kurze Überprüfung ergab, dass die Anschrift in Richterich immer noch gültig war. Unverzüglich machten sich die Kommissare direkt auf den Weg zu Neumanns ehemaligem Partner.
Keine Viertelstunde, nachdem sie das Firmengelände verlassen hatten, standen Hansen und Riedmann vor dem Mietshaus in der Berensberger Straße. Sie klingelten und nach wenigen Augenblicken ertönte der elektrische Türöffner. Als Georg Fuchs seine Wohnungstüre öffnete und sich die beiden Ermittler vorstellten, war er sichtlich irritiert.
»Mordkommission?«, fragte er verdutzt nach. »Was ist denn passiert?«
»Das würden wir Ihnen lieber in der Wohnung erklären und nicht unbedingt hier auf dem Flur«, erwiderte Hansen.
»Sicher. Kommen Sie erst mal rein. Und entschuldigen Sie bitte, wie es bei mir aussieht. Ich bin gerade dabei, die Wohnung zu renovieren.«
Fuchs führte die beiden Ermittler in sein Wohnzimmer, wo absolutes Chaos herrschte. Aber irgendwie schafften es die drei, sich auf das Sofa zu quetschen, das eigentlich nur für zwei gemacht war. Hansen, der in der Mitte saß, wandte sich an Fuchs.
»Der Grund unseres Besuches ist leider wenig erfreulich. Heute Morgen wurde Ihr ehemaliger Kollege Herbert Neumann tot in seinem Haus aufgefunden. Genauer gesagt: Er wurde ermordet!«
»Ermordet?«, echote Georg Fuchs bestürzt. »Das kann doch nicht sein. Wie? Wann?«, stammelte er.
»Vermutlich ist er seit letztem Samstag tot. Zu den Einzelheiten seiner Ermordung möchten wir aus ermittlungstechnischen Gründen keine Angaben machen. Wann haben Sie Herrn Neumann zuletzt gesehen oder gesprochen?«
»Sie denken doch hoffentlich nicht, dass ich etwas mit Herberts Tod zu tun habe, Herr Kommissar?«
»Wir stehen gerade erst am Anfang unserer Ermittlungen. Das ist also zunächst einmal eine reine Routinebefragung«, erwiderte Hansen ruhig. »Wir befragen alle Menschen aus dem direkten Umfeld des Ermordeten. Und Sie wurden uns als einer der engsten Vertrauten von Herbert Neumann genannt. Also, wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
»Ich verstehe. Wobei das mit dem engen Vertrauten mehr als übertrieben ist. Ich habe Herbert schon länger nicht mehr gesehen, das letzte Mal auf der Beerdigung seiner Frau. Und dann haben wir vielleicht noch ein- oder zweimal telefoniert. Seit ich Frühpensionär bin, hatten wir kaum Kontakt.«
»Was für ein Mensch war er?«
Georg Fuchs überlegte nur einen kurzen Moment, bevor er antwortete. »Ganz am Anfang war Herbert echt in Ordnung. Wir haben uns gut verstanden, nicht nur beruflich, sondern auch privat. Aber das war nur der erste Eindruck. Je länger wir uns kannten, desto mehr habe ich meine Meinung diesbezüglich geändert.«
»Und was heißt das konkret?«, bohrte Hansen nach.
»Um ehrlich zu sein, war er ein Arschloch. Ein riesengroßes Arschloch!«
Die Vehemenz der Antwort und der Wortwahl irritierte die beiden Ermittler, die einen kurzen Blick austauschten.
»Können Sie uns das etwas genauer erklären?«, bat der Hauptkommissar.
»Es war ein schleichender Prozess. Es ist ihm wirklich lange gelungen, seine Fassade aufrechtzuerhalten. Aber nach und nach ist die dann gebröckelt. Herbert war ein absoluter Pflichtfanatiker. Er hatte immer etwas an mir zu nörgeln, was meine Arbeitsdisziplin anging. Ich glaube, er kam nicht damit klar, dass er nach der Wende in einem demokratischen Rechtsstaat leben musste. Er hat wohl schon kurz nach dem Mauerfall seinen Job bei der Polizei drüben verloren. Irgendwas muss da vorgefallen sein. Aber bevor Sie nachfragen, ich weiß nicht, was das gewesen sein könnte. Nur eins war klar, er hatte definitiv ein Problem mit der politischen Neuorientierung. Die Uhren im Westen gingen halt ein bisschen anders als im Osten. Gegen Zucht und Ordnung ist ja nichts einzuwenden. Aber er war ein regelrechter Fanatiker, wenn Sie mich fragen.«
»Das klingt interessant. Was kann ich mir genau darunter vorstellen?«, wollte Hansen wissen.
