sie sich kaum zu bewegen, doch die Reifen an ihren Handgelenken und Fesseln erklangen im Takt der Musik. Dann drehte sie sich, und ihre Rocksäume flogen hoch und entblößten schlanke, muskulöse Beine. In Egorian war eine Frau, die sich nicht rasierte, eine Seltenheit, und irgendetwas an ihren mit Flaum bewachsenen Waden kitzelte mich im Nacken. Es war entweder das oder ihr natürlicher Moschusgeruch, als sie so nahe an mir vorbeiwirbelte, dass ihre Haare mein Gesicht streiften. Ich erkenne eine Einladung, wenn ich sie sehe, also folgte ich ihr zu dem Teppich und fügte ihrem Dreierschritt ein Gleiten hinzu, um mich ihrem Rhythmus anzupassen. Die Menge lachte, doch Malena begegnete mir auf halbem Wege mit einem Seitschritt, sodass ich sie verfolgen musste, während sie mit einem hauchdünnen Schal, den sie aus ihrer Schärpe gezaubert hatte, Figuren in die Luft malte. Schon bald brachen die Einheimischen in Jubel wie in Gelächter aus, besonders, wenn ich einen Arm um Malenas Taille gleiten und sie wieder entkommen ließ, wenn sie mich mit dramatischer Geste weg stieß. Ich machte eine Schau daraus, nach meiner Börse zu greifen, um sicherzustellen, dass sie sie nicht hatte mitgehen lassen, und die Leute grölten vor Begeisterung. Sie liebten es zu lachen, und ich hatte für sie den Narren gespielt.

      Malena wirbelte herum und lockte mich mit ihrem Schmollmund. Ich ahmte einen unter dem Pantoffel stehenden Ehemann nach, den ich in einer Straßenposse gesehen hatte, die Hände weit und niedrig ausgestreckt, das Gesicht um Verzeihung flehend. Ich kniete mich hin und bot ihr einen unsichtbaren Blumenstrauß.

      Sie zierte sich, tanzte um den Kreis herum, sodass ihr Schal nach und nach die Gesichter der Männer streifte. Einige scheuchten sie weg, als ihre Frauen sie finster anblickten, während andere nach ihr griffen, doch keiner von ihnen war flink genug, um sie zu berühren, als sie sich zurückzog.

      Ich machte einen Schritt auf sie zu, hielt dann jedoch inne. Als ich das letzte Mal an einer schönen Frau Gefallen gefunden hatte, hatte sich sehr schnell die Hölle aufgetan. Während der Monate danach hatte ich nicht einmal die Blicke der Damen des Gewerbes erwidert, und diese hatten begonnen, es mir übelzunehmen. Dennoch, vielleicht wurde es Monate später und fern von daheim allmählich Zeit, die Vergangenheit hinter mir zu lassen und nach vorne zu blicken.

      Während ich nachdachte, musste Malena mein Zögern gespürt haben, denn sie strich nahe an mir vorbei. Ihr Haar roch wie Gras im Spätsommer, und ich fasste einen Entschluss. Ich schlang einen Arm um ihre Taille, beugte sie in meinen Armen nach unten und küsste sie.

      Was Küsse betrifft, war das nicht mein bester. Ich war zu sehr damit beschäftigt, für die Menge eine gute Figur zu machen, und sie war zu überrascht, um zu entscheiden, ob sie sich darauf einlassen oder mich wegstoßen sollte. Ich zog sie wieder hoch. Als ich sie auf die Füße stellte, bestätigte sich meine Vermutung, dass sie einige Zoll größer war als ich. Ich trat einen Schritt zurück, lud sie beinahe zu einer Ohrfeige ein, doch als sie ihre Hand auf meine Wange legte, war es nur eine sanfte Liebkosung. Sie lächelte mich strahlend an.

      Irgendetwas traf meinen Schädel so heftig, dass es mir die Sicht nahm. Ich drehte mich um und machte einen Schritt zurück, während ich die Fäuste hob, um meinen Kopf vor einem weiteren Hieb zu schützen. Mein Blick klärte sich genug, um zu erkennen, dass Vili Malena von mir fortzog. Sie schrie ihn auf varisisch an, zu schnell, als dass ich ihr folgen konnte. Er ignorierte sie und starrte mich zornig an.

