Giovanni Mongiovì

Der Himmel Von Nadira


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zu entfernen, der sich auch in ihrem Gesicht befand. Es war noch schwärzer, ohne dass sie es gemerkt hatte.

      „Tochter, es müsste auch einen Qā’id für dich geben.“

      “Vater, was sagt Ihr da?” fragte Apollonia verwirrt, verlegen und überrascht.

      “Einen christlichen Qā’id natürlich.” setzte Alfeo seine Überlegungen fort.

      “Es gibt keinen christlichen Qā’id.” sagte Katharina, die so viel von ihrem Aussehen und ihrem Charakter an die Tochter vererbt hatte, nun aber leider deutlich von Alter und Armut gezeichnet war.

      “Natürlich keinen Qā’id, aber ich möchte trotzdem eine gute Partie für Apollonia finden.”

      “Vater, für mich ist es in Ordnung, so wie es ist!” erklärte das Mädchen und sah einen Moment Corrado an.

      Die Angst, sich von der Familie und damit von ihrem Bruder trennen zu müssen, quälte sie seit Jahren. Doch nun, da sich diese Vorstellung im Willen ihres Vaters zeigte, fühlte sie sich unfähig, sich selbst zu verteidigen. Ihre einzige Waffe wäre es gewesen, ihre Gefühle zu Corrado zu offenbaren… eine Möglichkeit, vor der sie noch mehr Angst hatte.

      „Rede keinen Unsinn! Für niemanden ist es in deinem Alter “so in Ordnung”. Corrado und Michele werden für dich einen Ehemann finden… einer, der auf dem Markt verfügbar ist, natürlich… keinen Qā’id…, sondern den Besten von denen, die Sie finden. Ich habe eine einzige Tochter, und ich möchte das Beste aus dieser Situation herausholen.“

      “Aber Vater, was denkt Ihr, wie könntet Ihr Euch das leisten? Habt Ihr bemerkt, welche Kleidung wir tragen?” sagte Michele polemisch, während er sich erhob und die Risse und Flicken auf seiner Tunica zeigte.

      „Apollonia ist eine schöne Frau und es gibt nichts, worum sie Umars Schwester beneiden müsste. Wenn es nicht um die Fetzen ginge, die wir uns leisten können, hätte sie auch einen Qā’id gefunden.” endete Alfeo zornig.

      “Ihr sprecht mit dem Herzen eines Vaters, aber alles, was ich für mich wünsche, liegt wirklich zwischen diesen vier Wänden.” erklärte Apollonia, streichelte die Hand ihres Vaters und veranlasste ihn, sich zu beruhigen.

      Dann versuchte sie, Corrado nicht anzusehen, aus Furcht, er könnte verstehen, auf was und wen sich ihr letzter Satz bezog.

      “Okay, Vater, sagt uns, wenn Ihr jemanden im Kopf habt, und ich und Michele werden das schon schaukeln.”

      Diese Worte aus Corrados Mund zu hören, war für Apollonia ein Stich ins Herz. Sie hatte jahrelang gehofft, dass ihr Bruder für sie etwas empfinden könnte, das über die in zwanzig Jahren des Zusammenlebens gewachsene Zuneigung hinausgeht. Sie hatte gehofft, dass er sie verstehen würde, ohne dass sie sich ihm offenbaren müsste. Sie hatte sich ein Traumbild geschaffen und jetzt stürzte das ganze Schloss in sich zusammen. Von nun an verlor sich ihr Blick ins Leere und sie starrte auf einen unbestimmten Punkt an der Tür.

      “Ich habe unter den Christen von Qasr Yanna niemanden gefunden, der unsere Situation durch die Hochzeit mit Apollonia verbessern könnte.“

      “Alessandro! Ich habe selbst gesehen, wie er sie umwarb.» schlug Michele vor.

      “Er ist ein Frauenheld.”, erklärte Corrado.

      “Und was interessiert uns das?” fragte Michele.

      “Das ist wichtig, weil Laster teuer sind.“

      “Gut gesagt, Corrado. Und dann hat er bereits dreimal versucht, mich auf dem Markt zu betrügen. Nein, keiner aus Qasr Yanna. Ich möchte, dass ihr nach dem Christoúgenna51, wenn die Erde nicht bearbeitet wird, in den Iqlīm von Demona geht, wo die Menschen immer noch Griechisch kennen und in den meisten Fällen Christen sind. Geht dorthin und findet einen Mann für Eure Schwester… und denkt dann auch an Euch.”

      Corrado und Michele sahen sich an und lachten einen Moment später bei dem Gedanken, sich eine Frau suchen zu müssen.

      “Corrado, du warst schon mal dort; was weißt du über die Mädchen?“ fragte Michele enthusiastisch.

