Dagny Kraas

Dämonentreue


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ficha'thar!«

      Cridan sah ihn an und spürte, wie ernst Tiko es meinte. Er schluckte die Entgegnung, die ihm schon auf der Zunge lag, hinunter und senkte gehorsam den Kopf.

      »Natürlich«, sagte er. »Verzeih mir, mein König.«

      Tiko erwiderte seinen Blick.

      »Es ist verziehen«, brummte er, noch leicht verärgert. »Und nun geh. Du hast zu tun.«

      Cridan griff nach Waffengurt und Stiefel, nahm die Treppe nach unten mit zwei großen Sprüngen und war mit wenigen Schritten an Mert vorbei. Das Geräusch, mit dem der Mann scharf den Atem einsog, hörte er trotzdem, und es ließ ihn grinsen, während er sich in die Kajüte im Vorschiff duckte und in den Schränken nach etwas suchte, das ihm als Kleidung dienen konnte.

      Er fand schließlich eine weite Hose, die zwar reichlich kurz war, aber ansonsten recht gut passte, und ein Hemd, dessen ursprünglicher Schnitt darauf schließen ließ, dass es eigentlich ein luftiges Bekleidungsstück sein sollte – bei Cridan saß es hauteng.

      Zuletzt schloss er den Waffengürtel um seine Hüften, ließ jedoch die Stiefel in der Kajüte stehen. Dann setzte er sich wieder gegenüber von Mert auf die Bank, griff nach seinem Becher und dem Krug und stellte fest, dass Mert nahezu den gesamten Inhalt des Kruges geleert hatte.

      Er hob anerkennend die Brauen, goss den Rest in seinen Becher und hob ihn an.

      »Wie sieht es aus?« fragte er. »Habt Ihr einen Entschluss gefasst?«

      Mert antwortete nicht gleich. Cridan nahm einen Schluck von dem Schnaps und wartete geduldig.

      Nach einer Weile seufzte Mert.

      »Ihr seid ein guter Beobachter, Cridan. Und Ihr habt Recht. Ich bin kein Handlanger, und ich bin auch kein Laufbursche. Ich arbeite in Sureths Namen und in seinem Auftrag, aber zugleich auch auf eigene Rechnung.«

      Cridan runzelte lediglich die Stirn, sagte jedoch nichts, so dass Mert nach einer Weile weitersprach:

      »In den letzten fünfzehn Jahren war ich Berater an Gantuighs Hof. Zunächst unter Gulbran, dann Esracan, Mar'Tian und schließlich unter Enod. Eine gute Arbeit mit einem sicheren und festen Einkommen. Vor dem Krieg sogar noch besser. Die Beutezüge der Dämonen bildeten einen festen Bestandteil in der Wirtschaft von Gantuigh und waren ein nicht unwesentlicher Grund für Gantuighs Reichtum. Und für meinen.« Er grinste schief.

      »Ah«, machte Cridan verstehend. »Ihr habt in Eure eigene Tasche gewirtschaftet, richtig?«

      »Richtig«, bestätigte Mert. »Nichts Großes, nichts Auffälliges, nur ein wenig bevorzugter Handel, wie ich es nennen würde. Ich habe die Waren der T'han T'hau angekauft und dafür gesorgt, dass auf der Liste der zu besteuernden Dinge schließlich weniger auftauchte als eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Den Dämonen blieb dabei mehr als sie sonst gehabt hätten, ich hatte meinen Anteil, und für Gantuighs Schatzkiste war immer noch genug über. So waren alle Seiten zufrieden, und ich muss sagen, dass ich mit einigen Eurer Leute ein ausgesprochen gutes Handels­verhältnis hatte.«

      Cridan legte den Kopf schief. »Das erklärt, warum Ihr Alt-Gantuigh sprecht«, bemerkte er. »Ihr habt es Euch vermutlich selbst beigebracht.«

      »Es ist gar nicht so schwer, wie es auf den ersten Blick scheint«, stimmte Mert zu. »Und es macht die Verhandlungen mit einem Dämon deutlich einfacher, wenn man sie in seiner eigenen Sprache führt.«

      Cridan nickte. »Und es erklärt auch, weshalb Ihr im Umgang mit T'han T'hau unbefangener seid als es Menschen normalerweise sind.«

