Karl May

Orangen und Datteln


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mit seiner Frau getötet hat. Oeffnet euren Mund, und redet die Wahrheit, sonst werdet ihr von meinem Zorne zerschmettert und von meinem Grimme vernichtet, denn ich bin Hassan el Kebihr!«

      »Wir haben kein Unrecht begangen,« behauptete der Khabir, »und lassen uns von keinem Ungläubigen richten. Habt ihr eine Klage, so stellt uns vor einen Kadi und seinen Adul (Beisitzer); ihm werden wir antworten, aber nicht euch.«

      »Du wirst mir antworten,« entschied ich, »sonst öffnet dir meine Peitsche den Mund.«

      »Du darfst keinen Gläubigen schlagen!«

      »Wer will es mir wehren? Hat nicht meine Peitsche sogar den Karawanenwürger getroffen?«

      »Diese Männer werden es nicht dulden. Sie sind Moslemin.«

      »Sie sind Moslemin und kennen das Gesetz, welches sagt: ›Blut um Blut‹. Du wolltest sie in den Tod führen; dein Leben gehört ihnen,«

      »Ich habe sie den rechten Weg geführt. Sagte nicht auch der Hedjahn-Bei, daß wir morgen in Safileh sein werden?«

      »Sagtest du mir nicht selbst, daß heute, wenn alles schläft, die Gum kommen werde?«

      »Ich habe nichts gesagt. Du bist ein Ungläubiger und willst uns verderben.«

      »Lüge nicht, Khabir! Der Tod streckt seine Hand aus nach dir, und dein Prophet spricht: ›Redetest du nie die Wahrheit, so rede sie, wenn du stirbst, damit Allah dich ohne Flecken sieht!‹ Wir sind beim Bab-el-Ghud, und Safileh liegt gegen Mitternacht von hier. Du hast gehört, daß ich der Bruder des Behluwan-Bei bin, der mächtiger ist als die Gum. Er hat einen Geist bei sich und ich auch, der uns alles sagt, was wir wissen wollen. Hier, sieh ihn an! In diesem kleinen Häuschen ist seine Wohnung, und ich werde ihn fragen: Wo liegt Safileh?«

      Ich zog den Kompaß hervor. Der Araber ist außerordentlich abergläubisch, und ich wußte, daß das unbekannte Instrumentchen eine größere Wirkung hervorbringen werde, als alles Ermahnen und Drohen.

      »Siehst du, wie er nach Mitternacht zeigt? Seht es auch, ihr Männer! Ich kann seine Wohnung nach allen Richtungen drehen, er zeigt euch immer ganz denselben Weg.«

      Der Kompaß wurde mit staunender, ehrfurchtsvoller Scheu betrachtet, und selbst der lange Hassan, der ihn noch nicht beachtet hatte, konnte seine Bewunderung nicht verbergen.

      »Sihdi, du bist ein großer Zauberer! Dir kann niemand widerstehen!« meinte er.

      »Hast du diesen Geist schon bei einem Gläubigen gesehen, Khabir? Die Christen sind weiser und mächtiger als die Moslemin, und wenn du nicht gehorchest, so werde ich dir auch deinen Geist aus dem Leibe ziehen und ihn noch viel enger einsperren als diesen hier, der einst auch ein verräterischer Khabir war und nun gefangen bleibt in alle Ewigkeit, um dem Wanderer den Weg zu zeigen.«

      »Frage, Sihdi; ich werde die Wahrheit sagen!« gelobte voll Angst der durch diese Drohung, über welche der beschränkteste Europäer gelacht haben würde, eingeschüchterte Muselmann.

      »Du gestehst, daß du mit dem Schech el Djemali zu den Leuten des Hedjahn-Bei gehörst?«

      »Ja.«

      »Die Gum sollte heute diese Kaffilah überfallen?«

      »Ja.«

      »Dabei sollten alle Männer getötet werden?«

      »Ja,« antwortete er zögernd.

      »Wie stark ist sie?«

      »Ich weiß es nicht, Sihdi, ob alle Djemalan beisammen sind. Die Gum hat an jedem andern Orte andere Leute.«

      Das war ein weiterer Beitrag zur Lösung des Rätsels von der schnellen Beweglichkeit der Raubkarawane. Der Hedjahn-Bei ritt allein von Ort zu Ort und fand überall zum Raub gerüstete Leute, und da es zwei Brüder waren, so konnte es allerdings scheinen, als ob der gefürchtete Räuber mit den Seinen allgegenwärtig sei.

