Alfred Bekker

So viele Killer: Vier Kriminalromane


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wurde es besser, und Taggart trat kräftiger auf den Gashebel.

      „Verwechseln Sie bitte den Cisitalia nicht mit einem Düsenjäger, Sir!“, bat Hulbert kläglich.

      „Wird Ihnen etwa schwummerig vor den Augen?“ Taggart wandte interessiert den Kopf.

      „Im Gegenteil, ich finde Ihr Tempo 'chic', Sir!“, stöhnte der Sergeant verzweifelt. — Merton, Morden und Malden flogen vorüber. In Coombe bog der Inspector auf die Straße nach Surbiton ab, fuhr einige Meilen weiter, verließ die Hauptroute und fuhr auf einem jämmerlichen Weg durch einen alten Park, an dessen Ende ein geräumiges Bauernhaus mit tief herabgezogenem, strohgedecktem Dach stand. „Silver Mirror“ stand in bläulich sprühenden Leuchtbuchstaben über dem Eingang zu lesen. Der Parkplatz gegenüber war nahezu völlig besetzt.

      „Kommen Sie, Chris, ich habe einen Bärenhunger!“, drängte der Inspector seinen Adlatus zur Eile.

      Das Farmhaus diente nur als Staffage, wie Hulbert erkannte, nachdem ihn Taggart über eine steile Wendeltreppe in ein unterirdisches Gewölbe geführt hatte. Dort standen klobige Tische, Stühle und Bänke, und auf den weiß gescheuerten Eichenplatten Windlichter mit schmiedeeisernen Rahmen. Eine Three-Man-Band spielte leise und überlangsam Parlez moi d'amour. Der Raum war dicht besetzt. Die Gäste schienen sich aus den Kreisen der Upper Ten zu rekrutieren. Die Herren waren zuallermeist im Frack oder Smoking erschienen, bei den Damen herrschten Abend- und Cocktailkleider vor, ein Beweis, dass sie das Lokal nur als Ausgangsbasis für nächtliche Exkursionen betrachteten.

      Mit dem Gehabe eines entthronten Fürsten näherte sich der Oberkellner, um die Herren gemessen zu begrüßen.

      ,/n Abend, Francois!“, sagte Taggart vertraulich. „Haben Sie noch für zwei hungrige Wanderer Platz?“

      „Mais oui“, erwiderte der würdige Mann, „isch immer 'abe Platz für eine gute Gast wie Sie, Monsieur Taggart!“ Er sprach den Namen des Inspectors „Dagaahr“ aus. „Eh bien, wollen die 'erren 'aben die Güte, misch zu begleiten ...?“

      „Ein waschechter Pariser!“, sagte Hulbert begeistert, als sie endlich an einem versteckten Tisch im Seitenflügel Platz gefunden hatten.

      „... dessen Wiege vermutlich in Soho oder Hackney stand“, grinste Taggart. „Seinen französischen Akzent verdankt er jahrelangem Training. — Ah, da kommt er ja mit der Karte. Darf ich für uns beide wählen, Chris?“

      „Mit Wonne, Sir!“

      Das Dinner war Gegenstand langer Verhandlungen zwischen Taggart und Francois, aber das Resultat konnte sich dafür auch sehen lassen: Coomassie Cocktail — Hors d'oeuvre nach Art des Hauses — klare Zwiebelsuppe — Severn-Hechtfilet mit Kartoffelcroquetten — Steakspitzen à la Gortschakow — Salatplatte — Halbgefrorenes.

      „Darf isch Ihnen offerieren eine Flasche Haut-Brion 1953?“, fragte Francois.

      „Güteklasse sieben und entsprechend teuer, wie?“, grinste Taggart.

      Der Oberkellner grinste zurück. „Ein Monsieur Taggart nischt fragt nach die Preis, wenn er kann 'aben Haut-Brion 1953!“

      „Da haben Sie allerdings recht!“ —

      „Wer soll das bezahlen?“, fragte Hulbert entsetzt, als sich Francois entfernt hatte.

      „Dreimal dürfen Sie raten!“, schmunzelte der Inspector, aber sein Adlatus war mit den Gedanken schon wieder woanders. „Zwischen Balham und Merton hat er uns verloren“, meinte er nachdenklich.

      „Wer ...?“

      „Der Sportwagen, der sich hinter Southwark an uns gehängt hat. Könnte ein Turner gewesen sein.“

      „So? Ich habe nichts davon bemerkt.“

      „Na ja — bei Ihrem Tempo!“, beschloss der Sergeant missbilligend das Thema ab.