      Mert zuckte die Achseln. »Ich habe jahrelang Geschäfte mit Euch gemacht. Das Ende der Dämonen beendete dieses Geschäft leider – und auch die Spannung, die es immer begleitet hatte. Was soll ich sagen: Mir wurde langweilig! Die Beratertätigkeit war nichts, was mich ausgefüllt hätte. Also fing ich an, mich mit der Geschichte der T'han T'hau zu beschäftigen. Aus eigenem Interesse begann ich, Nachforschungen anzustellen. Und je mehr ich über Euer Volk lernte, um so mehr wollte ich wissen. Ich fing an, uralte Dokumente aus den Archiven auszugraben und schließlich selbst nachzufragen, wo sich die Gelegenheit ergab. Je länger ich suchte, um so geschickter wurde ich im Auffinden der Spuren und desto mehr begriff ich die Zusammenhänge, bis mir eines Tages klar wurde, was wirklich geschehen ist. Es war so ungeheuerlich, dass ich mehrere Anläufe brauchte. Gut, ich wusste, dass die T'han T'hau nicht durch Zufall entstanden sind. Das weiß vermutlich jeder. Die Geschichte, wie das Volk Gantuighs sich gegen die Unterdrücker von außerhalb zur Wehr setzen musste, ist jedem geläufig. Aber die T'han T'hau waren schon lange nicht mehr nur zu Gantuighs Schutz da. Die Herrscher Gantuighs haben die Dämonen über Jahrhunderte für ihre Zwecke missbraucht und zugleich dafür gesorgt, dass sie niemals zu viel Macht erlangen würden. Ich stieß bei meinen Nachforschungen auf schreckliche Dinge.«

      Er starrte in seinen Becher. Die Anspannung aus seiner Stimme war verschwunden und hatte einer betroffenen Traurigkeit Platz gemacht.

      »Einmal fand ich ein Pergament, auf dem vermerkt worden war, wie viele Kinder der T'han T'hau man töten müsste, so dass die Gesamtanzahl nicht zu hoch werden würde. Und wie vielen Frauen man erlauben dürfte, sich fortzupflanzen. Wie vielen und welchen Männern, und was der Verfasser der Schriften empfahl, um dies zu gewährleisten.«

      Er hob den Kopf wieder und sah Cridan an. In seinen Augen stand ein Schatten des Entsetzens, das er damals empfunden haben mochte.

      »Sie haben Euch regelrecht gezüchtet. Sie haben die besten Erbanlagen gefördert und schlechte ausgemerzt. Ohne Gnade, ohne Rücksicht – ohne… ohne Menschlich­keit. Sie haben Euer Volk kontrolliert und ausgenutzt. Bis Skatarhak dem ein Ende setzte und sich der Kontrolle nicht nur entzog, sondern mit aller Gewalt versuchte, das Schicksal der Völker auf Gantuigh umzudrehen. Es hat etwas Faszinierendes und zugleich Abstoßendes, auf beiden Seiten. Und es hat mich nicht mehr überrascht, dass es in einer solchen Katastrophe endete. Konflikte dieser Größenordnung lassen sich nicht friedlich beilegen. Es musste ein dramatisches Ende geben. Dabei war Esracan ein guter Herrscher gewesen, ein weiser Mann, der versucht hatte, die Untaten seiner Vorgänger nicht länger zu wiederholen. Er wollte die T'han T'hau in die Gesellschaft von Gantuigh zurückholen, aber es war zu spät. Die Kluft zwischen den Völkern war längst viel zu tief. Hätte einer der Herrscher vor ihm die Zeichen früher erkannt, hätte Skatarhak oder sein Vater es früher gesehen… Hätte auch nur einer von uns die Zeichen erkannt, hätte man es vielleicht verhindern können… aber so?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Die Geschichte der Dämonen – der T'han T'hau – ist eine furchtbare Geschichte, und dennoch oder vielleicht gerade deswegen erwuchs aus ihr ein Volk, das so unbeugsam war, dass es eher den eigenen Untergang wählte als sich weiter als Sklaven halten zu lassen. Nennt Ihr das keine Tragik?«

      Cridan zögerte einen Augenblick mit der Antwort.

      »Nein«, sagte er und lächelte. »Das nenne ich Stolz.«

      Mert stutzte, doch dann schnitt er eine belustigte Grimasse.

      »Von Euch hätte ich diese Antwort erwarten sollen.«

      Eine Weile lag Schweigen zwischen ihnen – ein Schweigen, in dem jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.

      »Ich fange langsam an, Euch zu verstehen«, sagte Cridan dann. »Ich verstehe vor allem, weshalb Ihr uns T'han T'hau gegenüber immer noch verhältnismäßig unvorein­genommen seid.«

      Mert lachte trocken auf.

      »Das nun nicht unbedingt«, widersprach er. »Aber ich trete auch den Menschen nicht mehr unvoreingenommen gegenüber. Ich habe gelernt, zu welchen Grausam­keiten Menschen fähig sind. Insofern wiegt das eine vielleicht das andere auf.«

      Cridan lächelte wieder. »Wie dem auch sei. Es erklärt, warum Ihr Euch von Sureth habt anheuern lassen, nach T'han T'hau zu suchen. Es war nicht nur Eure Wissbegierde und Eure Neugier, die Euch danach trieb, die Spuren der T'han T'hau zu verfolgen, sondern auch Euer schlechtes Gewissen. Ihr fühlt Euch schuldig für das, was Eure Vorfahren meinem Volk angetan haben, und