des Staates – wenn überhaupt, werden die Staatsapparate unter neoliberalen Regimes noch ausgreifender.65 Ein anderes Manöver besteht in der Erfindung zahlloser Methoden zur »Fesselung« des Staates, die jegliche Veränderung durch Verfassungsmodifikationen verbieten (wie in der »Public-Choice«-Theorie von James M. Buchanan). In der Praxis läuft die »Deregulierung« stets auf eine lediglich anderen Direktiven folgende »Reregulierung« hinaus.
[5] Die Skepsis angesichts der mangelnden Steuerbarkeit der Demokratie tritt immer wieder hinter der Erkenntnis zurück, dass der neoliberale marktförmige Staat der Legitimation durch die Bevölkerung bedarf. Darin liegt ein heikles Problem für Neoliberale: Wie lässt sich der Anschein von Freiheit als Zwanglosigkeit aufrechterhalten, wenn es in Wirklichkeit unwahrscheinlich ist, dass die Mehrheit freiwillig die neoliberale Version des Staates wählt? Wie Hayek einmal schrieb: »Es wäre unmöglich zu behaupten, daß eine freie Gesellschaft immer und notwendigerweise Werte entwickelt, die wir billigen würden, oder auch nur, wie wir sehen werden, daß sie Werte erhält, die mit der Erhaltung der Freiheit vereinbar sind.«66 In gewissem Sinn bietet das NDK selbst eine praktische Lösung für das Problem: Die russische Schachtelpuppe beinhaltet auch einen bewussten Eingriff, der die Kultur durch Entwaffnung des politischen Gegners in eine für die Neoliberalen günstige Richtung verschieben soll. Da eben dies aber als Verstoß gegen den Grundsatz der Unverletzbarkeit des individuellen Willens gewertet werden könnte, haben die Neoliberalen auch eine theoretische »Lösung« für das Problem entwickelt.
Den nicht zu duldenden Widerspruch einer demokratischen Ablehnung ihres idealen Staates versuchen Neoliberale dadurch zu überwinden, dass sie Politik so behandeln, als ob sie ein Markt wäre, und eine wirtschaftliche Theorie der »Demokratie« vertreten. Im Extremfall bezeichnet der Begriff des Bürgers dann nicht mehr als einen Kunden staatlicher Dienstleistungen.67 Das erleichtert die Anwendung neoklassischer wirtschaftlicher Modelle auf vormals politische Themen, erklärt aber auch, warum die neoliberale Bewegung ihre politische Macht durch ein Agieren innerhalb des Staates zu konsolidieren versuchen muss. Dabei wird die abstrakte »Herrschaft des Gesetzes« häufig mit der neoliberalen Vision eines idealen Marktes gleichgesetzt oder ihr untergeordnet. Die Form des Nachtwächterstaates erfährt eine vollständige Zurückweisung: Es gibt keine separate Sphäre des Marktes, die wie ehedem von der der Zivilgesellschaft abgetrennt wäre. Alles gilt als Freiwild, das vermarktet werden kann.
Dass das Recht in ihrem idealen Staat ein System von Macht und Herrschaft ist, bestreiten Neoliberale unter größten Verrenkungen. Es soll vielmehr ein System neutraler allgemeiner Regeln darstellen, die für jeden gleichermaßen gelten und keineswegs auf den politischen Zielen einer bestimmten Gruppe (nämlich der Neoliberalen) beruhen: Anarchisten wie Rothbard gründen es auf eine Art Naturrecht, die Anhänger einer Public-Choice-Theorie à la Buchanan auf die Vertragstheorie, die Chicago School auf eine Welt, in der die Ökonomie mit der Gesamtheit der menschlichen Existenz zusammenfällt, und Hayek auf seine höchst eigentümliche Vorstellung von kultureller Evolution.68 Im alltäglichen Neoliberalismus scheint die Chicagoer Version das Rennen zu machen. In der jüngsten Krise wurde allerdings auch Hayeks Theorie wieder ausgemottet, wie wir in Kapitel 6 sehen werden.
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