      *

      Das Gala-Diner — Hulbert nannte es freilich eine fulminante Feinschmecker-Orgie — dauerte bis kurz nach zehn. Der Sergeant gab begeistert zu, dass er nie zuvor derart wundervoll gespeist habe. Taggart beglich die Rechnung und erhob sich. „Kommen Sie, wollen jetzt in aller Ruhe und ganz langsam nach Hause fahren!“

      Als die beiden C.I.D.-Beamten ins Freie traten, spürten sie, dass es inzwischen empfindlich kühl geworden war. Aus Sheerness-Edge wehte eine mehr als steife Brise und trieb bizarre Wolkenfetzen nach Westen. Zuallermeist war der zunehmende Mond verdeckt. Außer dem Knirschen des Kieses unter den Schuhsohlen und dem Raunen des Windes in den Wipfeln der Alleebäume war kaum ein Geräusch zu vernehmen.

      „Unheimlich hier!“, seufzte Hulbert. „Man könnte meinen, die Geisterstunde sei heute um einhundertzwanzig Minuten vorverlegt ...“

      „Abergläubisch?“, fragte Taggart erstaunt.

      „Mein Vater war Schotte, Sir“, bekannte der Sergeant schlicht.

      „Gehen wir“, scherzte Taggart, „damit uns die Geister nicht doch noch einholen!“

      Sie schlenderten zum Parkplatz hinüber, wo immer noch zwei Reihen wartender Wagen seltsam konturenlos hintereinanderstanden. Der Sergeant zog seinen Vorgesetzten am Ärmel zurück.

      „Da — ein Schatten bei Ihrem Wagen!“, flüsterte er.

      Zwei Augenpaare versuchten die Dunkelheit zu durchdringen.

      „Ich sehe nichts“, meinte Taggart nach einer ganzen Weile, „gehen wir weiter.“

      Die nächsten Ereignisse spielten sich schneller ab, als der Inspector gedanklich verkraften konnte. Er sah einen zuckenden Blitz neben der linken Tür des Cisitalia, hörte ein gedämpftes Plopp ... — und dann versetzte ihm ein übermächtiger Riese einen Boxhieb gegen die Brust, der ihn mit unwiderstehlicher Gewalt umwarf. Das Letzte, was er bewusst spürte, war ein stechender Schmerz im Schädel und — fast im selben Moment — eine süße, beglückende Lähmung.

      *

      Taggart hörte sich selbst sagen:

      „Vermutlich — hat — jemand — mit — meiner — Figur — sämtliche — Treppenstufen — des — Eiffelturms — nass — gewischt! — Von ... oben ... bis ... unten ...!“

      „Heavens, Doktor, er hat sie wieder alle beisammen!“

      Die Stimme kennst du doch?, rätselte Taggart. Richtig, Christopher Hulbert. Goddam, ich liege lang! Seit wann stehen im Silver Mirror Betten für die Gäste ...?

      In seinem Schädel hatte sich ein Bienenschwarm unerlaubt eingenistet, und seine linke Brustseite war eine einzige schmerzende Wunde. Die Luft im Raum roch nach Jodoform, Äther und Desinfektionsmitteln.

      „Ich bin im Krankenhaus!“, schlussfolgerte er messerscharf und versuchte sich aufzurichten, sank aber mit einem Wehlaut wieder zurück.

      „Im Chelsea Hospital“, sagte eine fremde Stimme. „Ich bin Doktor Glyth.“

      „Aha! Sind lebenswichtige Teile kaputt?“

      „Nein — obwohl Sie von Rechts wegen ins Leichenhaus gehören. Danken Sie Gott auf den Knien, dass Sie mit einem blauen Auge davongekommen sind!“

      „Das will ich tun!“, versprach Taggart, sehr ernst geworden. Jetzt endlich sank der Nebelschleier von seinen Augen und er erkannte Hulbert. „Da sind Sie ja, Chris. Man hat auf mich geschossen, nicht?“

      „Sicher, Sir“, murmelte der Sergeant bewegt, „die Kugel hat sie genau in Herzhöhe getroffen. Wie wenn Sie etwas geahnt gehabt hätten, hatten Sie beim Verlassen des Lokals Ihr Zigarettenetui in die Brusttasche anstatt in die Seitentasche gesteckt. Deshalb hat Sie das Geschoss nicht getötet, sondern sich am Etui plattgedrückt. Die Wucht warf Sie um, Sie schlugen mit dem Kopf auf einen Stein auf, und damit war der Film gerissen.“

      „Mensch, so ein Glück! Ich muss wirklich Gott danken! — Hm, wenn mich die Auftreffwucht umgeworfen hat, muss das Geschoss wenigstens