      Nun gab es etwas, das ich noch mehr wollte, als ein Tänzchen mit Malena. Ich nickte in Vilis Richtung und winkte ihn mit altehrwürdiger Geste zu mir herüber. Die anderen Sczarni nahmen alle gleichzeitig Abstand, als hätten sie von vornherein gewusst, was geschehen würde. Natürlich wussten sie es – ebenso wie das Publikum, das näherkam, um besser sehen zu können.

      Die Sczarni begannen, in einem unregelmäßigen Rhythmus zu klatschen, und die Menge schloss sich ihnen an. Sie hatten diesen Tanz schon einmal gesehen. Ich ließ Vili führen, und er fing an, mich von links nach rechts zu umkreisen, wie es ein ernstzunehmender Kämpfer niemals tun würde. Er machte eine Schau daraus – für das Publikum, für seine Kumpane und besonders für Malena. Ich ließ ihm Zeit für seine Darbietung, während ich ihn taxierte. Er war fünf oder sechs Zoll größer, aber ich war gut ein oder zwei Stein schwerer als er. Ich stürzte nach vorn.

      Ein Messer erschien in seiner rechten Hand. Es war eine gekonnte Bewegung, so schnell wie Magie. Das Publikum keuchte, und ich kam in der Mitte des Teppichrings zum Stehen. Die Klinge war so lang wie eine Handspanne und sah scharf aus. Es war eine einfache Waffe, gut gepflegt und oft benutzt. Ich schätzte Vilis Fähigkeiten neu ein. Er war gefährlich.

      Ich zog mein eigenes Messer aus der eingenähten Scheide an der Rückennaht meiner Jacke, wo der umgedrehte Griff des Messers aussieht wie der Schwanz, den ich nicht habe – was auch immer einige dieser lügnerischen Dirnen aus dem Listgang sagen mögen. Das Messer war doppelt so lang wie das Vilis, mit einer teuflischen Krümmung, die von den Halsabschneidern in Cheliax und den Priestern des Asmodeus bevorzugt wird. Ich hatte die Schneide heute Morgen geschärft, und die silberne Filigranarbeit glühte im Licht der Nachtmittagssonne auf.

      Vilis Mund blieb unbeweglich, doch das Feuer war aus seinen Augen verschwunden. Er änderte die Richtung und umkreiste mich linksherum, bis er innehielt und eine Schau daraus machte, wie er das Messer auf den Teppich legte. Ich schüttelte meinen Kopf in gespielter Enttäuschung, trat jedoch einen Schritt zurück und stieß das Messer tief in den Block eines Goldschmiedes, der neben einem nahen Zelt stand. Aus den Augenwinkeln sah ich die Gestalt des Taschendiebes heranhuschen. Ich hielt meinen Blick auf Vili gerichtet und sagte auf Varisisch: „Nein.“ Dann, darauf hoffend, dass es jemand übersetzte, fügte ich auf Taldani hinzu: „Wenn du es anfasst, versohle ich dir den Arsch und schmeiße dich wieder ins Hafenbecken.“

      Ich meinte es ernst. Das Messer war teuer gewesen.

      Vili stürmte auf mich zu. Ich wich nach links aus, hakte sein Bein mit meinem Fuß ein und gab ihm einen Stoß, als er vorbeilief. Er stolperte, drehte sich jedoch wesentlich geschickter, als ich gedacht hatte, wieder um. Zähnefletschend senkte er den Kopf und knurrte. Seine Eckzähne waren lang und gelb. Gestank wie von einem Tier stieg von seiner Haut auf, und das blonde Haar auf seinen nackten Schultern wurde dicker.

      Ich wünschte mir, wieder dieses Silbermesser in der Hand zu haben.

      Der Kreis um uns herum vergrößerte sich, und die Menge wurde still. Vilis Knurren wurde tiefer, und auch sein Gesicht begann sich zu verändern. Seine dicken Augenbrauen wuchsen zusammen, während das Haar über seine sich verbreiternde Nase und über seine Stirn floss. Seine Kiefer wurden länger, und die großen Zähne wuchsen weiter. Bevor jemand „Werwolf“ sagen konnte, hatte er mich bereits angesprungen.

      Ich ergriff seine langen Ohren und hielt sie fest. Er rammte seine Fäuste in meine Rippen, doch ich machte mir mehr Sorgen wegen der Zähne. Während ich mich darauf konzentrierte, seine Kiefer von meiner Kehle fernzuhalten, schoss sein Knie hinauf in meine Leistengegend. Er heulte auf, als der Stachel in meinem Lederschutz