und in ihren Sitten so einfach, und dass ich – meinen Kindern tüchtige Erzieher geben konnte. Die Götter gaben mir durch Träume Hilfsmittel an die Hand gegen allerlei Krankheiten, so gegen Blutauswurf und Schwindel. Auch verhüteten sie, als ich das Studium der Philosophie anfing, dass ich einem Sophisten in die Hände fiel oder mit einem solchen Schriftsteller meine Zeit verdarb, oder mit der Lösung ihrer Syllogismen mich einliess, oder mit der Himmelskunde mich beschäftigte. Denn zu allen diesen Dingen bedarf es der helfenden Götter und des Glückes.
18. Man muss sich bei Zeiten sagen: ich werde einem vorwitzigen, einem undankbaren, einem schmähsüchtigen, einem verschlagenen oder neidischen oder unverträglichen Menschen begegnen. Denn solche Eigenschaften liegen Jedem nahe, der die wahren Güter und die wahren Uebel nicht kennt. Habe ich aber eingesehen, einmal, dass nur die Tugend ein Gut und nur das Laster ein Uebel, und dann, dass der, der Böses thut, mir verwandt ist, nicht sowohl nach Blut und Abstammung, als in der Gesinnung und in dem, was der Mensch von den Göttern hat, so kann ich weder von Jemand unter ihnen Schaden leiden – denn ich lasse mich nicht verführen – noch kann ich dem, der mir verwandt ist, zürnen oder mich feindlich von ihm abwenden, da wir ja dazu geboren sind, uns gegenseitig zu unterstützen, wie die Füsse, die Hände, die Augenlider, die Reihen der oberen und unteren Zähne einander dienen. Also ist es gegen die Natur, einander zuwider zu leben. Und das thun die doch, die auf einander zürnen oder sich von einander abwenden.
19. Was ich bin, ist ein Dreifaches: Fleisch und Seele und was das Ganze beherrscht. – Lege bei Seite, was Dich zerstreut, die Bücher und Alles, was hier zu Nichts führt; sondern einmal: des Fleischlichen achte gering wie ein Sterbender! Es ist Blut und Knochen und ein Geflecht aus Nerven, Adern und Gefässen gewebt. Dann betrachte Deine Seele, und was sie ist: ein Hauch; nicht immer dasselbe, sondern fortwährend ausgegeben und wieder eingesogen. Drittens also das, was die Herrschaft führt! Da sei doch kein Thor, Du bist nicht mehr jung: so lass auch nicht länger geschehen, dass es diene; dass es hingenommen werde von einem Zuge, der Dich dem Menschlichen entfremdet; dass es dem Verhängniss oder dem gegenwärtigen Augenblicke grolle oder ausweiche dem, was kommen soll!
20. Das Göttliche ist vorsehungsvoll, das Zufällige nach Art, Zusammenhang und Verflechtung nicht zu trennen von dem durch die Vorsehung Geordneten. Alles fliesst von hier aus. Daneben das Nothwendige und was dem ganzen Universum, dessen Theil Du bist, zuträglich ist. Jedem Theile der Natur- aber ist das gut, was seinen Halt an der Natur des Ganzen hat und wovon diese wiederum getragen wird. Die Welt aber wird getragen wie von den Verwandlungen der Grundstoffe so auch von denen der zusammengesetzten Dinge. – Das muss Dir genügen und fest stehen für immer. Nach der Weisheit, wie sie in Büchern zu finden ist, strebe nicht, sondern halte sie Dir fern, damit Du ohne Seufzer, mit wahrer Seelenruhe und den Göttern von Herzen dankbar sterben kannst. –
Zweites Buch
1. Erinnere Dich, seit wann Du das nun schon aufschiebst, und wie oft Dir die Götter Zeit und Stunde dazu gegeben haben, ohne dass Du sie nutztest. Endlich solltest Du doch einmal einsehen, was das für eine Welt ist, der Du angehörst, und wie der die Welt regiert, dessen Ausfluss Du bist; und dass Dir die Zeit zugemessen ist, die, wenn Du sie nicht brauchst Dich abzuklären, hin sein wird, wie Du selbst, und die nicht wiederkommt.
2. Immer sei darauf bedacht, wie es einem Manne geziemt, bei Allem was es zu thun giebt eine strenge und ungekünstelte Gewissenhaftigkeit, Liebe, Freimüthigkeit und Gerechtigkeit zu üben, und Dir dabei alle Nebengedanken fern zu halten. Und Du wirst sie Dir fern halten, sobald Du jede Deiner Handlungen als die letzte im Leben ansiehst: fern von jeder Unbesonnenheit und der Erregtheit, die Dich taub macht gegen die Stimme der richtenden Vernunft, frei von Verstellung, von Selbstliebe und von Unwillen über das, was das Schicksal daran hängt. – Du siehst, wie Wenig es ist, was man sich aneignen muss, um ein glückliches und gottgefälliges Leben zu führen. Denn auch die Götter verlangen von dem, der dies beobachtet, nicht Mehr.
3. Fahre nur immer fort, Dir selbst zu schaden, liebe Seele! Dich zu fördern wirst Du kaum noch Zeit haben. Denn das Leben flieht einen Jeglichen. Für Dich ist es aber schon so gut als zu Ende, der Du ohne Selbstachtung Dein Glück ausser Dich verlegst in die Seelen Anderer.