»Gefühlt jeder zweite Satz begann damit, dass sie in der DDR ja alles ganz anders gemacht haben und dass damals ja sowieso alles viel besser war. Es gab keine Arbeitslosigkeit, die Kindererziehung war spitze, die Kriminalitätsrate war niedriger als hier im Westen. Und mit Verbrechern ginge man ja in der BRD ohnehin viel zu lasch um. Lauter solches Zeug!« Fuchs machte eine wegwerfende Handbewegung. »Irgendwann ist mir mal der Kragen geplatzt, und ich bin mit ihm aneinandergerasselt. Hab meinen Chef anschließend darum gebeten, mit einem anderen Partner auf Schicht gehen zu dürfen. Und das, obwohl ich nicht mehr lange hatte bis zur Rente. Es ging einfach nicht mehr«, erklärte Fuchs fast schon entschuldigend.
»Wie haben Sie diesen Wunsch begründet?« Diesmal hakte Riedmann nach.
»Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Partner hin und wieder getauscht werden. Außerdem habe ich ihm nicht erzählt, was der Grund für meinen Wunsch war. Solange die Arbeit gut erledigt wird, stellt der Chef keine Fragen!«
»Und so wurde Kai Paulus der neue Partner von Herbert Neumann. Komisch nur, dass weder Paulus noch Ihr ehemaliger Chef uns etwas von diesen Besonderheiten Ihres Kollegen erzählt haben«, wunderte sich Hansen.
»Das überrascht mich nicht im Geringsten. Herbert war ja nicht dumm. Ihm war klar, dass er es sich nicht erlauben konnte, auch noch mit Kai anzuecken. Und im Gegensatz zu mir hätte Kai dem Chef sicherlich die wahren Gründe für einen Streit genannt. Außerdem hatte ich Neumann klar zu verstehen gegeben, dass er seine Klappe halten sollte, wenn er seinen Job behalten wollte. Offensichtlich hatte er seine Lektion gelernt«, meinte der ehemalige WUSA-Angestellte.
»Können Sie uns etwas über das Privatleben von Herrn Neumann erzählen?«
»Ich weiß nicht mal, ob er überhaupt eins hatte. Selbst in der Anfangszeit, als wir uns noch gut verstanden haben, lebte er ziemlich zurückgezogen mit seiner Frau. Ich war nur zwei- oder dreimal bei ihm zu Hause. Nachdem sie letztes Jahr gestorben ist, hat er sich noch mehr eingeigelt. Freunde hatte er unter den Kollegen jedenfalls nicht.«
»Und Feinde?«, fragte Riedmann.
Georg Fuchs schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Aber er war ein schwieriger Zeitgenosse. Würde mich also nicht sonderlich überraschen, wenn er Feinde hatte.«
Hansen dachte über die nächste Frage nach. »Hatte Herbert Neumann Kinder?«, wollte er schließlich wissen.
»Glücklicherweise nicht. Er hasste Kinder. Er hat sich immer sehr abfällig über sie geäußert. Sie kosteten nur Zeit und Geld, hat er einmal gesagt. Da war er bei mir natürlich an der richtigen Stelle. Meine Frau und ich haben zwei Kinder und mittlerweile sind wir stolze Großeltern eines kleinen Jungen!«, sagte der Mann mit einem Lächeln.
»Dann haben wir für den Moment keine weiteren Fragen. Sollte noch einmal Redebedarf bestehen, wissen wir ja, wo wir Sie finden können. Viel Spaß bei den Renovierungsarbeiten«, meinte Hansen und reichte Fuchs zum Abschied die Hand.
»Ich hoffe, dass Sie den Mörder schnappen. Herbert war zwar sicherlich nicht der liebenswerteste Mensch auf Erden, aber einen gewaltsamen Tod hatte er ganz bestimmt nicht verdient.« Georg Fuchs begleitete die beiden Ermittler zur Wohnungstür und verabschiedete sich dann.
»Was sollte denn die Frage nach den Kindern?«, erkundigte sich Riedmann, als sie die Treppe zum Ausgang hinabstiegen.
»Weil wir schon am Tatort festgestellt haben, dass zu solch einer Tat nur jemand fähig ist, der entweder tiefen Hass empfindet, oder aber einfach nur Spaß am sadistischen Töten hat.«
»Ja und?« Riedmann runzelte die Stirn.
»Herbert Neumann war ein schwieriger Mensch, wie wir gerade erfahren haben. Es wäre ja denkbar gewesen, dass sich zum Beispiel sein Sohn auf diese Weise von dem tyrannischen Vater befreit hat. Aber diese Möglichkeit scheidet jetzt aus.«
Kapitel 5
Später im Büro begann Riedmann sofort damit, ein paar allgemeine Informationen über die Polizei der