Wilhelm Stekel

Die Sprache des Traumes – Eine Darstellung der Symbolik und Deutung des Traumes – Teil 3 – bei Jürgen Ruszkowski


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Vater ist. Er erschießt einen Purpurreiher. (Purpur — Krönungsmantel — Vater) (Zu „Purpurreiher“ vergleiche meine Schrift „Dichtung und Neurose“ S. 54. Der Träumer kennt das Buch sehr genau.) Der Purpurreiher ist in diesem folgenden Traume eine Art Papagei. (Papa!).

      Dieser wichtige Traum lautet:

      (457) „Wir waren auf einer Jagd, aber ich war ganz städtisch gekleidet. Nun stellten wir uns an. Neben mir schoss ein Herr einen Raben, ich wollte auch darauf schießen, aber ich konnte wegen meines Winterrockes nicht schießen. Nun zog ich ihn aus und schoss von einem Baum, auf dem eine Menge Vögel saßen, einen Purpurreiher, eine Art Papagei und einen grauen Raben. Dann sah ich, dass der Papagei noch nicht ganz tot war, und wusste nicht, wie ihn umzubringen.“

      Wie Herr Kappa seine Mordgedanken büßen will, das zeigt uns der nächste Traum, der uns auch die aus Traum Nr. 451 bekannte Leiter bringt, von der man so leicht fallen kann. Auch sehen wir, dass seine Fußideen Bußideen sind. Einmal erlitt er einen schweren Angstanfall, als er einen Auerhahn (Der Auerhahn gebt auch auf seine Vergiftnngsideen mit Gas. Sie hatten in der Wohnung Auerlicht. Er wollte die ganze Familie durch Ausströmen des Gases töten.) schießen wollte. Dahinter steckte wieder die Phantasie des Vatermordes. Ein anderes Mal konnte er keinen hohen Kragen tragen. Die Spitzen genierten ihn furchtbar. Das war ja selbstverständlich. Diese Kragen heißen ja „Vatermörder“.

      Auch ein zwangsartig auftretender Traum: „An deiner Krankheit ist der Gastfreund Hospes schuld!“ fand seine Erklärung in dem Gastfreund aus den „Kranichen des Ibykus“. Die Reihe ist: Rabe, Auerhahn, Purpurreiher, Papagei — Kraniche. (Er hasst alle Vögel — besonders die Raben.)

      Ein Teil seiner neurotischen Symptome, besonders die Fuß- und Bußideen gehen auf den Eindruck des Schillerschen Gedichtes zurück. Er ist der Mörder, der die Entdeckung fürchten muss. Es ist interessant, an diesem Beispiele den Einfluss der Lektüre auf die Neurose zu studieren.

      „Er geht vielleicht mit frechem Schritte

      jetzt eben durch der Griechen Mitte.“

      Er hat Angst vor dem Gehen (Eine andere Assoziation stammt aus „Edward“, der bekannten schottischen Ballade, in der ein Vatermörder ausruft: „Auf Erden soll mein Fuß nicht ruh‘n.“ Kappa fährt immer im Wagen.).

      „Er mengt sich dreist in jene Menschenwelle.

      die dort sich in‘s Theater drängt“

      Er fürchtet Menschenmengen und kann in kein Theater gehen.

      „Da sieht man Schlangen hier und Nattern,

      die giftgeschwollnen Bäuche bläh‘n.“

      Er hat eine außerordentliche Angst vor Schlangen.

      „Wir heften uns an seine Sohlen

      Das furchtbare Geschlecht der Nacht.

      Und glaubt er fliehend zu entspringen

      Geflügelt sind wir da, die Schlingen

      Ihm werfend um den flüchtgen Fuß.“

      Er ist immer auf der Flucht. Er ist Fußfetischist.

      „Nur Helios vermag‘s zu sagen,

      der alles Irdische bescheint.“

      Er meidet das Sonnenlicht. Bei Nacht geht er ohne Angst. „Doch flieht er vor dem Sonnenlicht.“

      „Die Szene wird zum Tribunal.“

      Er fürchtet immer, unschuldig des Mordes angeklagt zu werden. Er hat Angst vor Verrat. Denn:

      „Doch dem war kaum das Wort entfahren

      Möcht‘ er‘s im Busen gern bewahren.“

      Wie er seine Sünden büßen will, das zeigt der nächste Traum, den man „Fuß und Buße“ betiteln könnte.