4. Trotz Deines Bestrebens, an Erkenntniss zu wachsen und Dein unstätes Wesen aufzugeben, zerstreuen Dich die Aussendinge noch immer? Mag sein, wenn Du jenes Streben nur festhältst. Denn das bleibt die grösste Thorheit, sich müde zu arbeiten ohne ein Ziel, auf das man all sein Dichten und Trachten hinrichtet.
5. Wenn man nicht herausbringen kann, was in des Andern Seele vorgeht, so ist das schwerlich ein Unglück; aber nothwendig unglücklich ist man, wenn man über die Regungen der eigenen Seele im Unklaren ist.
6. Daran musst Du immer denken, was das Wesen der Welt und was das Deinige ist, und wie sich beides zu einander verhält, nämlich was für ein Theil des Ganzen Du bist und zu welchem Ganzen Du gehörst, und dass Dich Niemand hindern kann, stets nur das zu thun und zu reden, was dem Ganzen entspricht, dessen Theil Du bist.
7. Theophrast in seiner Vergleichung der menschlichen Fehler – wie diese denn allenfalls verglichen werden können – sagt: schwerer seien die, die aus Begierde, als die, welche aus Zorn begangen werden. Und wirklich erscheint ja der Zornige als ein Mensch, der nur mit ein ein gewissen Schmerze und mit innerem Widerstreben von der Vernunft abgekommen ist, während der aus Begierde Fehlende, weil ihn die Lust überwältigt, zügelloser erscheint und schwächer in seinen Fehlern. Wenn er nun also behauptet: es zeuge von grösserer Schuld, einen Fehler zu begehen mit Freuden als mit Bedauern, so ist das gewiss richtig und der Philosophie nur angemessen. Man erklärt dann überhaupt den Einen für einen Menschen, der gekränkt worden ist und zu seinem eigenen Leidwesen zum Zorn gezwungen wird, während man bei dem Andern, der Etwas aus Begierde thut, die Sache so ansieht, als begehe er das Unrecht aus heiler Haut.
8. Jegliches thun und bedenken wie Einer, der im Begriff ist das Leben zu verlassen, das ist das Richtige. Das Fortgehen von den Menschen aber, wenn es Götter giebt, ist kein Unglück. Denn das Uebel hört dann doch wohl gerade auf. Giebt es aber keine, oder kümmern sie sich nicht um die menschlichen Dinge, was soll mir das Leben in einer götterleeren Welt, in einer Welt ohne Vorsehung? Doch sie sind und sie kümmern sich um die menschlichen Dinge. Noch Mehr. Sie haben es, was die Uebel betrifft, und zwar die eigentlichen, ganz in des Menschen Hand gelegt, sich davor zu bewahren. Ja auch hinsichtlich der sonstigen Uebel, kann man sagen, haben sie es so eingerichtet, dass es nur auf uns ankommt, ob sie uns widerfahren werden. Denn wobei der Mensch nicht schlimmer wird, wie sollte dies sein Leben verschlimmern? Selbst die blosse Natur – sei es, dass wir sie uns ohne Bewusstsein oder mit Bewusstsein begabt vorstellen; gewiss ist, dass sie nicht vermag, dem Uebel vorzubeugen oder es wieder gut zu machen – auch sie hätte dergleichen nicht übersehen, hätte nicht in dem Grade gefehlt aus Ohnmacht oder aus Mangel an Anlage, dass sie Gutes und Böses in gleicher Weise guten und bösen Menschen unterschiedslos zu Theil werden Hesse. Tod aber und Leben, Ruhm und Ruhmlosigkeit, Leid und Freude, Reichthum und Armuth und alles dieses wird den guten wie den bösen Menschen ohne Unterschied zu Theil, als Dinge, die weder sittliche Vorzüge noch sittliche Mängel begründen: also sind sie auch weder gut noch böse (weder ein Glück noch ein Unglück).
9. Wie doch Alles so schnell verbleicht! in der sichtbaren Welt die Leiber, in der Geisterwelt deren Gedächtniss! Was ist doch alles Sinnliche, zumal was durch Vergnügen anlockt oder durch Schmerz abschreckt oder in Stolz und Hochmuth sich breit macht! wie nichtig und verächtlich, wie schmutzig, hinfällig, todt! – Man folge dem Zuge des Geistes; man frage nach denen, die sich durch Werke des Geistes berühmt gemacht haben; man untersuche, was eigentlich sterben heisst (und man wird, wenn man der Phantasie keinen Einfluss auf seine Gedanken verstattet, darin nichts Anderes als ein Werk der Natur erkennen: kindisch aber wäre es doch, vor einem Werke der Natur, das derselben ohnehin auch noch zuträglich ist, sich zu fürchten); man mache sich klar, wie der Mensch Gott ergreift und mit welchem Theile seines Wesens, und wie es mit diesem Theile des Menschen bestellt ist, wenn er Gott ergriffen hat.
10. Nichts Elenderes als ein Mensch, der um Alles und Jedes sich kümmert, auch um das, woran sonst Niemand denkt, der nicht aufhört über die Vorgänge in der Seele des Nächsten seine Conjecturen zu machen und nicht begreifen