      »Kennst du den jungen Franken, welchen der Bei gefangen hält?«

      »Ja. Er ist auf EI Kasr.«

      »Wie viele Eingänge hat das Schloß?«

      »Einen durch das Thor, Sihdi, und eine unterirdische Treppe, die nach dem Schott hinabführt.«

      »Wo wartet die Gum auf die Kaffilah?«

      »Wenn du jetzt gegen Aufgang reitest, so erreichst du sie, wenn dein Schatten zweimal und noch die Hälfte so lang ist, wie du selbst.«

      »Der Bei wollte kommen, um vor dem Ueberfall mit dir zu sprechen. Wo sollst du ihn treffen?«

      »Er wird die Kaffilah kommen sehen und ihren Lagerplatz kennen. Wenn alles schläft, wird die Hyäne rufen, so daß ich weiß, wo er steht.«

      »Ist dies die erste Karawane, die du in das Verderben führest?«

      Er schwieg.

      »Du bist ein großer Sünder, Khabir, doch sollst du nicht getötet werden, wenn du mir gehorchest und mich zum Schlosse führst.«

      »Rhemallah, das verhüte Gott!« rief da der Tebu. »Hast du meine Söhne gesehen, Sihdi, und die Thränen meines Auges? Hast du gefühlt den Gram meines Herzens und gehört die Schwüre meiner Seele? Ich habe gelobt bei den acht Himmeln Allahs und den sieben Höllen des Teufels, bei dem Munde Ozairs (Esra) und dem Haupte von Seydna Yaya (heil. Johannes), daß jeder Mann sterben soll, der mit dem Mörder ist. Ed dem Wed dem – en nefs b'en nefs, Blut um Blut, Leben um Leben! Giebst du mir diese Männer, Sihdi?«

      »Ihr Leben gehört nicht mir; ich kann es nicht verschenken.«

      »Wohlan, so gehört es mir!«

      Ehe ich es hindern konnte, fuhr seine Lanze dem Khabir in die Brust, und im nächsten Augenblick hatte er die Kehle des Schech el Djemali durchschnitten.

      »Hamdulillah, Preis sei Gott, der da gerecht richtet im Himmel und auf Erden,« jubelte er. »Meine Rache wird fressen unter den Mördern, bis die Gum in der Dschehenna wohnt!«

      Ich konnte mit ihm nicht rechten, obgleich mir die beiden Toten sicher von Nutzen gewesen wären. Die Strafe, welche sie so schnell ereilt hatte, war jedenfalls eine wohlverdiente, wenn man an die Opfer dachte, welche sie dem Hedjahn-Bei an das Messer geliefert hatten.

      »Weißt du nicht, Abu billa Beni, daß der Prophet sagt: ›deine That sei schnell, aber dein Gedanke langsam vorher?‹ Diese Verräter waren uns nötig, um die Gum zu fangen; jetzt aber schweigt ihr Mund, und ihr Fuß kann uns nicht zu den Räubern führen.«

      Schon befand sich alles, was die Toten getragen hatten, in den Händen der Araber. Der Uëlad Sliman hatte noch einen ziemlichen Vorrat von Wasser und Proviant bei sich geführt; ich ließ beides verteilen und nahm die Bischarinhedjihn der Gefallenen als Beute für mich in Beschlag.

      Die Kaffilah hielten leise beratend bei einander; dann trat einer von ihnen zu mir.

      »Sei unser Khabir, Sihdi! Du hast einen Geist, der uns nach Safileh bringen wird.«

      »Wollt ihr diesem Geiste gehorchen?«

      »Ja. Sage uns seine Befehle!«

      »Ihr werdet nicht nach Safileh kommen, wenn ihr die Gum hinter euch laßt; sie wird euch verfolgen und vernichten. Doch wenn ihr tapfere Uëlad Arab seid, so werden wir die Räuber töten, und der Pilger kann fortan in Frieden durch die Wüste ziehen.«

      »Wir sind tapfer, Sihdi, und haben keine Furcht, doch die Gum hat mehr Männer, als wir sind, und wird uns besiegen.«

      Ich mußte ihnen Mut machen.

      »Mein Geist sagt mir, daß sie uns nicht besiegen wird. Ich bin der Bruder des Behluwan-Bei, der am Bab-el-Ghud auf uns wartet; er wirft die Räuber nieder wie dürren Weizen. Seht hier: diese zwei Revolver, von denen ihr noch niemals gehört habt, fressen zwölf Männer auf; diese Büchse sendet zwei von ihnen zum Scheitan, und dieser Henrystutzen, dessen Namen noch kein einziges Mal an euer Ohr gedrungen ist, kostet zweimal zehn und noch fünf Diemalan das Leben. Soll ich euer