Friedrich Ruckert

Rostam und Sohrab


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durch den andern zu verderben.

      19.

      Da hörte vom Gerücht Sohrab, dass Baruman

      Vom Schah Afrasiab mit Truppen zieh’ heran,

      Mit Ross und mit Kamel und großem Heergedränge,

      Ehrengeschenk und Brief und festlichem Gepränge.

      Der junge Mann, wie er die Kund’ erfuhr, schnell tat er

      Den Gürtel um und zog mit seiner Mutter Vater.

      Entgegen zum Empfang zog er schnell wie ein Wind;

      Wie so viel Volks er sah, froh staunete das Kind.

      Mehr staunte Baruman, als er die stolzen Glieder,

      Die edle Bildung sah, das Staunen schlug ihn nieder.

      Im Staunen war gemischt Furcht und Bewunderung

      Und Mitleid, wie er sah den Helden schön und jung.

      Der greise Feldherr sprach bei sich: Auf Ruhmespfaden

      Gehn sollte solch ein Schmuck der Jugend ohne Schaden.

      Verdienen möchte’ er wohl, ihm wäre statt Verrat

      Zum ungestümen Mut beschieden weiser Rat.

      Wenn ihm der Doppelrausch der Jugend und des Ruhms

      Zu Kopfe steigt, o weh dem Stolz des Rittertums!

      Zu Sohrab sprach er drauf: O edler junger Leue,

      Den Brief schickt dir der Schah, dass er dein Herz erfreue.

      Lies mit Bedacht den Brief des Schahs von Turanland,

      Und was du dann befiehlst, das steht in deiner Hand.

      Die Ehrengaben nimm, die dir gesendet sind;

      Ich selbst steh’ und dies Heer dir zu Gebot, o Kind!

      Sohrab, der junge Mann, nachdem er las den Brief,

      Das erste war, dass er sein Heer zum Aufbruch rief;

      Das Heer der Seinigen; dem Barman, seinem Gast

      Und dessen Leuten gab er auf drei Tage Rast.

      »Der Mutter Vater soll bewirten euch mit Schmause,

      Die Mutter selbst dazu; ich geh nicht mehr nach Hause.

      Es leidet länger nicht mich in der Mutter Haus;

      Lebt wohl und kommt uns nach! Wir reiten euch voraus.“

      Die Pauke ward gerührt, zusammen strömten Krieger

      Und sprangen mit Geklirr auf Rosse rasch wie Tiger.

      Die Rosse wieherten, es schmetterten Trommeten,

      Die Fahnen flatterten, die Fahrt ward angetreten.

      Aus Turan brach der Sturm hervor auf Irans Flur;

      Zerstörung, Flucht und Raub bezeichnete die Spur,

      Und wüste ward gelegt das Land, soweit er fuhr.

      Drittes Buch.

      20.

      Da war ein Schloss, das hieß das Weiße Schloss im Land,

      Darauf die Zuversicht des Reiches Iran stand,

      Dass es verteidigen den Pass der Grenze sollte,

      Wenn da hervor ein Feind aus Turan brechen wollte.

      Drum waren auf dies Schloss gesetzt zu Schirm und Halter

      Statt eines Wärtels zwei, ein junger und ein alter;

      Der alte, dass er es behütete mit Rat,

      Der junge, dass er es verteidigte mit Tat.

      Hodschir, der junge Vogt, ließ, weil die Waffen schwiegen,

      Vom Kinde Gaždahams, des alten, sich besiegen.

      Die hieß Gordafarid, das heißt „ein Held geschaffen“,

      Weil sie, die zarte Maid, war wie ein Held in Waffen.

      Hodschir mit Rennen und mit Schießen nach dem Ziele

      Versuchte, dass er ihr durch Männlichkeit gefiele;

      Vergebens! Weil ihm selbst in diesen Künsten sie

      Zuvor es tat, kam er mit ihr zum Ziele nie.

      Er wünschte, dass einmal ein Feind vorm Schloss erschiene,

      Dass ihren Beifall er im ernstern Kampf verdiene.

      Und als er eines Tags ein Heer von Türken sah

      Anrücken, glaubt’ er sich zwiefachem Siege nah,

      Dem einen, den er wollt’ erobern im Gefild,

      Dem andern in der Burg am schönen Frauenbild.

      Da wappnete sich schnell der mutige Hodschir

      Und stieg aufs Ross, gespornt von Lieb’ und Kampfbegier.

      Des Tores Hüter ließ er weit auftun das Tor

      Der alten Burg und ritt zum Einzelkampf hervor.

      Er ritt den Berg hinab, dem Feind entgegen jach,

      Und von der Mauer sah Gordafarid ihm nach.

      21.

      Mit scharfem Ritte kam der kühne Reck’ herbei

      Und tat ans Türkenheer von weitem einen Schrei:

      Von wannen sind geschart die Ritter und die Knechte?

      Wer unter ihnen ist der tapferst’ im Gefechte?

      Ich habe lange schon auf eure Gegenwart

      Als wie ein Bräutigam auf seine Braut geharrt.

      Wer wagt es, gegen mich mit eingelegter Lanzen

      Zu rennen, dass wir hier den Hochzeitreigen tanzen?

      Desselben Haupt will ich dort auf die Zinne pflanzen!

      Er hatte seinen Ruf gerufen laut genug,

      Doch keiner war im Heer, der Lust zur Antwort trug.

      Zu heben wagte sich nicht eines Türken Hand,

      Die erste Waffentat zu tun im Perserland.

      Doch Sohrab, als er all die Tapfern schweigen sah,

      Ergrimmt’ er, und das Schwert zog er für alle da.

      Alswie ein Tiger bricht am Strom aus Schilf und Rohr,

      So drang er aus dem Chor der Seinigen hervor.

      Laut rief er zu dem kampfgerüsteten Hodschir:

      Was treibt allein dich her mit solcher Kampfbegier?

      Du meinst wohl, dass wir uns vor starken Worten scheuen?

      Du kamest nicht zur Jagd des Fuchses sondern Leuen.

      Aus Turan brach ich auf, ganz Iran will ich zwingen,

      Und auf dein Haupt soll mir der erste Streich gelingen.

      Sohrab, den Namen gab mir meine Mutter bei,

      Und Rostam sagte sie, dass er mein Vater sei.

      Den Vater eben aufzusuchen, zog ich aus;

      Und wessen Sohn ich sei, zeig’ ich in Kampf und Strauß.

      Doch sag’ auch deinem Stamm, den Namen und die Deinen!

      Denn heut muss über dich Braut oder Mutter weinen.

      22.

      Zur Antwort gab Hodschir: Verwegner, schweige still!