      “Ich war erst neun Jahre alt.”

      “Aber du wirst dich doch an die Frauen erinnern…”

      “Ich erinnere mich an die Bewohner von Rametta52… helle Haut und Haselnuss-Augen!”

      “Genug!” schalt Alfeo und sagte:

      „Wie oft habe ich euch gesagt, dass ihr nicht über diese Jahre sprechen sollt? Corrado ist es, als wäre er in diesem Haus geboren worden!”

      Dann tauschten die beiden Jungen einen wissenden Blick aus: Auf Michelles Geste, die auf seine Brust zeigte, antwortete Corrado, indem er mit beiden Händen gestikulierte, um darauf hinzuweisen, dass die Brüste der Mädchen des Iqlīm von Demona üppig waren. Apollonia hatte es bemerkt; es war zu viel! Sie lief ohne Erklärungen und in Tränen aufgelöst hinaus. Sie versteckte sich hinter den Gemüsegärten auf einer Sumach Plantage. An diesem Tag aß sie nicht und als Corrado nahe an ihr vorbei ging, weil er sie suchte, duckte sie sich vorsichtig, um nicht entdeckt zu werden.

      Kapitel 11

      Winter 1060 (452 seit Hegirae), Rabaḍ von Qasr Yanna

      Bevor Corrado wieder sein Bewusstsein verlor, sah er rechtzeitig die Ikone der Madonna, die in einer Nische in der Hausfassade eingesetzt war und ein obligatorisches Zeichen für Christen war. Michele hatte ihn auf der Schulter getragen, während Apollonia den Weg zwischen den Menschen in Panik frei machte, die versuchten die Flammen zu löschen, die sich kurz zuvor ausgebreitet hatten. Umars Haus wurde von den Flammen verzehrt, während im Kornspeicher dutzende Männer hin und her eilten, um so viel Saatgut wie möglich zu retten; unter befand sich auch Alfeo.

      Caterina weinte an der Tür, als ihre beiden eigenen Kinder den anderen nach Hause brachten, der fast gestorben war, um die Ehre der Familie zu verteidigen, die ihn aufgenommen hatte.

      Michele legte Corrado auf das Bett und rannte weg, um seinen Vater und seine Mitbürger beim Kampf gegen die Flammen des Lagers zu unterstützen.

      Apollonia brachte die Laterne, hielt aber an der Tür an, als sie bemerkte, dass ihre Mutter Corrado von seiner mit Schweiß und dem Tau der Nacht durchtränkten Kleidung entledigt hatte, um ihn mit trockenen Decken zu bedecken. Sie konnte sich nicht daran erinnern, ihn jemals nackt gesehen zu haben, und deshalb errötete sie und hatte Angst, sich ihm zu nähern. Dann, in den dunkelsten Stunden der Nacht, fand sie sich wieder allein, um über ihn zu wachen, so wie sie es in den letzten zwei Tagen getan hatte. Jetzt benetzte sie mit einem nassem Stück seine Stirn, um sein Fieber zu senken.

      Als Corrado die Augen öffnete, drangen die ersten Strahlen, die die Aurora ankündigten, bereits durch das Fenster und der adhān der Dämmerung ertönte im ganzen Rabaḍ, Zeichen, dass die Spiritualität immer über das Unglück siegen musste. Das Fieber war gesunken und Corrado begann, die Kontrolle über seine Muskeln wieder zu erlangen. Die dunklen Striemen an den Handgelenken erinnerten ihn an die Ursache seiner Schwäche und an den Hass auf den, der ihm diese Demütigung verursacht hatte… genau auf den, einen Edlen, den Nachkommen einer rühmlichen, stolzen Abstammung.

      Corrado hatte in zwanzig Jahren des Familienalltags seine Kriegerseele unterdrückt. Diese Realität, die aus Zuneigung, einem Zuhause, liebevollen Eltern, einem vertrauten Bruder und einer geliebten Schwester bestand, hatte das Unbehagen, seinen Leuten fern zu sein, verloren in der Mitte eines Volkes, das ihm als kleiner Junge gelehrt hatte, zu verachten, wieder ausgeglichen. In jenen Jahren wurde die Demütigung, dem Schuldeintreiber des Qā’id, Fuad zuerst und Umar danach, unterworfen zu sein, von Catherina, der Mutter, die er nie hatte, wieder gut gemacht.

      Jetzt lag das schlafende Haupt von Apollonia auf Corrados Brust. Obwohl er ab und zu bewußtlos gewesen war, wusste er genau, wie viel dieses Mädchen für ihn getan hatte. Er fuhr ihr mit einer Hand durch die Haare und streichelte ihre Wange und ihr Ohr.

      Apollonia