Friedrich Schiller

Don Carlos, Infant von Spanien


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      Sie um ein kindlich Herz gefleht – doch ohne

      Erhörung stand ich auf. Ach, Roderich!

      Enthülle du dies wunderbare Rätsel

      Der Vorsicht mir – Warum von tausend Vätern

      Just eben diesen Vater mir? Und ihm

      Just diesen Sohn von tausend bessern Söhnen?

      Zwei unverträglichere Gegenteile

      Fand die Natur in ihrem Umkreis nicht.

      Wie mochte sie die beiden letzten Enden

      Des menschlichen Geschlechtes – mich und ihn –

      Durch ein so heilig Band zusammenzwingen?

      Furchtbares Los! Warum mußt es geschehn?

      Warum zwei Menschen, die sich ewig meiden,

      In einem Wunsche schrecklich sich begegnen?

      Hier, Roderich, siehst du zwei feindliche

      Gestirne, die im ganzen Lauf der Zeiten

      Ein einzig Mal in scheitelrechter Bahn

      Zerschmetternd sich berühren, dann auf immer

      Und ewig auseinanderfliehn.

      MARQUIS.

      Mir ahndet

      Ein unglücksvoller Augenblick.

      CARLOS.

      Mir selbst.

      Wie Furien des Abgrunds folgen mir

      Die schauerlichsten Träume. Zweifelnd ringt

      Mein guter Geist mit gräßlichen Entwürfen;

      Durch labyrinthische Sophismen kriecht

      Mein unglückselger Scharfsinn, bis er endlich

      Vor eines Abgrunds gähem Rande stutzt –

      O Roderich, wenn ich den Vater je

      In ihm verlernte – Roderich – ich sehe,

      Dein totenblasser Blick hat mich verstanden –

      Wenn ich den Vater je in ihm verlernte,

      Was würde mir der König sein?

      MARQUIS nach einigem Stillschweigen.

      Darf ich

      An meinen Carlos eine Bitte wagen?

      Was Sie auch willens sind zu tun, versprechen Sie,

      Nichts ohne Ihren Freund zu unternehmen.

      Versprechen Sie mir dieses?

      CARLOS.

      Alles, alles,

      Was deine Liebe mir gebeut. Ich werfe

      Mich ganz in deine Arme.

      MARQUIS.

      Wie man sagt,

      Will der Monarch zur Stadt zurückekehren.

      Die Zeit ist kurz. Wenn Sie die Königin

      Geheim zu sprechen wünschen, kann es nirgends

      Als in Aranjuez geschehn. Die Stille

      Des Orts – des Landes ungezwungne Sitte

      Begünstigen –

      CARLOS.

      Das war auch meine Hoffnung.

      Doch, ach, sie war vergebens!

      MARQUIS.

      Nicht so ganz.

      Ich gehe, mich sogleich ihr vorzustellen.

      Ist sie in Spanien dieselbe noch,

      Die sie vordem an Heinrichs Hof gewesen,

      So find ich Offenherzigkeit. Kann ich

      In ihren Blicken Carlos' Hoffnung lesen,

      Find ich zu dieser Unterredung sie

      Gestimmt – sind ihre Damen zu entfernen –

      CARLOS.

      Die meisten sind mir zugetan. – Besonders

      Die Mondekar hab ich durch ihren Sohn,

      Der mir als Page dient, gewonnen. –

      MARQUIS.

      Desto besser.

      So sind Sie in der Nähe, Prinz, sogleich

      Auf mein gegebnes Zeichen zu erscheinen.

      CARLOS.

      Das will ich – will ich – also eile nur.

      MARQUIS.

      Ich will nun keinen Augenblick verlieren.

      Dort also, Prinz, auf Wiedersehn!

      Beide gehen ab zu verschiedenen Seiten.

      Die Hofhaltung der Königin in Aranjuez.

      Eine einfache ländliche Gegend, von einer Allee durchschnitten, vom Landhause der Königin begrenzt.

      Dritter Auftritt

      Die Königin. Die Herzogin von Olivarez. Die Prinzessin von Eboli und die Marquisin von Mondekar, welche die Allee heraufkommen.

      KÖNIGIN zur Marquisin.

      Sie will ich um mich haben, Mondekar.

      Die muntern Augen der Prinzessin quälen

      Mich schon den ganzen Morgen. Sehen Sie,

      Kaum weiß sie ihre Freude zu verbergen,

      Weil sie vom Lande Abschied nimmt.

      EBOLI.

      Ich will es

      Nicht leugnen, meine Königin, daß ich

      Madrid mit großen Freuden wiedersehe.

      MONDEKAR.

      Und Ihre Majestät nicht auch? Sie sollten

      So ungern von Aranjuez sich trennen?

      KÖNIGIN.

      Von – dieser schönen Gegend wenigstens.

      Hier bin ich wie in meiner Welt. Dies Plätzchen

      Hab ich mir längst zum Liebling auserlesen.

      Hier grüßt mich meine ländliche Natur,

      Die Busenfreundin meiner jungen Jahre.

      Hier find ich meine Kinderspiele wieder,

      Und meines Frankreichs Lüfte wehen hier.

      Verargen Sie mirs nicht. Uns alle zieht

      Das Herz zum Vaterland.

      EBOLI.

      Wie einsam aber,

      Wie tot und traurig ist es hier! Man glaubt

      Sich in la Trappe.

      KÖNIGIN.

      Das Gegenteil vielmehr.

      Tot find ich es nur in Madrid. – Doch was

      Spricht unsre Herzogin dazu?

      OLIVAREZ.

      Ich bin

      Der Meinung, Ihre Majestät, daß es

      So Sitte war, den einen Monat hier,

      Den andern in dem