      (458) „Ich sah auf einmal meinen Papa eine Ruine eines alten Gebäudes (in Rom?) auf einer entsetzlichen leiterartigen Stiege emporklimmen. Ich war ganz entsetzt und hatte große Ängste. Ich stürzte mich ihm nach, besonders da ich wusste, dass mein Bruder mit ihm sei und ich fürchtete, dieser gäbe zu wenig Acht. Auch sagte mein Papa, es sei dort die Ruine eines alt-römischen Domes zu sehen, das Herrlichste, was es gäbe. Ich ging nun nach und drängle mich an mehrere Besucher. Es war ein schrecklicher Aufstieg, ich kletterte mit Händen und Füßen. Oben hatte eben eine Gesellschaft den Dom besichtigt. Ich wollte ihn nun auch besichtigen. Zunächst erkundigte ich mich, ob es nicht eine andere Stiege gäbe, man sagte mir: Nein. Nun kam ein junger Barfüßer-Mönch und fragte mich, ob mein Besuch schon vorher angemeldet worden sei. Ich sagte nein; er erwiderte, dass dies nichts mache, er werde mir nun den alten Dom zeigen. Der Mönch hatte Sandalen an den Füßen, am linken Fuß, über der mittleren Zehe einen grauen Lappen. Nun kam ein anderer Mönch (nicht barfuß, und älter) und sagte, er werde mir die Sachen zeigen. Nun zeigte er mir zunächst an einer Wand zwei alte Füße, von denen er eine Decke abhob, und nun stellte der Barfüßer-Mönch (der auf einmal wieder älter und dick war) seinen Fuß daneben, um die Güte der alten Arbeit darzutun.“

      Es gibt nur eine Rettung vor den Mordideen und nur eine Buße: Die katholische Kirche und die Askese. Seine Sexualität flüchtet zu dem Fuß. Er hat keinen Penis mehr, er hat nur einen Fuß. Ewig wird er sich die Mordideen (die beiden Füße der Bäuerin) vorhalten (Auch die Jagdträume des Herrn Kappa zeigen dieselben Mordgedanken. Er will einen Bock schießen. Sein Gewehr geht nicht los. In diesen Bildern verschmilzt, wie bei den meisten Mordphantasien, das Kriminelle mit dem Erotischen zu einem Symbole. Sein Gewehr ist wirklich nie losgegangen.) und nie seine Sünden vergessen. Er will ein Mönch werden. Er will büßen, wie Ahasver, der fliegende Holländer und der heilige Antonius. Sein Ideal ist Heinrich vor Canossa. Als er eine Schilderung dieser Szene las, begann er nach langer Zeit wieder zu onanieren…

      Auch Herr Omikron wollte seine Familie vergiften:

      (459) „Ich ging spazieren, glaubte exerzierende Kavallerie zu sehen, es waren aber Kinder. Dann war ich auf einem Platz bei einer Bahn und einer Kaserne und sah auf einem Plan nach, wo ich war. Dann fuhr ich in einer Eisenbahn mit anderen. Schließlich waren mein Bruder, ich und noch andere in einem Gartenhaus und zauberten. Besonders streuten wir ein Pulver in Saucen und dann suchten wir etwas aus einem Buch, das Prophezeiungen enthielt.“

      Eine unglaubliche Häufung von Todessymbolen und Mordphantasien. Die Kavallerie besteht aus Reitern, die erstechen und überreiten. Die Bahn überfährt und tötet bei Unfällen. In der Kaserne sind Soldaten mit Gewehren. Dann können die beiden Kleinen „zaubern“ und haben die Gabe des bösen „Blickes“. Schließlich „streuen sie ein Pulver in die Saucen“. (Vergiftung.) Jeder Satz ist eine Phantasie vom Umbringen der Anderen.

      Voll von Mordphantasien ist auch Herr Gino (Alle Zwangsneurotiker sind ausgesprochene Kriminelle. Deshalb spielt die „Todesklausel“ bei ihren Zwangsvorstellungen eine so große Rolle.). (Vgl. Nr. 94 u. 96)

       Der Traum vom Messerschmied

      (460) „Flugapparat, den Papa erfunden hat. Ich sehe auch eine Plakette, worauf jener Flugapparat reliefartig dargestellt war. Ich gehe in ein Hotel — Speisesaal — es hat geschneit — da ist es sehr nass, da der Schnee sich gelöst hat. Es sah die Straße, die von breiig nassem Schnee bedeckt war, so aus wie die Hofgasse in K., wenn man bei dem Geschäft des Messerschmiedes Heisz stand, also wie bei Heisz. Eine Dame hat eine merkwürdig zugeschnittene, hochgeschlossene Bluse; Papa sagt im Scherz zu Mama, ob sie damit exerzieren solle (oder wolle?). Ich bin auch mit dem Apparat geflogen, doch nur auf kurze Zeit, ich sah mich selbst, doch wollte ich doch keinen benützen, da ich meinte, dass ich mich eines Tages doch erschlagen könnte.“

      Der Vater soll sterben (fliegen!). Man macht von dem berühmten Manne schon eine Plakette. (Er verdächtigt ihn der Lues: Plaques). Er will die ganze Familie vergiften. Dass es sich um Tod handelt, darauf deutet der Schnee, der in seinen Träumen immer auf den Blutkomplex geht. Das führt ja zum „Messerschmied“, der seine Mordideen symbolisiert. (Vgl. den Knaben mit dem Messer im Traume Nr. 94.) Auch die merkwürdig zugeschnittene Bluse, ebenso wie das